Essen: Spurbustrasse Kray – Wasserturm
Stillgelegt: 1985
Status: Keine Gleisrelikte mehr vorhanden

Oktober 2019 © Tramtracks
Die Einstellung der Straßenbahn nach Kray ist ein ganz spezielles Kapitel in der Verkehrsgeschichte Essens. Die ca. vier Kilometer lange doppelgleisige eigene Trasse in der Mitte der Autobahn A40 durfte in den Siebzigern noch als beispielhaft für eine moderne Stadtbahn gelten. 1983 war die meterspurige Strecke aufgearbeitet worden und hatte dabei Schwellen für eine spätere Umspurung auf 1435 mm erhalten – um nur zwei Jahre später einer Betonpiste zu weichen.
Bereits an zwei anderen Stellen im Essener Netz war der Spurbus in der Erprobung: am Südwestfriedhof und auf der Wittenbergstraße. Die mit Lenkrollen an den Vorderachsen ausgestatteten Fahrzeuge werden von den auf der Trasse verlegten Betonwinkeln in der Spur gehalten. Der Fahrer braucht nicht mehr zu lenken, sondern nur Gas zu geben bzw. zu bremsen. Für den Krayer Streckenast war der Duobus vorgesehen, der neben dem Dieselmotor einen elektrischen Antrieb besitzt und wie ein O-Bus seinen Strom aus dem Fahrdraht entnimmt.

Oktober 2019 © Tramtracks

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Gleisreste sind entlang der Spurbustrasse verständlicherweise keine mehr zu finden. Dafür ist ein Relikt aus der Straßenbahnzeit an der Fußgängerbrücke in Höhe Bredow-/Blumenthalstraße zu finden: die Isolierung für die Oberleitung. Dass das Blech noch hängt, liegt eventuell daran, dass geplant war, die Strecke mit dem Duobus zu befahren.
Nicht nur das Vorzeigeprojekt, das vermeintlich Prestige verhieß, bewegte den Essener Stadtrat dazu, mit einem Beschluss im Januar 1985 grünes Licht für den Umbau der Strecke zu geben. In Kray machte eine lautstarke Fraktion Einzelhändler, die in der Tram die Wurzel allen Übels ausgemacht hatte, Stimmung. Die Achtachser würden im engen Krayer Ortskern anliefernde Fahrzeuge und parkende Kunden behindern ... Zwar hat auch der angeblich flexiblere Bus die Verkehrsprobleme bei nahezu identischer Streckenführung nicht gelöst. Die Oberleitung, die für die Elektrofahrzeuge über der Schleife durch Kray (Krayer Straße – Heinrich-Sense-Weg – Hubertstraße) hing, ist inzwischen wieder abgenommen worden.

Oktober 2019 © Tramtracks

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Oktober 2019 © Tramtracks

Oktober 2019 © Tramtracks
1926 war die Strecke vom Wasserturm bis Feldhaushof, 1930 dann bis Kray eröffnet worden. Schon damals hatte die Straßenbahn ihren eigenen Bereich (bis zum Frillendorfer Platz zweigleisig in der Mitte, weiter bis Kray eingleisig am Nordrand der Dortmunder Straße). Statt einer Brüstung aus Beton schirmte seinerzeit ein hüfthoher Busch den Bahnkörper gegen den spärlichen Autoverkehr ab. Die Schnellstraßenbahnstrecke, wie sie bis in die 1980er-Jahre Bestand hatte, entstand 1959/61, als die B1 zum autobahnähnlichen Ruhrschnellweg ausgebaut wurde.
Die Frage ist, wie zukunftsfähig das System Spurbus auf lange Sicht ist: In Essen befand es sich auf dem Rückzug, nachdem 2009 die Strecke am Südwestfriedhof aufgegeben worden war. Mannheim, die zweite deutsche Stadt mit einer Spurbusstrecke, hatte sie 2005 wieder abgebaut. Auch im internationalen Vergleich bleibt das System ein Exot: Nur Adelaide (Australien) und ein paar Städte in England setzen weiterhin auf diese Sonderform des Nahverkehrs.

Juli 2006 © Tramtracks

Juli 2006 © Tramtracks
2016 flammte die Diskussion wieder auf, ob sich die Stadt Essen langfristig zum Spurbus bekennen sollte. Dabei ging es nicht nur um die Sanierung von Betontrasse und Haltestellen, sondern auch um Ersatz für die Busse selbst. Die Zusage des Herstellers, auch weiterhin die Sonderanfertigungen mit Lenkrollen liefern zu können, kam den Verantwortlichen entgegen, an der Technik festzuhalten. Die Spurbusflotte sollte auf 15 Fahrzeuge mehr als halbiert werden und sich ihr Einsatzgebiet auf die Route zwischen Hauptbahnhof und Kray-Leithe beschränken.
Den Ausschlag für die Entscheidung für den Spurbus ergab sich aber auch aus einem Mangel an Alternativen. Die Anbindung Krays an das Stadtzentrum würde sich gravierend verschlechtern, wenn normale Busse eine Route um die A40 herum wählen müssten und dafür gerne doppelt so lange bräuchten – wie man stets feststellen kann, wenn die Trasse wieder mal saniert werden muss und deshalb nicht genutzt werden kann. Und auf der Autobahn ständen die Busse eben auch im Stau. Überlegt wurde auch, die Trasse für Busse ohne Spurführung umzubauen. Dies hätte aber wegen der beengten Verhältnisse zur Folge gehabt, dass sich Busse nicht zwischen den Haltestellen begegnen dürfen. Bei einem 5-Minuten-Takt, der seit 2019 montags bis freitags gefahren wird, wäre das keine praktikable Lösung. Nun phantasiert man bei der Ruhrbahn schon mal laut darüber, dass die Trasse als Versuchsgebiet für automatisiertes Fahren dienen könne ...

Juli 2006 © Tramtracks

Juli 2006 © Tramtracks
Der Haltestelle "Wasserturm" ist ihre ehemals dreigleisige Anlage noch heute anzusehen. Mit der Tieferlegung der B1 Richtung Innenstadt entstand die Station 1963 in dieser Form. Die nach Steele laufenden Wagen konnten jene nach Kray überholen, aber auch das mittlere Gleis bot die Möglichkeit, nach links auf die B1 abzubiegen statt geradeaus nach Steele zu fahren. Dort hält heute der Spurbus nach Kray, nebenan halten die Tram-Linien 103 und 109 nach Steele.

1985 © Ulrich Heidenreich

1985 © Ulrich Heidenreich
Rückblende: Während des Umbaus hielt die EVAG den Tram-Verkehr sechs Monate lang auf einem Gleis aufrecht. Am 29. September 1985 wurde die Strecke schließlich stillgelegt, um dann die zweite Busspur anlegen zu können. Die Strecke auf dem Mittelstreifen der A40 sollte dann noch für den Duobus elektrifiziert werden. Die dafür vorgesehenen Masten wurden aber wieder demontiert. Lediglich im Krayer Ortskern fuhr der Spurbus zumindest zeitweise unter Draht.
Ursprünglich hatte es geheißen, dass der Krayer Ast nach dem Ende des Spurbus-Tests wieder Schienen erhalten sollte. Doch eine Neuverlegung von Gleisen ist in weite Ferne gerückt. Ein Problem wären nun auch die Oberleitungsmasten, die in der Mitte einer Autobahn nicht mehr zulässig sein sollen. Auf derselben A40 zwischen der Essener Innenstadt und Wickenburg kann man sich auf davon überzeugen, dass das sehr wohl machbar ist. Die U18 genießt ja immerhin Bestandsschutz.
Aber mal angenommen, die Straßenbahn würde den Spurbus auf der Trasse nach Kray wieder ersetzen: Wo und wie sollte es dann weitergehen? Der Krayer Ortskern ist tatsächlich eng, und das gilt auch für die jetzt vom Bus ebenfalls erschlossenen Wohngebiete im Osten von Kray und in Leithe. Eine Tram zumindest wieder wie früher zum Bahnhof Kray Nord zu führen, dürfte politisch kaum durchsetzbar sein. Eine Tunnellösung wäre eine Überlegung wert, käme jedoch vermutlich sehr teuer.
Auf dem Stadtplan markiert ist die Position der Haltestelle "Feldhaushof" auf der Autobahn A40. Die Spurbustrasse ist als blauweißes Band eingezeichnet. Befahren wird sie von der Buslinie 146 (Haltestellen: "Wasserturm", "Oberschlesienstraße", "Feldhaushof", "Frillendorfer Platz", "Schönscheidtstraße" und "Kray Mitte").
Literatur
- Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 270-274)
- Essener Verkehrs-AG: Hundert Jahre in Essen auf Draht – Die Straßenbahn. Essen 1993 (S. 116-120)
- Eckehard Frenz / Wolfgang R. Reimann: Tram-Tour Ruhr. Freiburg 2008 (S. 53, 153)
Links
- YouTube-Video: Duo-Spur-Bus in Essen – Innovation von gestern
- YouTube-Video: Duobus zwischen Volkshochschule und Oberschlesienstraße
- YouTube-Video: Spurbus-Mitfahrt Kray – Wasserturm (Juni 2015)
- Foto von Dr. Werner Söffing auf Flickr: Tw 1615 und Bw 2908 auf Linie 3 auf der Rampe zur Krayer Platte (April 1971)
- Foto von Dr. Werner Söffing auf Flickr: Tw 1001 auf Linie 103 zwischen Wasserturm und Oberschlesienstraße (Januar 1981)
- Foto von Jochen Kehl: Tw 1132 auf Linie 103 nach Kray (1985)
- Drehscheibe online: Beim Spurbus in Essen (September 2020)
- Fundstelle in Google Street View (Dezember 2022)
- Luftbild in Google Maps