Geschmak

[461] Geschmak. (Sch�ne K�nste)

Der Geschmak ist im Grunde nichts anders, als das Verm�gen das Sch�ne zu empfinden, so wie die Vernunft das Verm�gen ist, das Wahre, Vollkommene und Richtige zu erkennen; das sittliche Gef�hl, die F�higkeit das Gute zu f�hlen. Bisweilen aber nihmt man das Wort in einem engern Sinn, nach welchem man nur den Menschen Geschmak zueignet, bey denen dieses Verm�gen sich schon zu einer gewissen Fertigkeit entwikelt hat.

Man nennet dasjenige Sch�n, was sich, ohne R�ksicht auf irgend eine andre Beschaffenheit, unsrer Vorstellungskraft auf eine angenehme Weise darstellt; was gef�llt, wenn man gleich nicht wei�, was es ist, noch wozu es dienen soll.1 Also vergn�gt das Sch�ne nicht deswegen, weil der Verstand es vollkommen, oder das sittliche Gef�hl es gut findet, sondern weil es der Einbildungskraft schmeichelt, weil es sich in einer gef�lligen, angenehmen Gestalt zeiget. Der innere Sinn, wodurch wir diese Annehmlichkeit genie�en, ist der Geschmak. Wenn die Sch�nheit, wie an seinem Orte bewiesen wird2, etwas W�rkliches ist, und nicht[461] blos in der Einbildung besteht, so ist auch der Geschmak ein in der Seele w�rklich vorhandenes und von jedem andern unterschiedenes Verm�gen; n�mlich das Verm�gen das Sch�ne anschauend zu erkennen, und vermittelst dieser Kenntnis Vergn�gen davon zu empfinden. So weit sich die Natur des Sch�nen erkennen und zergliedern l��t, so weit kann man auch die Natur des Geschmaks deutlich erkennen. Da die hieher geh�rigen Betrachtungen in dem Artikel Sch�nheit vorkommen, so schr�nken wir diesen blos auf dasjenige ein, was die W�rkungen des Geschmaks betrifft.

Man kann dieses Verm�gen der Seele in einem zweyfachen Gesichtspunkte betrachten; w�rkend, als ein Werkzeug des K�nstlers, womit er w�hlt, ordnet und ausziert; bey dem Liebhaber ist es genie�end, indem es Vergn�gen erwekt, und das Gem�th f�hig macht, die Werke der sch�nen K�nste zu nutzen.

Der K�nstler von Geschmak sucht jedem Gegenstand, den er bearbeitet, eine gef�llige, oder der Einbildungskraft sich lebhaft darstellende Form zu geben, und hat hierin die Natur zu seiner Vorg�ngerin, die nicht zufrieden ist, ihre Werke vollkommen und gut zu machen, sondern �berall Sch�nheit der Formen, Annehmlichkeit der Farben, oder doch genaue Uebereinstimmung der Form mit dem innern Wesen der Dinge, zu erhalten sucht.

Der Verstand und das Genie des K�nstlers geben seinem Werk alle wesentlichen Theile, die zur innern Vollkommenheit geh�ren, der Geschmak aber macht es zu einem Werk der sch�nen Kunst. Das Haus, in welchem alles, was zur Wohnung und zu den t�glichen Verrichtungen dienet, vorhanden ist, wird dadurch, da� ein Mann von Geschmak alle diese Theile angenehm zusammen vereiniget, da� er dem Ganzen ein gef�lliges Ansehen, und jedem Theile, nach Maa�gebung seines Ranges und Orts, eine schikliche Form giebt, zum Werk der sch�nen Baukunst. Die Rede, in welcher man alles sagt, was zum Endzwek dienet, wird durch eine gef�llige Anordnung der Haupttheile, durch die sch�ne Wendung einzeler Gedanken, durch Harmonie und andre sinnliche Kraft des Ausdruks, zum Werk der Beredsamkeit.

Eigentlich macht also der Geschmak, der zu Verstand und Genie hinzuk�mmt, den K�nstler aus. Jene h�here Gaben allein machen den geschickten, den verst�ndigen, den erfindungsreichen Mann, nur nicht den K�nstler aus. Aber der Geschmak allein, wo er nicht von Verstand und Genie begleitet ist, kann nie den gro�en K�nstler ausmachen. Denn da, wo der Stoff selbst keinen Werth hat, hilft die sch�ne Form wenig. Man trifft bisweilen Menschen an, deren Seelen blos Phantasie von Geschmak begleitet, sind, und denen es am Verstande fehlet; Menschen, die nie auf etwas anders, als auf Sch�nheit sehen, die, durch das sch�ne Kleid v�llig befriediget, nie auf die bekleidete Sach Acht haben. Dieser Charakter macht die feinen und geschmakvollen T�ndler aus, dergleichen man in allen sch�nen K�nsten hat. Sie sind die Zierrathen des menschlichen Geschlechts. Ihre Werke dringen nie durch die Phantasie hindurch, und lassen den Verstand und das Herz in v�lliger Ruh.

Auch dem gl�nzendesten Witz, sagt Young, sollte es nicht erlaubt seyn, in sich selbst verliebt, seine Annehmlichkeiten in der eitelen Quelle des Nachruhms (der Presse) zu bewundern, wenn er auf nichts, als seine Sch�nheit stolz seyn kann. Er sollte, wie Brutus, sein geliebtestes Kind dem heiligen Intresse der Tugend und dem w�rklichen Dienst des menschlichen Geschlechts aufopfern.

Man sieht auf der andern Seite, da� M�nner von Verstand und Genie, denen es am Geschmak fehlet, sich zu den K�nstlern gesellen; aber ihre Werke sind nie wahre Werke der sch�nen Kunst. Sie k�nnen in Gedanken und Erfindung f�rtrefflich seyn, aber die W�rkung, die man von den Werken der Kunst erwartet, haben sie nicht. K�nstler von h�heren Gaben, ohne Geschmak, sind, was im gemeinen Leben verst�ndige und redliche M�nner, die durch ein finsteres, steifes Wesen andre abschreken, von ihrem guten Verstand und Herzen Gebrauch zu machen. Also macht die Vereinigung jener h�hern Gaben mit dem Geschmak, den wahren K�nstler.

Es ist angemerkt worden, da� das eigentliche Sch�ne in der angenehmen Form bestehe. Man d�hnet aber den Begriff desselben auch weiter aus, und nennt auch ofte das, was eine merkliche, sinnliche Vollkommenheit, Wahrheit und Richtigkeit hat, so gar das Gute, in so fern es dem anschauenden Erkenntnis klar einleuchtet, Sch�n.3 Der Geschmak in seinem weitesten Umfange geht also auch auf dieses Sch�ne. Er giebt den Vorstellungen nicht nur eine sch�ne Form, sondern verbindet mit [462] derselben auch das Sch�ne, das aus dem Gebiethe des Wahren und Guten genommen ist, auf eine so unzertrennliche Weise, da� der mit diesem Geschmak ausgebildete Gegenstand auf einmal den Verstand, die Einbildungskraft und das Herz einnihmt. Wie man der menschlichen Bildung erst alsdann die h�chste Sch�nheit zuschreibt, wenn ein lebhafter Geist nebst einem edlen Herzen in der sch�nen Form gleichsam durchscheinen, so erreichen auch die Werke der Kunst erst alsdann die h�chste Sch�nheit, wenn die angenehme Form durch Reizungen einer h�hern Art ein noch st�rkeres Leben bek�mmt.

Also zeiget sich der Geschmak nur alsdenn in seiner h�chsten Vollkommenheit, wenn er von scharfem Verstande, feinem Witz und von edlen Empfindungen begleitet wird. Ein Werk der Kunst, das die Phantasie auf das vollkommenste, oder auf die angenehmste Weise besch�ftiget, scheinet denn doch immer noch etwas Leeres zu haben, wenn der Verstand und das Herz dabey m��ig bleiben. Man glaubt einiger maa�en zu f�hlen, da� die Phantasie die Oberfl�che der Seele einnehme, da der Verstand und die Empfindungen in der Tiefe derselben ihren Sitz haben. Soll die ganze Seele von der Sch�nheit eines Werks durchdrungen werden, so mu� keine Sayte derselben unber�hrt bleiben. Der Geschmak des K�nstlers mu� nicht blos auf das eigentliche Sch�ne, sondern auf jede Art des uneigentlich Sch�nen gerichtet seyn, das im Grund aus Wahrheit, Richtigkeit, Schiklichkeit, Wolanst�ndigkeit und edlem Wesen entsteht. Das Werk, das von dem vollkommensten Geschmak bearbeitet worden, hat, wie die Sch�nheit des menschlichen K�rpers, eine sch�ne Form, der jede Art der Kraft so eingew�rkt ist, da� alles zusammen ein einziges unzertrennliches Ganzes ausmacht, das den Kenner, der es erblikt, auf einmal von allen Seiten reizt, und jedes Verm�gen, jede Triebfeder der Seele in W�rksamkeit setzet. Daher entsteht denn das innige Wolgefallen, welches empfindsame Seelen an solchen Werken haben.

Hieraus ist zu sehen, da� der Geschmak in seiner ganzen Ausd�hnung ein feines Gef�hl in allen Nerven der Seele zum Grund habe: oder ohne Metapher zu reden; da� jedes Verm�gen der Seele, es geh�re zum Verstand, zur Einbildungskraft oder zu dem Herzen, das seinige dazu beytragen m�sse. Die St�rke und gro�e W�rksamkeit aller dieser Verm�gen, macht den gro�en Geist aus; die Feinheit und Sch�rfe derselben, den Mann von Geschmak; wenn er nur im Stand ist, alle diese Verm�gen auf einmal in W�rksamkeit zu unterhalten. Denn nur die Vereinigung derselben bildet Werke von vollkommener Sch�nheit. Wie das Auge auf einen Blik die Lage, die Gestalt, die Gr��e, die Farben, das Helle und Dunkele, an einem sichtbaren Gegenstand erblikt, und sich von allen diesen Dingen zusammen ein einziges Bild macht, so empfindet der Geschmak durch die Vereinigung aller Seelenkr�fte auf einmal alles, was zur Beschaffenheit einer Sache, in so fern sie sinnlich erkennt werden kann, geh�rt. Er fa�t schnell und wie durch eine einzige W�rkung, was die genaue Untersuchung langsam entdeken w�rde. Also ist auch sein Einflu� bey Bildung der Werke der Kunst sehr viel schneller, als die Kenntnis der Regeln, und weit sicherer, weil er das Ganze auf einmal umfa�t.

Der Mann von Geschmak fa�t zusammen, was der spekulative, untersuchende Kopf aus einander legt und zergliedert. Daher diejenigen, die sich auf h�here Wissenschaften legen, wo man nothwendig alles zergliedern und einen Begriff nach dem andern betrachten mu�, selten viel Geschmak haben. Hingegen haben Menschen von feinen F�higkeiten, die ihr Leben in Gesch�ften zu bringen, wo man meistentheils viel Umst�nde auf einmal �bersehen, und mehr aus anschauenden, als v�llig entwikelten Einsichten, handeln mu�, weit mehr Anlage zum Geschmak. Einem spekulativen Kopf ist alles wichtig, was er ganz deutlich erkennt, einem praktischen aber das, dessen W�rkung sich weit erstrekt: jener f�llt in Sachen des Geschmaks leicht auf Spitzfindigkeit, dieser verachtet sie und findet das Brauchbare.

Bis dahin haben wir den Geschmak, als eine dem K�nstler nothwendige Eigenschaft betrachtet: itzt wollen wir ihn �berhaupt, als eine F�higkeit des Geistes ansehen, deren Anlage, so wie die zur Vernunft und zum sittlichen Gef�hl, sich bey allen Menschen findet.

Ob man gleich die Vernunft, das sittliche Gef�hl und den Geschmak, als drey v�llig von einander verschiedene Verm�gen des Geistes ansieht, durch deren Anwachs und Entwiklung der Mensch allm�hlig vollkommener wird, so sind sie im Grund ein und dasselbe Verm�gen auf verschiedene Gegenst�nde angewendet. Die Vernunft ist Ueberlegung und [463] Scharfsinnigkeit auf Betrachtung der Vollkommenheit, Wahrheit und Richtigkeit angewendet; eben diese Gaben des Geistes auf Betrachtung des Sch�nen und Angenehmen gerichtet, bilden den Geschmak, und auf das sittliche Gute angewendet, das sittliche Gef�hl. Dieselben Anlagen, wodurch der Mensch zur Vernunft k�mmt, bringen ihn auch zum Geschmak und zum sittlichen Gef�hl.

Die Vernunft giebt ihm die F�higkeit zur Ausrichtung seiner Gesch�fte; sie ist es, die �berall die Mittel erfindet, zum Endzwek zu gelangen; das sittliche Gef�hl macht ihn zu einem guten und liebensw�rdigen Menschen, der zum gesellschaftlichen Leben die Gesinnungen hat, wodurch die Menschen mit einander vereiniget und zu gegenseitiger H�lf und Zuneigung verbunden werden; der Geschmak streuet �ber Vernunft und Gef�hl Annehmlichkeit, giebt beyden eine einnehmende Kraft, auf die Gem�ther zu w�rken. Also kann der Mensch nur durch Vereinigung dieser drey Gaben des Himmels zur Vollkommenheit gelangen. Jederman sieht die Wichtigkeit der Cultur der Vernunft und des sittlichen Gef�hls ein, aber wenige kennen den gro�en Werth des Geschmaks. Man wird deswegen die hier�ber folgenden Anmerkungen nicht f�r �berfl��ig halten.

Es wird an einem andern Orte dieses Werks deutlich gezeiget, da� die sch�nen K�nste eines der vornehmsten Mittel sind, alle n�tzliche Kenntnis und guten Gesinnungen unter den Menschen auszubreiten, jede n�tzliche Wahrheit und jede gute Empfindung, als eine lebendige und w�rksame Kraft in seine Seele zu pflanzen.4 Ein Schriftsteller von Geschmak stellt jede gemeinn�tzige Wahrheit auf das begreiflichste und lebhafteste vor Augen, und wei� sie in der angenehmsten Form dem Geiste so einzupfropfen, da� sie darin w�chst und Fr�chte tr�gt. Die ganze Cultur der Vernunft wird durch ihn bef�rdert, weil er den n�tzlichsten Wahrheiten die wahre Fa�lichkeit und Kraft geben kann. Dem guten Geschmak philosophischer, moralischer und politischer Schriftsteller, ist es zu zuschreiben, da� ein Volk vor dem andern einen h�hern Grad der Erkenntnis und Vernunft besitzt. Eben dieses gilt auch von der sittlichen Empfindung, die vom Geschmak ihre Reize bek�mmt.

Aber alle diese Bem�hungen der K�nstler w�ren vergeblich, wenn nicht der Saamen des guten Geschmaks bey denen vorhanden w�re, f�r welche sie arbeiten. Je mehr der Geschmak unter einer Nation ausgebreitet ist, je f�higer ist sie auch unterrichtet und gebessert zu werden, weil sie das Einnehmende in dem Wahren und Guten zu empfinden vermag. Man wei� nicht, wie man einem Menschen ohne Geschmak beykommen soll, um ihm Liebe f�r das Wahre und Gute beyzubringen. Er ist allezeit in dem Fall, in welchem sich das r�mische Volk bey jener Gelegenheit befand, da der �ltere Cato sich vergeblich bem�hte, ihm heilsame Vorschl�ge zu thun, und da ihn Niemand h�ren wollte, weil, wie er sagte, der Magen in der That keine Ohren hat.

Der Geschmak ist im Grunde nichts, als das innere Gef�hl, wodurch man die Reizung des Wahren und Guten empfindet; also w�rket er nat�rlicher Weise Liebe f�r dasselbe. Zugleich erwekt er ein so richtiges Gef�hl der Ordnung, Sch�nheit und Uebereinstimmung, da� Widerwillen und Verachtung gegen das Schlechte, Unordentliche und H��liche, von welcher Art es seyn m�ge, eine nat�rliche W�rkung desselben ist. Der Mensch, in dessen Seele der gute Geschmak seine v�llige Bildung erreicht hat, ist in seiner ganzen Art zu denken und zu handeln gr�ndlicher, angenehmer und gef�lliger, als andre Menschen. Er ist einer so best�ndig anhaltenden Aufmerksamkeit auf Ordnung, Schiklichkeit, Wolanst�ndigkeit und Sch�nheit gewohnt, da� er alles, was diesem entgegen ist, verachtet. Ihm ekelt vor allem Spitzf�ndigen, Sophistischen, Gezwungenen und Unnat�rlichen, in Gedanken und Handlungen.

Diese sch�tzbare W�rkung aber thut freylich der gute Geschmak nur, wenn er in seinem ganzen Umfange gebildet ist, dem man deswegen auch den Namen des gro�en Geschmaks beylegt. Menschen, denen gar nichts wichtig ist, als was die Phantasie reizt, die keine Sch�nheit kennen, als die sich in niedlichen Formen und anmuthigen Farben zeiget, die nur an dem Kleinen, Subtilen und Rafinirten einen Wolgefallen haben, genie�en von ihrem kleinen Geschmak jene wichtigere Fr�chte nicht. Sie werden vielmehr, wie die Schw�lger, die immer auf h�here Reizungen der Speisen raffiniren, verw�hnt, und verlieren den Geschmak an den einfachen Sch�nheiten der Natur. Der Geschmak kann eben so gut, als der Verstand, in Sophisterey fallen. Man wei�, auf was f�r nichtsw�rdige Kleinigkeiten die gr��ten Genie unter den Scholastikern ihren [464] sonst scharfen Verstand angewendet haben. Auch die K�nste haben ihre Scholastiker, deren Genie und Geschmak nur auf geschraubten Witz, auf subtile Phantasien und geistreiche T�ndeleyen geht, die den Lekerbissen gleichen, die zwar die Zunge reizen, aber dem K�rper keine Nahrung geben.

So f�rtreffliche W�rkungen der gro�e Geschmak hat, so sch�dlich ist dieser kleine und blos subtile Geschmak. Das Volk, bey dem er �berhand genommen hat, ist verlohren; denn es ist blos an artige Kleinigkeiten gew�hnt, legt den unn�tzesten Dingen, wenn sie nur die Phantasie reizen, einen hohen Werth bey; der schlechteste Mensch, wenn er nur witzig und in Kleinigkeiten sinnreich ist, wird f�r einen gro�en Mann gehalten; selbst das Laster wird r�hmlich, wenn es nur in einer geistreichen Gestalt erscheinet. Wie die Spartaner ihre jungen Le�te wegen begangener Diebst�hle lobten, wenn sie nur sie mit solcher Geschiklichkeit ver�bten, da� man sie nicht dabey betroffen hatte; so ist bey den raffinirten Woll�stlingen des Geschmaks alles Lobenswerth, was witzig und fein ist. Dadurch verliert das Gem�th alle St�rke, und wird von dem Gro�en und Erhabenen, das die spitzf�ndige Phantasie weniger r�hrt, abgezogen. Ein witziges und schalkhaftes Lied, wird der wichtigsten Rede vorgezogen; ein Mensch, der wie Sokrates denkt und redet, macht gegen einen Petronius schlechte Figur, und Anakreon ist eine wichtigere Person, als Xenophon.

Man siehet hieraus hinl�nglich, da� die Bildung des Geschmaks eine gro�e Nationalangelegenheit sey. Vernunft und Sittlichkeit sind zwar die ersten Bed�rfnisse des Menschen, der sich aus dem Staub empor heben und seine Natur erh�hen will; aber diese Erhebung vollendet der Geschmak, der beydes Vernunft und Sittlichkeit vervollkomnet, der Anmuth und Gef�lligkeit �ber die Handlungen und �ber das ganze Leben verbreitet, und �berhaupt das Gem�th f�r das Gute und B�se empfindsamer macht. Man hat ihm mehr, als den h�hern Wissenschaften zu danken. Diese haben unmittelbar einen geringen Einflu� auf die Milderung des Charakters und der Sitten; von dem Geschmak aber kann man mit v�lliger Wahrheit sagen, er lasse dem Menschen nichts von seiner nat�rlichen Rohigkeit, und mache ihn f�r alles Gute empfindsam. So wie es ein Vergn�gen ist in F�hrung solcher Gesch�fte, wozu Verstand und genaue Beurtheilung der Dinge vorz�glich n�thig sind, mit verst�ndigen Menschen zu thun zu haben, die gleich alles fassen; so ist es in Dingen, wo es mehr auf ein feines Gef�hl ank�mmt, angenehm, Menschen von Geschmak vor sich zu haben, weil sie leicht jedes Gute und jedes Wolanst�ndige empfinden; da der Mangel des Geschmaks jeden Eingang, wodurch man sonst in die Herzen der Menschen dringt, verschlie�t. Fast noch schlimmer ist ein falscher oder kleiner Geschmak; denn wo dieser einmal sich der Gem�ther bem�chtiget hat, da richtet man weder mit Beredsamkeit, noch mit Poesie, noch mit Musik, oder irgend einer andern der sch�nen K�nste, etwas aus. Man hat mit Sophisten zu thun, die sich durch keine Gr�nde fassen lassen, sondern immer eine Spitzfindigkeit in Bereitschaft haben, die ihnen heraus hilft. Eben so �ble Folgen hat ein willk�hrlicher Modegeschmak, der nichts sch�n findet, als was nach den blos willk�hrlichen Regeln einer eingebildeten Sch�nheit geformt ist. Da urtheilet man nicht mehr weder aus Einsicht, noch aus nat�rlichem Gef�hl, sondern vergleicht alles, wie den Schnitt der Kleider, mit der Form, an die man sich gew�hnt hat, und verwirft das F�rtreflichste, blos, weil es nicht nach der Mode gemacht ist.

1S. Sch�n.
2S. Sch�n.
3S. Sch�n.
4S. Art. K�nste.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Sch�nen K�nste, Band 1. Leipzig 1771, S. 461-465.
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