Christine Ebner
Christine Ebner (auch Christina Ebner; * 26. März 1277 in Nürnberg; † 27. Dezember 1356 in Engelthal) war eine deutsche Dominikanerin und Frauenmystikerin, die der Nürnberger Patrizierfamilie der Ebner (der späteren Freiherren Ebner von Eschenbach) entstammte.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Christine trat bereits 1289, als Zwölfjährige, in das Dominikanerinnenkloster Engelthal bei Nürnberg ein; von Anfang an strebte sie nach einer strengen klösterlichen Lebensführung. Ein Jahr nach ihrem Noviziat wurde sie erstmals von einer rätselhaften Krankheit befallen, die für längere Zeit jährlich wiederkehrte. Von 1291 an hatte sie 47 Visionen, in denen ihr verschiedene Engel und Heilige, die Jungfrau Maria und Jesus Christus[1] erschienen sein sollen, und außerordentliche Gnadenerlebnisse, die sie seit 1317 auf Anregung ihres Beichtvaters Konrad von Füssen niederschrieb; diese Niederschriften, entstanden in mehreren Versionen, sind unter dem Titel Leben und Offenbarungen bekannt. In ihrem Alter war sie eine Person von öffentlichem Rang: Sie erhielt Besuche von Kaiser Karl IV., der ihren Segen erbat, und dem Mystiker Heinrich von Nördlingen, der sie mit der Mystik Mechthilds von Magdeburg, Heinrich Seuses und Johannes Taulers bekannt machte. Auch mit der Mödinger Mystikerin Margareta Ebner (die mit ihr nicht verwandt war) hatte sie Kontakt. In ihren Aufzeichnungen nahm sie Anteil an dem Konflikt Ludwigs des Bayern mit dem Heiligen Stuhl und den Wirrungen der Flagellantenprozessionen von 1349 ebenso wie an einem Erdbeben und dem Wüten des Schwarzen Todes in Nürnberg. In den Jahren 1338–1340 war Christine möglicherweise Priorin des Klosters.[2]
Werk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Aufzeichnungen Leben und Offenbarungen sind in drei inhaltlich und formal sowie hinsichtlich der Abfassungszeit unterschiedlichen Schriften überliefert Gnadenvita (1317–1324), Offenbarungen (1344–1352) und Vita (fragmentarisch; vermutlich nach 1356).[3] Christines Werk, insbesondere ihre Gnadenvita, zeigt ein leidenschaftliches Bemühen um eine persönliche Gottesbeziehung und neue Formen der Religiosität, wie sie heute gemeinhin als „mystisch“ bezeichnet werden. Dabei setzt sich Christine intensiv mit den zu ihrer Zeit aktuellen Problemstellungen auseinander, z. B. im Blick auf Askeseformen und theologische Fragen, wobei sie, gerade auch als Frau, hohe Autorität beansprucht. Sie entfernt sich von den Formen blutiger Askese und entwickelt das Bild eines liebenden, den Menschen nahen Gottes. Leben und Offenbarungen liegen bislang nicht in gedruckter Form vor.
Das Engelthaler Schwesternbuch (Von der Gnaden Überlast) enthält 47 Berichte über Klosterangehörige und ihre Gnadenerfahrungen. Es ist vermutlich zwischen 1340 und 1346 entstanden. 1871 besorgte Karl Schröder eine Textausgabe, die der Handschrift N folgt. Überliefert ist der Text in drei Handschriften N, W und Wo sowie einigen Fragmenten (vgl. den Abschnitt Datierung und Überlieferung im Artikel zum Schwesternbuch). Eine Angabe zur Autorin findet sich nur in der Inzigkofener Handschrift W vom Jahr 1451 (f.118r: „ich cristin ebnerin“), während die übrigen Handschriften ohne Autornennung auskommen. Wenngleich eine reine Autorzuschreibung an eine prominente Autorin des Klosters denkbar ist, hat Siegfried Ringler nachdrücklich für Christine Ebner auch als Autorin des Schwesternbuchs plädiert. In der altgermanistischen Forschung hat insbesondere Susanne Bürkle gegen eine Autoridentifikation argumentiert und die Zuschreibung als sekundär im Rahmen der Rezeption und nicht im Rahmen der Produktion verortet.[4] Für Janina Sollbach gilt die Frage der Autorzuschreibung als noch „nicht abschließend“ geklärt.[5]
Grablege und Verehrung als Heilige
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Christine Ebner wurde in der Klosterkirche begraben, allerdings gilt ihr Grab heute als verschollen.[6] Ihr Gedenktag in der katholischen Kirche ist der 27. Dezember, sie wird lokal als Heilige verehrt.[7]
Ausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter Lechner: Das mystische Leben der hl. Margareth von Cortona. Mit einem Anhange: Bericht aus dem mystischen Leben der gottseligen Ordensjungfrauen Christina und Margareth Ebner aus Nürnberg. Manz, Regensburg 1862.
- Der Nonne von Engelthal Büchlein von der genaden uberlast. Hrsg. von Karl Schröder (= Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart. 108). Laupp, Tübingen 1871 (archive.org), (Digitalisat)
- Christine Ebner: Das Büchlein von der Gnaden Überlast. Übertragen und eingeleitet von Wilhelm Oehl (= Dokumente der Religion. 11). Schöningh, Paderborn 1924.
- Der Nonne von Engelthal Büchlein von der genaden uberlast, um 1340/46 (E-Text).
Eine kritische Edition des Christine-Ebner-Corpus wird derzeit von Susanne Bürkle vorbereitet.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich Wilhelm Bautz: Ebner, Christina. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 1446–1447 .
- Matthias Binder u. a.: Christina Ebner 1277–1356. Beiträge zum 650. Todesjahr der Engelthaler Dominikanerin und Mystikerin. Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft, Sonderheft Nr. 51. Hersbruck 2007.
- Erika Bosl: Ebner (von Eschenbach), Christina. In: Karl Bosl (Hrsg.): Bosls bayerische Biographie. Pustet, Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0792-2, S. 161 (Digitalisat).
- Susanne Bürkle: Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts. Franke, Tübingen / Basel 1999 (Bibliotheca Germanica 38), ISBN 3-7720-2029-1.
- Susanne Bürkle: Die „Gnadenvita“ Christine Ebners. Episodenstruktur – Text-Ich und Autorschaft. In: Walter Haug (Hrsg.): Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998. Niemeyer, Tübingen 2000, S. 438–514.
- Susanne Bürkle: Ebner, Christine. In: Walther Killy: Literaturlexikon. 2. vollst. überarb. Aufl., Bd. 3. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2008, S. 163b–165b.
- Marie-Luise Ehrenschwendtner: Die Bildung der Dominikanerinnen in Süddeutschland vom 13. bis 15. Jahrhundert. Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-07838-X. (online in der Google-Buchsuche).
- Paul-Gundolf Gieraths OP: Ebner, Christina. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 263 (Digitalisat).
- Leonard Patrick Hindsley: The Mystics of Engelthal: Writings from a Medieval Monastery. Palgrave MacMillan, New York 1998, ISBN 0-312-16251-0.
- Ursula Peters: Das „Leben“ der Christine Ebner. Textanalyse und kulturhistorischer Kommentar. In: Kurt Ruh (Hrsg.): Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg 1984. Stuttgart 1986.
- Ursula Peters: Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum. Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts. Niemeyer, Tübingen 1988 (Hermaea NF 56), bes. S. 155–176, ISBN 3-484-15056-4.
- Siegfried Ringler: Ebner, Christine. In: VL², Bd. 2 (1980), Sp. 297–302.
- Siegfried Ringler: Viten- und Offenbarungsliteratur in Frauenklöstern des Mittelalters. Quellen und Studien. Artemis, München 1980 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 72), S. 88–91 u. ö. (s. Register: Ebner, Christine).
- Siegfried Ringler: Die Rezeption mittelalterlicher Frauenmystik als wissenschaftliches Problem, dargestellt am Werk der Christine Ebner. In: Peter Dinzelbacher, Dieter R. Bauer (Hrsg.): Frauenmystik im Mittelalter. Schwabenverlag, Ostfildern 1985, S. 178–200.
- Siegfried Ringler: Christine Ebner. In: Johannes Thiele (Hrsg.): Mein Herz schmilzt wie Eis am Feuer. Die religiöse Frauenbewegung des Mittelalters in Porträts. Wege der Mystik. Kreuz, Stuttgart 1988, S. 146–159.
- Claudia Spanily: Autorschaft und Geschlechterrolle. Möglichkeiten weiblichen Literatentums im Mittelalter. Tradition – Reform – Innovation 5. Lang, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-631-39951-0.
- Johanna Thali: Beten – Schreiben – Lesen. Literarisches Leben und Marienspiritualität im Kloster Engelthal. Francke, Tübingen/Basel 2003 (Bibliotheca Germanica 42).
- Janina Sollbach: „Mein minnecliche zarte rede hon ich mit dir geteilt“ – Studien zu den „Offenbarungen“ Christine Ebners, Dissertation, Eberhard Karls Universität Tübingen, 2014 doi:10.15496/publikation-13338
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Nonne von Engelthal Büchlein von der genaden uberlast
- Literatur von und über Christine Ebner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Information in der Bibliotheca Augustana
- Bernd Schmidt: Kunst in St. Sebald: Die mittelalterliche Frauenmystik. Christine Ebner (auch als PDF-Version; 461 kB)
- Thomas Schwertner: Christina Ebner. In: Catholic Encyclopedia, Band 5, Robert Appleton Company, New York 1909.
- Kurzbiographie mit weiterführenden Links ( vom 4. April 2012 im Internet Archive)
- Übersetzungen von Matthias Binder bzw. Internet Archive
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Martin Droschke: Frankens Ortsnamen – was soll denn das? Engelthal. In: Franken 2024. Franken-Wissen für das ganze Jahr. Emons Verlag, Köln 2023, ISBN 978-3-7408-1797-8, Blatt 16. Dezember.
- ↑ Vgl. Gustav Voit: Engelthal. Geschichte eines Dominikanerinnenklosters im Nürnberger Raum. 2 Bde. Korn & Berg, Nürnberg 1977/78 (Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft XXVI), S. 224.
- ↑ Vgl. Ringler, VL², Sp. 298–301, und Bürkle 2008, S. 163–165 (s. bei Literatur).
- ↑ Vgl. Susanne Bürkle: Literatur im Kloster. Historische Funktion und rhetorische Legitimation frauenmystischer Texte des 14. Jahrhunderts. Tübingen, Basel: Francke Verlag 1999, S. 258.
- ↑ Vgl. Janina Sollbach: „Mein minnecliche zarte rede hon ich mit dir geteilt“ - Studien zu den „Offenbarungen“ Christine Ebners. Tübingen 2016, S. 17.
- ↑ Christine Ebner. In: Joachim Schäfer: Ökumenisches Heiligenlexikon
- ↑ Christine Ebner. In: Joachim Schäfer: Ökumenisches Heiligenlexikon
Personendaten | |
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NAME | Ebner, Christine |
ALTERNATIVNAMEN | Ebner, Christina |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Dominikanerin und Mystikerin |
GEBURTSDATUM | 26. März 1277 |
GEBURTSORT | Nürnberg |
STERBEDATUM | 27. Dezember 1356 |
STERBEORT | Engelthal |