Wetter [1]

[570] Wetter (Witterung; hierzu Tafel »Wetterkarten« mit Text und Textbeilage »Wettervorhersage«), der an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit durch das Zusammenwirken der verschiedenen meteorologischen Elemente, als Luftdruck, Temperatur, atmosph�rische Feuchtigkeit, Niederschl�ge, Bew�lkung und Wind, hervorgebrachte Zustand der Atmosph�re. Die Erkenntnis der Gesetze des Weners ergibt sich aus den gegenseitigen Beziehungen dieser meteorologischen Elemente zueinander und aus den Einwirkungen auseinander. Der Haupteinflu� auf die Beschaffenheit des Wetters erfolgt durch den Wind; er �bertr�gt teilweise die Einwirkung der �brigen meteorologischen Elemente, wie der Temperatur und der Feuchtigkeit, von einem Orte zum andern und veranla�t dadurch den jeweilig an einem Orte stattfindenden Charakter des Wetters (Witterungscharakter). Weil dieser wesentlich durch die Windrichtung bestimmt ist und sie wieder eine Folge des verschiedenen Luftdrucks ist, so mu� man zuerst den letztern in bezug auf seine Verteilung und seine Ver�nderung kennen lernen. Hierzu dienen die Isobaren (s. d.), f�r deren Gestalt man sieben Grundformen annimmt. Wenn ein Ort mit niedrigem Luftdruck von einem System in sich geschlossener Isobaren mit h�herm Luftdruck umgeben ist, entsteht im Innern ein barometrisches Minimum, bei dem der Druck von allen Seiten nach innen zu abnimmt. Eine derartige Lagerung der Isobaren hei�t eine barometrische Depression oder Zyklone; in der Regel werden die Ausdr�cke Minimum, Zyklone und Depression als ganz gleichbedeutend gebraucht. Wenn hierbei eine der �u�ern Isobaren eine bogenf�rmige Ausbuchtung erh�lt, die ein Gebiet von etwas niedrigerm Luftdruck umschlie�t, so nennt man es eine sekund�re Zyklone oder sekund�re Depression, auch Teildepression oder Teilminimum, weil sie auf sekund�re Weise als Begleitung der eigentlichen Hauptzyklone auftritt. Entwickelt sich diese sekund�re Depression weiter und erh�lt die Form eines V, das zwischen zwei Gebieten mit h�herm Druck liegt und in dem wieder niedrigerer Druck herrscht, so wird sie als eine V-Depression bezeichnet. Nimmt aber die Isobare die Gestalt eines umgekehrten V an, das zwischen zwei Zyklonen liegt, so umschlie�t diese Form ein Gebiet h�hern Luftdrucks und hei�t ein Keil. Den Gegensatz zur Zyklone bildet die Antizyklone, bei der sich im Innern ein barometrisches Maximum meist von gr��erer Ausdehnung befindet, das in ziemlich weiten Abst�nden von Isobaren mit niedrigerm Druck eingeschlossen ist. Zwischen zwei benachbarten Antizyklonen liegt ein Gebiet niedrigern Luftdrucks, das, analog einem Gebirgspa� zwischen zwei Berggipfeln, mit dem Namen Sattel oder Furche bezeichnet wird. Bisweilen verlaufen die Isobaren geradlinig, so da� sie kein bestimmtes Gebiet umgrenzen, sondern nur ein barometrisches Gefalle, �hnlich dem Abhang eines H�henzuges, darstellen.

Legt man durch das Zentrum einer in unsern Gegenden meist in �stlicher Richtung fortschreitenden Depression eine Linie, die auf der Bewegungsrichtung senkrecht steht, so wird die Zyklone in zwei H�lften geteilt, von denen die nach Osten liegende die Vorderseite und die nach Westen liegende die R�ckseite der Zyklone bildet. Die Verbindungslinie aller derjenigen Orte, in denen beim Fortschreiten der ganzen Zyklone als solche das Barometer seinen niedrigsten Stand erreicht hat und eben ins Steigen �bergeht,[570] nennt man Rinne. Im allgemeinen umkreist der Wind das Zentrum einer Zyklone spiralf�rmig in einer Richtung, die der Bewegung des Uhrzeigers entgegengesetzt ist, weht also an der Front der Vorderseite aus SO., auf der R�ckseite aus NNW. (s. Wind und Sturm). Die Windst�rke ist abh�ngig von der Entfernung der Isobaren und desto kr�ftiger, je n�her die Isobaren aneinander liegen oder je gr��er ihr Gradient (s. d.) ist. Zieht eine Depression �ber einen Ort hinweg, so erscheinen (s. Textfigur) zuerst Cirruswolken, die sich allm�hlich zu einem d�nnen Schleier verfilzen und gelegentlich Sonnenringe zeigen. Dann werden die Wolken dichter, der bisherige S�dostwind dreht nach S. und SW., und bald beginnt Regen. Einige Zeit, nachdem das Barometer zu steigen angefangen hatte, l��t der Regen nach; es setzen B�en ein, die Regenschauer bringen und zeitweise mit Sonnenblicken abwechseln (R�ckseitenwetter), bis bei n�rdlichen Winden wieder sch�nes W. eintritt. Der Mittelpunkt des Regengebietes f�llt selten mit dem Zentrum der Isobaren zusammen, dehnt sich meist weiter nach der Vorderseite als nach der R�ckseite aus und mehr gegen S. als gegen N.

Begleiterscheinungen einer Depression.
Begleiterscheinungen einer Depression.

Dieses Regengebiet wird dadurch hervorgerufen, da� sich in jeder Zyklone ein aufsteigender Luftstrom bildet, der mehr auf der Vorderseite als auf der R�ckseite liegt. Das Fortschreiten der Zyklone ist keine wirkliche Ortsver�nderung, sondern kann mit der Bewegung einer Wasserwelle verglichen werden, indem sich die Depression an aufeinander folgenden Stellen der Atmosph�re immer wieder neu bildet.

Die Antizyklonen mit hohem Luftdruck im Innern erstrecken sich meist �ber weitere Gebiete als die Zyklonen und sind viel station�rer als diese. Im zentralen Teil hat die Luft eine absteigende Bewegung, ist aber sonst ruhig und zeigt an den �u�ern Grenzen eine von innen nach au�en gehende spiralf�rmige Bewegung in der Richtung des Uhrzeigers, d. h. im Zentrum herrscht Windstille, an der Ostseite weht der Wind aus NW., auf der S�dseite aus NO., auf der Westseite aus SO. und auf der Nordseite aus SW. Die allgemeinen Witterungsverh�ltnisse bilden in den Antizyklonen einen Gegensatz zu denen in den Zyklonen; der Himmel ist blau, die Luft trocken, die Sonne kann ungehindert scheinen, und der Horizont ist bei schwachen Winden meist dunstig. Im allgemeinen ist das W. in den Antizyklonen wegen der starken Ein- und Ausstrahlung als Strahlungswetter (Strahlungstypus) zu bezeichnen, das durch bedeutende t�gliche Temperaturschwankungen charakterisiert ist.

�ber Wettervorhersage (Wetterprognose) s. die Textbeilage.

Vgl. Abercromby, Das W. (deutsch von Pernter, Freib. i. Br. 1894); Garriott, Long-range weather forecasts (Washingt. 1904); Freybe, Praktische Wetterkunde (Berl. 1906) und Kurze Anleitung zur Benutzung der Wetterkarten (das. 1906); Klein, Wettervorhersage (Stuttg. 1907); Ka�ner, Das W. (Leipz. 1908); die Schriften von van Bebber (s. d.) und die Literatur bei Artikel »Meteorologie«.

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 570-571.
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570 | 571
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