Mülheim/Ruhr: Düsseldorfer Straße
Stillgelegt: 1968
Status: Keine Gleisrelikte mehr vorhanden

August 2004 © Tramtracks
Die eingleisige Passage durch den engen Ortskern von Saarn war eines der beliebtesten Fotomotive der Mülheimer Straßenbahn. Doch mit der rapiden Zunahme des Autoverkehrs in der Nachkriegszeit wurde diese Streckenführung immer mehr zum Problem. Statt die Tram aber zum Beispiel in die breitere, parallel zur alten Strecke durch die Düsseldorfer Straße verlaufende Straßburger Allee zu verlegen, entschloss sich die Stadt, diesen Ast lieber mit Bussen zu bedienen und an der Stadthalle zu kappen. Der 4. Mai 1968, der letzte Betriebstag, brachte Nulltarif und Schnaps für die Fahrgäste – quasi eine Art Leichenschmaus für den Nahverkehr. Fast 40 Jahre lang erinnerte ein letzter Gleisstummel am Ortseingang an die Saarner Strecke.
Seither ist Mülheims flächengrößter Stadtteil mit immerhin 30.000 Einwohnern ohne Anbindung ans Schienennetz, denn am 26. Mai 1968 stellte auch die Bundesbahn den Personenverkehr auf der Unteren Ruhrtalbahn (Kettwig Stausee – Saarn – Styrum) ein.

August 2004 © Tramtracks
Die Strecke wurde während der Expansionsphase der Mülheimer Straßenbahn gebaut, die von 1910 bis 1913 dauerte. Am 1. Juni 1911 wurde die Verbindung eingeweiht: Sie führte vom Rathausmarkt im Stadtzentrum über die Schlossbrücke auf die Westseite der Ruhr und dann über Mühlenberg und Kassenberg ins Dorf Saarn. Die erste Endstelle lag auf der Landsberger Straße in Höhe Sommerfeld. Im August 1954 wurde für die neuen Einrichtungsfahrzeuge ein Wendedreieck am Klostermarkt angelegt, das bis zum Schluss genutzt wurde.
Dort endete zwischen 1954 und 1968 die zusammen mit der Oberhausener Straßenbahn betriebene Gemeinschaftslinie 1, die von Holten kam und über Sterkrade und Alt-Oberhausen einen langen Weg nach Mülheim nahm. Zusätzlich gab es noch eine Linie 14, die das Fahrtenangebot zwischen Styrum (Sültenfuß) und Saarn (Alte Straße) auf einen 10-Minuten-Takt verdichtete.
Die Ursache für die Stilllegung der Saarner Strecke mag die schwierige Streckenführung gewesen sein. Auch die Entscheidung Oberhausens, sich von ihrem Straßenbahnbetrieb zu trennen, mag eine Rolle gespielt haben. Als Anlass wurden Straßenbauarbeiten genannt. Konkret ging es um den Ausbau der Kreuzung an der Stadthalle, deretwegen ein neuer Gleisabzweig auf den Kassenberg erforderlich gewesen wäre – und den man sich dann sparte.

Juli 2006 © Tramtracks

Juli 2006 © Tramtracks
Dass Saarn auch heute noch in Zusammenhang mit der Straßenbahn genannt wird, hat seinen guten Grund: Der Stadtteil ist über Jahrzehnte stetig gewachsen, vor allem südwestlich des alten Dorfes, rund um die Saarner Kuppe. Die ersten Überlegungen, auch diesen Bereich an die Schiene anzuschließen, stammten noch aus der Zeit, als die Straßenbahn noch nach Saarn fuhr. Auch danach wurden mit schöner Regelmäßigkeit Absichtserklärungen verbreitet, die Strecke zu reaktivieren bzw. neu zu gestalten. Denn Bedarf und Fahrgastpotenzial waren zweifellos vorhanden – aktuell fährt die Buslinie 133 von der Saarner Kuppe werktags im 10-Minuten-Takt zum Hauptbahnhof. Fest steht auch: Künftig würde der Ortskern mit seinen zahlreichen historischen Gebäuden im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen.
Diskutiert wurden verschiedene Varianten, von denen ein Wiederaufbau der alten Streckenführung an der Ruhr die unwahrscheinlichste war. Ende der 1960er-Jahre war ein Anschluss vom Waldschlösschen durch Diedenhofer Straße und Bühlsbachtal zur Saarner Kuppe der Planungsstand. Dieser Verlauf ist heute teilweise zugebaut. Am praktikabelsten erscheint, von der bereits existierenden Strecke nach Uhlenhorst am Heuweg abzuzweigen und auf Saarner Straße und Straßburger Allee neu zu bauen. Zum möglichen Endpunkt auf der Saarner Kuppe könnte man auf kurzem Weg über Quellenstraße und Hagenauer Straße gelangen oder einen Schwenk über Kölner Straße und Luxemburger Allee nehmen. Auf der Brüsseler Allee wurde jedenfalls ein breiter Seitenstreifen vorsorglich für eine Trasse freigehalten.
Passiert ist nichts, und die Kuppe ist mittlerweile weitgehend bebaut. Die Chance, die Straßenbahn im noch wachsenden Stadtteil zu etablieren, wurde vertan. Zumindest ist bei der Stadt Mülheim die Einsicht vorhanden, dass Saarn nicht adäquat an den Nahverkehr angebunden ist. Doch um einen der Pläne in die Tat umzusetzen, fehlen das Geld und vielleicht auch der politische Wille.
Auf dem Stadtplan markiert ist die Fundstelle am Saarner Ortseingang, ganz in der Nähe der Haltestelle "Alte Straße" (Buslinien 133, 134 und 752). Dort befand sich auch eine Zwischenendstelle für die Straßenbahn, an der die Verstärkerlinie 14 kehrt machte.
Literatur
- Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 316, 318, 326-328)
- Helmut Hoffmann / Klaus Oehlert: Bilder von der Mülheimer Strassenbahn. Aachen 1985 (S. 74, 79-82)
- Betriebe der Stadt Mülheim an der Ruhr (Hg.): 90 Jahre Straßenbahn Mülheim an der Ruhr. Mülheim an der Ruhr 1988 (S. 24-25, 36)
- Wolfgang Nyga / Bernd Oehlert: Aufnahmen von den Straßenbahnen in Mülheim und Oberhausen. Norderstedt 2017 (S. 12-13, 44)
- Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Tour Ruhr. Freiburg 2008 (S. 82)