Duisburg: Kalkweg
Stillgelegt: vermutlich 1945
Status: Keine Relikte mehr vorhanden

Juli 2006 © Tramtracks
Das erinnert doch verdächtig an Schienen!? Wer den Kalkweg kurz vor der Einmündung in den Sternbuschweg entlang fährt, mag dies denken. In der Tat, hier lagen vor mehr als 70 Jahren tatsächlich Straßenbahngleise. Die Stichstrecke zu den Sportanlagen an der Wedau wurde 1929/30 gebaut und zunächst von der Linie 10 bedient, die von Ruhrort über die Düsseldorfer Straße fuhr und am Grunewald abbog.
Unmittelbar vor und ein Stück hinter der Brücke, über die Güterzüge zwischen Hochfeld Süd und Mülheim-Speldorf rollen, sind zwar nicht mehr die Gleise selbst, wohl aber deren frühere Lage sichtbar. Die Bahnen, die dort fuhren, beförderten vor allem Besucher zu dem Mitte der 1920er-Jahre eröffneten Wedaustadion. Ein zeitgenössisches Foto zeigt dutzendweise Zweiachser, die die Menschenmengen aufnahmen.

Juli 2006 © Tramtracks

Juli 2006 © Tramtracks
Freizeitvergnügen ist freilich nur etwas für Friedenszeiten: Schon während des Zweiten Weltkriegs wurde die Strecke von keiner Linie mehr bedient und nach Kriegsende nicht wieder in Betrieb genommen. Ein genaues Stilllegungsdatum ist nicht bekannt. In den 1990er-Jahren existierten wohl tatsächlich Pläne, das Stadion vom Grunewald her über den Sternbuschweg und eine kurze Neubaustrecke erneut anzubinden. Auf dem Parkplatz war eine große Gleisschleife vorgesehen. Das Projekt verschwand aber dann doch in der Schublade. Fußball-Fans, die mit der Bahn zu den Spielen des MSV Duisburg anreisen, müssen einen Fußmarsch von der U79-Haltestelle "Grunewald" (1,6 km) oder von der S-Bahnstation "Duisburg-Schlenk" (2,4 km) in Kauf nehmen.
Genaueres Hinsehen entlarvte die Gleis-Attrappe: Die Schienen wurden offenbar aus dem Kopfsteinpflaster herausgenommen und an ihrer Stelle einfach Steine eingesetzt. Weil sie sich in Form und Schattierung abheben, glaubte man von weitem, es lägen immer noch Schienen dort. In dieser Ausprägung und mit einer Länge von ca. 150 Metern war diese Fundstelle wohl einmalig im Ruhrgebiet.

Juli 2006 © Tramtracks

Juli 2006 © Tramtracks
Auf halbem Wege zwischen Eisenbahnbrücke und Kruppstraße endet das Muster im Pflaster. Viel weiter reichten die Gleise auch nicht. Nicht nur als Ausflugslinie hätte die Strecke auch nach dem Krieg durchaus Potenzial gehabt. Entlang des Kalkwegs liegt nicht nur die Arena des Bundesliga-Zweitligisten, sondern im weiteren Verlauf sind dort auch das östliche Schlenk-Viertel, die Städtischen Kliniken und last not least der Ortsteil Bissingheim mit der Sechs-Seen-Platte aufgereiht.
Von der Strecke gibt es sehr wenig Bildmaterial, wohl aber wurde in den 1930er-Jahren auf dem Kalkweg ein Lehrfilm gedreht: Er sollte Autofahrer dazu ermahnen, besser auf Straßenbahnen Acht zu geben. Für den Film wurde auch eine Karambolage mit Blechschaden inszeniert – nach klassischem Linksabbiegen ohne Blick in den Rückspiegel.

März 2018 © Tramtracks

März 2018 © Tramtracks
Von Herbst 2017 bis Sommer 2018 wurde der Kalkweg zwischen Sternbuschweg und Kruppstraße "lärmsaniert". Mit anderen Worten: Das alte Kopfsteinpflaster, über das die Autos geräuschvoll rumpelten, wurde entfernt und stattdessen eine neue Asphaltschicht aufgetragen. Die Stadt Duisburg hatte dafür Bundesmittel aus dem Fördertopf für kommunale Investitionen erhalten.
Damit verschwand also auch diese spezielle Fundstelle – wie überhaupt Straßen mit Kopfsteinpflaster im Ruhrgebiet eine Seltenheit geworden sind.
Auf dem Stadtplan markiert ist die Stelle auf dem Kalkweg an den Eisenbahnbrücken, wo das Pflastermuster beginnt. Ganz in der Nähe hält die Buslinie 934 (Haltestelle: "Kalkweg"). Aber auch die Stadtbahn-Haltestelle "Grunewald" befindet sich in fußläufiger Distanz.
Literatur
- Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 4: Ruhrgebiet. Freiburg 1994 (S. 162-163)