Relation (1)

[248] Relation (relatio): Beziehung, Verh�ltnis. Die Beziehung ist eine Setzung des beziehenden, d.h. Teilinhalte des Erkennens als Zugeh�rige zu andern anerkennenden Denkens. Das beziehende Denken stellt die Zusammengeh�rigkeit von Erkenntnisinhalten in verschiedenen Grundformen, Grundrelationen fest (s. Kategorien). besonders wichtig sind die raum-zeitlichen, causalen und teleologischen (s. d.) Relationen. Begriffe, welche Relationen selbst zum Inhalte haben, sind Relations– oder Beziehungs-Begriffe (s. d.). Der Zusammenhang des Denkens fordert, da� alles Endliche in Beziehungen zueinander (wirklich oder potentiell) gesetzt werde, was die Relativit�t (s. d.) jedes endlichen Seins bedingt (s. relativ). Die Beziehung als solche ist ein »subjectiver«, ein (Apperceptions- und) Denkact, aber sie hat, wenn berechtigt, ein »Fundament« (s. d.) in den Objecten (»fundamentum relationis«), so da� nach der Setzung der Relation die »Dinge« selbst (nicht blo� Vorstellungen oder Begriffe als solche) in Relationen zueinander stehen. nat�rlich k�nnen auch Begriffe, Bewu�tseinsacte als solche zueinander in Relation gesetzt werden.

Die Relationen gelten bald als objectiv, bald als rein subjectiv, sie werden bald empiristisch, bald rationalistisch oder kriticistisch (s. d.) abgeleitet.

Nach ARISTOTELES hei�t etwas bezogen (pros ti), wenn es als das, was es ist, als an einem andern seiend ausgesagt wird (Cat. 7). Die Beziehung ist eine der logisch-ontologischen Kategorien (s. d.), so auch nach den Stoikern. Nach PLOTIN sind die Relationen erst durch unser Urteil, wir erzeugen z.B. das Fr�her und Sp�ter im Urteil (Enn. VI, 1, 6). BO�THIUS betont: »Relatio nihil addit ad esse relativi.«

Die Subjectivit�t der Relation lehren die Motakallim�n (vgl. St�ckl II, 146. E. V. Hartmann, Gesch. d. Met. I, 213). Nach AVICENNA sind die Relationen Producte des Denkens, die aber teilweise in den Objecten begr�ndet sind (Met. II, 3. III, 10). Nach THOMAS ist die Relation »respectus unius ad alterum, secundum quem aliquid alteri opponitur relative« (Sum. th. I, 28, 3c), »ordo unius creaturae ad alium« (Pot. 7, 9 ad 7). Die Relation hat ein Fundament in den Objecten, »relatio fundatur in aliquo sicut in causa« (4 sent. 27, 1, 1, 1 ad 3). »fundamentum relationis« (2 sent. 1, 1, 5 ad 8). HEINRICH VON GOETHALS unterscheidet »relationes reales« und »relationes secundum dici« (»relationes rationis«). So auch FRANCISCUS MAYRONIS (In lib. sent. 1, d. 29, qu. 1). Nach SUAREZ hat die Relation eine Wirklichkeit in den Dingen (Met. Disp. 47, sct. 1 squ.). Es gibt »relationes reales« (»secundum esse«) und »rationis« (»secundum dici«) (l. c. 47, sct. 3, 6). Die »pr�dicamentalen« sind eins mit den realen, die »transcendentalen« eins mit den rationalen Relationen, die durch alle Pr�dicamente (R. d.) hindurchgehen (l. c. 10). – MICRAELIUS bemerkt: »Relatio est vel substantialis et subsistens..., vel transcendentalis, qualis est inter ens et eius affectiones seu modos et inter ipsos modos secum collatos, qualis est inter causam et causatum, totum et partes, vel praedicamentalis« (Lex. philos. p. 962). »Relationes non incurrunt in sensus« (l. c. p. 963).

Nach GASSENDI ist die Relation »opus mentis sive opinionis unum referentis comparantisque ad aliud« (Philos. Epic. synt. II, sct. I, 15). Nach LEIBNIZ sind die Relationen durch den g�ttlichen Geist gesetzt und insofern vom menschlichen Denken unabh�ngig. »Les relations ont une r�alit� d�pendante de[248] l'esprit,... mais non pas de l'esprit de l'homme puisqu'il y a une supr�me intelligence, qui les d�termine toutes en tout temps« (Nouv. Ess. II, ch. 30, � 4). LOCKE rechnet die Relationen zu den »mixed modi« (s. Modus). Sie bestehen in der vergleichenden Betrachtung einer Vorstellung mit einer andern (Ess. II, ch. 12, � 7). Sie m�nden alle in einfache Vorstellungen (l. c. ch. 28, � 18). Die Relationen als solche sind nur im Bewu�tsein, aber es gibt eine »foundation of relation« (l. c. ch. 30, � 4). HUME erkl�rt: »Das Wort Relation pflegt in zwei Bedeutungen gebraucht zu werden, die sich wesentlich voneinander unterscheiden. einmal als Name f�r den Factor, verm�ge dessen Vorstellungen in der Einbildungskraft miteinander verkn�pft erscheinen, so da�... die eine die andere ohne weiteres mit sich zieht. oder aber zur Bezeichnung des Momentes, hinsichtlich dessen wir, auch bei willk�rlicher Vereinigung zweier Vorstellungen in der Einbildungskraft, sie zuf�llig miteinander vergleichen. In der gew�hnlichen Sprache brauchen wir das Wort immer in ersterem Sinne, und nur im philosophischen Sprachgebrauch dient es zugleich zur Bezeichnung des Ergebnisses irgend eines Vergleichs ohne R�cksicht auf das Dasein eines verkn�pfenden Princips« (Treat. 1, sct. o, S. 24 f.). Die Quellen der Relationen sind: �hnlichkeit (s. d.), Identit�t, Raum, Zeit, Qualit�t oder Zahl, Qualit�tsgrade, Widerstreit (contrariety), Ursache und Wirkung (l. c. S. 25 ff.). Diese Relationen zerfallen in zwei Klassen, »in solche, welche durchaus durch die Natur der Vorstellungen bedingt sind, die wir miteinander vergleichen (compare), und solche, welche sich ver�ndern k�nnen, ohne irgend welche gleichzeitige Ver�nderung in den betreffenden Vorstellungen« (l. c. III, sct. 1, S. 93). Der ersten Klasse geh�ren nur an: �hnlichkeit, Widerstreit, Quantit�tsgrade, Quantit�t und Zahl. sie haben unbedingte Gewi�heit (certainty) (l. c. S. 94). – Nach CHR. WOLF beziehen wir Dinge aufeinander, »wenn in zweien Dingen etwas anzutreffen, davon eines den Grund in dem andern hat« (Vern. Ged. I, � 188). »Quod rei absolute non convenit, sed tum demum intelligitur, quando ad alterum refertur, id dicitur relatio« (Ontolog. � 856). »Relatio nullam enti realitatem superaddit« (l. c. 857). Nach CRUSIUS ist die Relation »eine solche Art zu existieren, zwischen zweien oder mehreren Dingen, wodurch es m�glich wird, da� man von ihnen zugleich etwas abstrahieren kann, was sich von einem alleine nicht h�tte abstrahieren lassen« (Vernunftwahrh. � 28).

Nach KANT ist Relation eine Klasse von Kategorien (s. d.). In diesen setzt das erkennende Bewu�tsein objectiv-allgemeing�ltige Beziehungen (s. A priori), die aber nicht f�r Dinge an sich (s. d.) gelten, nur ph�nomenalen, empirischen Wert haben. J. G. FICHTE leitet die Relation aus der T�tigkeit des Ich ab (Gr. d. g. Wissensch. S. 57). Nach SCHELLING ist die Relation die einzige prim�re Kategorienklasse (Syst. d. tr. Ideal. S. 252). Nach ESCHENMAYER geh�rt die Kategorie der Relation zur logischen Urteilskraft. Substrat, Ursache, Kraft sind innere Beziehungen des Selbstbewu�tseins und geben, in das Denken �bertragen, die unver�nderlichen Urteilsformen, welche die Kategorien der Relation in sich fa�t (Psychol. S. 304 f.). – Nach DESTUTT DE TRACY ist die Beziehung (rapport) »cette vue de notre esprit, cet acte de notre facult� de penser par lequel nous rapprochons une id�e d'une autre, par lequel nous les lions, les comparons ensemble d'une mani�re quelconque« (El�m. d'id�ol. I, 4, p. 61). Nach GALUPPI sind die Relationen durch die Denkt�tigkeit gegebene Grundideen.

Nach LOTZE sind die Relationen schon in der Wahrnehmung. das Bewu�tsein[249] nimmt nur Kenntnis von Beziehungen, die ihm der unbewu�te Mechanismus der psychischen Zust�nde vorgearbeitet hat (Mikrokosm. II2, 279). Es gibt Vergleichungs- und reale Beziehungen (Gr. d. Met. S. 22). Ideale und reale Beziehungen unterscheidet B. ERDMANN, nach welchem die Beziehung eine »Art des bewu�ten Beisammen von Vorgestelltem« ist (Log. I, D7, 59). RENOUVIER betrachtet die Relation als Kategorienklasse (Ess. de crit. I). »Tout jugement, toute th�se qui formule une connaissance, vraie ou suppos�e, est l'�nonc� d'une relation. Aucun objet de pens�e ne peut �tre d�termin� que par rapport a d'autres objets de pens�e« (Nouv. Monadol. p. 31). Nach SCHUBERT-SOLDERN haben Beziehungen keine eigene Existenz (Gr. ein. Erk. S. 227 f.). Als bewu�tes psychisches Ph�nomen bestimmt die Relation E. SCHRADER (Die bewu�t. Bezieh. zw. Vorstell. 1893, S. 41 ff.). E. V. HARTMANN leitet die Relation als solche aus unbewu�ter Intellectualfunction ab. Die Relationen haben eine objective und metaphysische Grundlage. »Das Denken verh�lt sich bei der Feststellung einer bestimmten Beziehung zwischen zwei bestimmten Objecten keineswegs sch�pferisch, sondern lediglich wahrnehmend, constatierend, registrierend« (Kategorienlehre, S. 181). Die »die Beziehung determinierende Beschaffenheit des Gegebenen« ist die »Grundlage der Beziehung« (l. c. S. 182). Die unbewu�t in die Bewu�tseinsinhalte hineingelegten Beziehungen werden durch das discursive Nachdenken analytisch expliziert (l. c. S. 183). Es mu� eine allumfassende Idee sein, in welcher alle expliziten und impliciten Beziehungen logisch ideell gesetzt sind (l. G. S. 188). Die Relation ist die »Urkategorie«, deren Besonderungen die anderen Kategorien sind (l. c. S. 191). Alle Beziehungen entspringen stufenweise der ersten (metaphysischen) Beziehung der beiden Attribute des Absoluten aufeinander durch fortschreitende logische Determination (l. c. S. 334). HAGEMANN erkl�rt: »Zu jeder Relation wird erfordert ein Seiendes, welches auf ein anderes bezogen wird (subiectum relationis), ein Seiendes, worauf jenes bezogen wird (terminus relationis), und ein Beziehungsgrund (fundamentum relationis). Je nachdem. der Beziehungsgrund ein blo� im Denken gesetzter, oder in den bezogenen Dingen wirklich vorhandener ist, unterscheidet man eine blo� gedachte (relatio rationis) und eine wirkliche (rel. realis). Die letztere ist eine gegenseitige oder eine einseitige, je nachdem sie in beiden bezogenen Dingen oder nur in einem derselben ihren Grund hat« (Met.2, S. 37 f.). Nach A. MEINONG sind die verglichenen Vorstellungsinhalte selbst das fundamentum relationis. Es gibt keine Relationen ohne zwei Fundamente (Hume-Stud. II, 44 f.). Es gibt Vergleichungs- und Vertr�glichkeitsrelationen (l. c. II, 157. vgl. Zeitschr. f. Psychol. 2. Bd. 1891, S. 24D ff.. 6. Bd., 1894, S. 340 ff., 417 ff.). Nach H�FLER geh�ren zu den Vergleichungsrelationen: Gleichheit, Ungleichheit (�hnlichkeit, Un�hnlichkeit), zu den Vertr�glichkeitsrelationen: Notwendigkeit, M�glichkeit, Unm�glichkeit (Log.2, S. 34, 37). E. CORNELIUS erkl�rt (im Sinne auch der Immanenzphilosophie, s. d.), alle Beziehungen der Teilinhalte unseres Bewu�tseins »bestehen nur so weit, als die betreffenden Inhalte einem Bewu�tsein angeh�ren, und k�nnen nur verm�ge eben dieses urspr�nglich gegebenen Zusammenhanges zustande kommen. Wie sie aber ihrerseits diesem Zusammenhange ihren Ursprung verdanken, so l��t sich anderseits ohne jene Beziehungen kein Zusammenhang und somit keine Einheit unserer Erfahrung denken: unsere Erlebnisse w�rden weder als Teile einer zeitlichen Succession erscheinen, noch sonst irgend eine Ordnung und Verkn�pfung f�r unser Bewu�tsein besitzen, wenn sie als eine beziehungslose[250] Summe isolierter Einheiten gegeben w�ren« (Einl. in d. Philos. S. 209). – »Jedem Inhalte haften je nach seiner Stellung zu anderen Inhalten die bestimmten Beziehungen zu den letzteren an, und die Gestaltqualit�t (s. d.) des Complexes, dem der betrachtete Inhalt angeh�rt, bleibt als besondere F�rbung (Relationsf�rbung, relation-fringes nach James) dieses Inhalts auch da bestehen, wo wir die �brigen Teile des Complexes nicht beachten« (l. c. S. 242). L. DILLES betont: »Die Beziehung ist als blo�es Schema, ja als blo�e Abstraction (von Schemen und Realit�ten) wirklich, aber nicht als eine Realit�t, d. i. ein Substrathaftes« (Weg zur Met. S. 93, 227).

Nach H. SPENCER ist die Beziehung ein Gef�hl, welches den �bergang von einem wichtigeren zu dem n�chst wichtigeren Gef�hl (feeling) begleitet (Psychol � 65). LIPPS erkl�rt: »Unter Beziehungen verstehen wir... zun�chst die Arten der Vorstellungen, bei ihrem zusammentreffen in der Seele sich zueinander zu verhalten. Wir verstehen dann darunter die von jenen Arten des gegenseitigen Verhaltens nachbleibenden dauernden Vorstellungszusammenh�nge, die beim Neuentstehen der Vorstellungen sich wirksam erweisen« (Gr. d. Seelenleb. S. 362). Nach WUNDT ist die Beziehung eine einfache Function der Apperception (s. d.). »Die elementarste aller Functionen der Apperception ist die Beziehung zweier psychischer Inhalte aufeinander. Die Grundlagen solcher Beziehung sind �berall in den einzelnen psychischen Gebilden und ihren Associationen gegeben. aber die Ausf�hrung der Beziehung besteht in einer besondern Apperceptionst�tigkeit, durch die erst die Beziehung selbst zu einen neben den aufeinander bezogenen Inhalten vorhandenen, wenn auch freilich fest mit ihnen verbundenen besonderen Bewu�tseinsinhalt wird« (Gr. d. Psychol.5, S. 303 f.). – Vgl. BRANISS, Syst. d. Met. 270 ff.. SIGWART, Log. 19, 30, 36 ff. u. a. Vgl. Beziehungsbegriffe, Relativit�t.

Quelle:
Eisler, Rudolf: W�rterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 248-251.
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