Methode

[665] Methode (methodos): logisches, planm��iges, systematisches Verfahren wissenschaftlicher Forschung, Untersuchungsweise, Art der Wahrheitsfindung. Zu unterscheiden sind besonders naturwissenschaftliche, psychologische, philosophische Methoden. Ferner analytische (s. d.), regressive (s. d.), inductive (s. d.) und synthetische (s. d.), deductive (s. d.), progressive (s. d.) Methode, genetische (s. d.) und systematische (s. d.), speculative (s. d.), dialektische (s. d.), akroamatische (s. d.), erotematische (s. d.), experimentelle (s. d.), darstellende und entwickelnde Methode.

Bei ARISTOTELES bedeutet methodos Methode (De an. I 1, 402 a 14), auch Wissenschaft (Phys. I 1, 184a 11). Er bedient sich der Analytik (s. d.) und Dialektik (s. d.). – ROGER BACON stellt die Methode der »experientia« der des »argumentum« gegen�ber (s. Erfahrung). – Nach ZABARELLA ist »methodus« der »habitus intellectualis instrumentalis nobis inserviens ad rerum cognitionem adipiscendam« (De meth. I, 2; Opp. log. p. 135).[665]

F. BACON bildet entgegen der begrifflich-speculativen, deductiven, syllogistischen Methode der Scholastik die Methode der Induction (s. d.) weiter. GALILEI stellt neben dem Experiment die analytische (resolutive) und synthetische (compositive) Methode auf. Diese beiden Methoden (»methodus resolutiva« und »compositiva«) und deren Mischung unterscheidet auch HOBBES (De corp. C. 6, 1, 2). Es wird n�mlich entweder fortgegangen »a generatione ad effectus possibiles« oder ab »effectibus phainomenois ad possibiles« (l.c. C. 25, 1). DESCARTES sieht das Muster aller Methoden in der der Mathematik: »solos Mathematicos demonstrationes aliquas, hoc est, certas et evidentes rationes invenire potuisse« (De methodo II, p. 12). Vier allgemeine methodische Regeln haben sich bew�hrt: »Primum erat, ut nihil unquam veluti rerum admitterem nisi quod certo et evidenter verum esse cognoscerem; hoc est, ut omnem praecipitantiam atque anticipationem in indicando diligentissime vitarem; nihilque amplius conclusione complecterer, quam quod tam clare et distincte rationi meae pateret, ut nullo modo in dubium possem revocare.« – »Alterum, ut difficultates, quas essem examinaturus, in tot partes dividerem, quot expediret ad illas commodius resolvendas.« – »Tertium, ut cogitationes omnes, quas veritati quaerendae impenderem, certo semper ordine promoverem: principiendo scilicet a rebus simplicissimis et cognitu facillimis, ut paulatim et quasi per gradus ad difficiliarum et magis compositarum cognitionern ascenderem; in aliquam etiam ordinem illas mente disponendo, quae se mutuo ex natura sua non praecedunt.« – »Ac postremum, ut tum in quaerendis mediis, tum in difficultatum partibus percurrendis, tam perfecte singula enumerarem et ad omnia circumspicerem, ut nihil a me omitti essem certus« (l.c. p. 11 f.). SPINOZA erkl�rt die Methode als reflexive Erkenntnis (»cognitio reflexiva«) oder die Idee der Idee. Sie mu� die wahre Idee von dem �brigen unterscheiden, ferner Regeln geben, durch welche das Unbekannte begriffen werden kann, und die Ordnung bestimmen, nach welcher untersucht wird (De emend. intell.). In »Ethik« wird der »mos geometricus« (s. d.) angewandt. Die Logik von Port-Royal bestimmt die Methode als »ars bene disponendi seriem plarimarum cogitationum.« (l.c. IV, 2). PASCAL erkl�rt: »Cette v�ritable m�thode, qui formerait les d�monstrations dans la plus haute excellence, s'il �tait possible d'y arriver, consisterait en deux choses principales: l'une, de n'employer jamais aucun terme dont on n'e�t auparavant expliqu� nettement le sens; l'autre, de n'avancer jamais aucune proposition qu'on ne d�montr�t par des v�rit�s d�j� connues; en un mot, � d�finir tous les termes et � prouver toutes les propositions« (Pens. I, 1). D'ARGENS bestimmt: »On entend par ce mot de m�thode la derni�re des op�rations de notre esprit, que nous avons indiqu�e... par le terme de concevoir, qui signifie disposer ou arranger ce que nous avons imagin� sur un sujet, de la mani�re la plus prompte et la plus claire qu'il nous est possible« (Philos. du Bons-Sens I, p. 269). »Il y a deux sortes de m�thodes; l'une, qui sert � d�couvrir la v�rit�, et qu'on appelle analyse, ou m�thode de r�solution, ou m�me m�thode d'invention, et l'autre, qu'on nomme synth�se, ou m�thode de composition, qu'on emploie lorsqu'on veut rendre sensibles aux autres les v�rit�s dont on est d�j� convaincu« (l.c. p. 2z0). Von der analytischen Methode sagt CONDILLAC: »Analyser n'est donc autre chose qu'observer dans un ordre successif les qualit�s d'un objet, afin de leur donner dans l'esprit l'ordre simultan� dans lequel elles existent« (Log. I, 2). J. EBERT definiert: »Die Ordnung, welcher man sich bei dem Vortrage seiner Beweise und seiner Gedanken �berhaupt bedienet, hei�t die Lehrart oder Methode,[666] welche man gemeiniglich in synthetische, analytische und vermischte einzuteilen pflegt« (Vernunftlehre S. 121).

KANT versteht unter Methode »die Art und Weise, wie ein gewisses Object, zu dessen Erkenntnis sie anzuwenden ist, vollst�ndig zu erkennen sei. Sie mu� aus der Natur der Wissenschaft selbst hergenommen werden« (Log. S. 16). »Die scientifische oder scholastische Methode unterscheidet sich von der popul�ren dadurch, da� jene von Grund- und Elementar-S�tzen, diese hingegen vom Gew�hnlichen und Interessanten ausgeht« (l.c. S. 228). »Die analylische Methode ist der synthetischen entgegengesetzt. Jene f�ngt von dem Bedingten und Begr�ndeten an und geht zu den Principien fort (a principiatis ad principia), diese hingegen geht von den Principien zu den Folgen oder vom Einfachen zum Zusammengesetzten. Die erstere k�nnte man auch die regressive, sowie die letztere die progressive nennen« (l.c. S. 230). »Die syllogistische Methode ist diejenige, nach welcher in einer Kette von Schl�ssen eine Wissenschaft vorgetragen wird« (l.c. S. 230 f.). Nach FRIES ist die Methode »eine Handelsweise, die an notwendige Regeln gebunden ist« (Syst. d. Log. S. 508). Nach HEGEL ist die Methode »der sich selbst wissende, sich als das Absolute... zum Gegenstand habende Begriff«, »der reine Begriff, der sich nur zu sich selbst verh�lt«, der »sich begreifende Begriff« (Log. III, 330, 352). �hnlich K. ROSENKRANZ (Syst. d. Wiss. S. 123 ff.). Nach HINRICHS ist die Methode »das Wissen, das sich sowohl als Sein als auch als Denken... gegenst�ndlich ist«. Sie ist nicht blo� ein �u�erliches. Analysis und Synthesis sind in ihr unzertrennlich (Grundlin. der Philo(s. d.) Log. S. 232 ff.). HERBART bestimmt die Methode als »die allgemeine Angabe der Art und Weise, aus Principien etwas abzuleiten« (Lehrb. zur Einleit. in d. Philos. � 13). Nach BACHMANN ist die Methode das sichere, kunstgerechte Fortschreiten in der Wissenschaft (Syst. d. Log. S. 358). »Die wahre Methode der Wissenschaft ist analytisch und synthetisch zugleich, aber nicht aus ihnen zusammengesetzt, sondern als Indifferenz, so da� diese beiden nur die besonders hervorspringenden Pole derselben sind. Von Tatsachen ausgehend, sucht sie die absoluten Principien der Erkenntnis, sowohl der Form als des Gehalts, und aus den gefundenen ist sie bem�ht, synthetisch die ganze F�lle der Wissenschaft hervortreten zu lassen« (l.c. S. 361). Das ist die kritische Methode (l.c. S. 362). »Die Methode in ihrer lebendigen Bewegung sowohl von den Gegebenen zur Idee, als von der Idee zu ihrer Offenbarung in den einzelnen Momenten, ist die Dialektik«, d.h. »die Wissenschaft in ihrer organischen Entwicklung« (l.c. S. 371). – Nach W. HAMILTON ist die Methode »the regulated procedure towards a certain end« (Lect. on Met. and Log. IV, XXIV ff., p. 3). Nach TEICHM�LLER ist die Methode »a priori bestimmt, weil sie aus der Natur des Denkens und nicht aus der Natur der zuf�llig gegebenen Gegenst�nde des Denkens herstammt« (Neue Grundleg. S. 240). Die Methode ist »diejenige Ordnung der geistigen Functionen, durch welche die objectiven Coordinaten einer gesuchten Erkenntnis zum Bewu�tsein gebracht werden« (l.c. S. 324). Von einer »sachlogischen« Methode spricht E. D�HRING. Nach GUTBERLET bezeichnet »Methode« »eine solche Zusammenordnung der Mittel, da� durch dieselbe das Ziel am besten erreicht wird« (Log. S. 136). Nach HAGEMANN zeigt die heuristische Methode »den Weg, auf welchem der Stoff einer Wissenschaft in m�glichster Genauigkeit und Vollst�ndigkeit zu finden ist« (Log. u. Noet.5, S. 106). Nach B. ERDMANN ist die Methode »die Art und Weise einer Wissenschaft, g�ltige Urteile �ber ihren Gegenstand zu gewinnen«[667] (Log. I, 11). Nach M. PAL�GYI gibt es nur zwei wissenschaftliche Methoden: die »Methode der directen Besinnung« (physische M., Induction) und die »Methode der contr�ren Besinnung« (metaphysische oder logische M., Deduction) (Log. auf dem Scheidewege S. 241 f.).

H. COHEN (Log.) und NATORP (Plat. Ideenl.) fassen die »Methode« erkenntniskritisch als gesetzm��ige Vereinheitlichung der Erfahrungsinhalte durch die synthetische T�tigkeit des Denkens auf. – HUSSERL betont, »da� alle wissenschaftlichen Methoden, die nicht selbst den Charakter von wirklichen Begr�ndungen... haben, entweder denk�konomische Abbreviaturen und Surrogate von Begr�ndungen sind, die, nachdem sie selbst durch Begr�ndungen ein f�r allemal Sinn und Wert empfangen haben, bei ihrer praktischen Verwendung zwar die Leistung aber nicht den einsichtigen Gedankengehalt von Begr�ndungen in sich schlie�en; oder da� sie mehr oder weniger complicierte Hilfsverrichtungen darstellen, die zur Vorbereitung, zur Erleichterung, Sicherung oder Erm�glichung k�nftiger Begr�ndungen dienen« (Log. Unt. I, 23).

J. ST. MILL stellt vier Methoden inductiv-wissenschaftlicher Forschung auf: 1) Methode der �bereinstimmung (»Method of agreement«): »Wenn alle beobachteten F�lle einer zu erforschenden Naturerscheinung nur einen einzigen Umstand gemein haben, so ist dieser Umstand, in welchem allein alle F�lle �bereinstimmen, der betreffenden Erscheinung wesentlich, entweder Ursache oder Wirkung derselben.« 2) Methode der Unterscheidung (Differenzmethode, »Method of difference«): »Wenn ein Fall, in welchem die zu erforschende Naturerscheinung eintritt, und ein Fall, in welchem sie nicht eintritt, alle Umst�nde gemein haben mit Ausnahme eines einzigen, der nur im ersten Falle vorkommt, so ist dieser Umstand, wodurch allein die beiden F�lle sich unterscheiden, der betreffenden Naturerscheinung wesentlich.« 3) Methode der Reste (R�ckst�nde, »Method of residues«): »Wenn man von einem Teile einer Erscheinung durch schon gemachte Induction wei�, da� er Wirkung eines bestimmten Umstandes ist, so schlie�t man, da� der �brige Teil (R�ckstand oder Rest) der Erscheinung durch die restierenden Umst�nde bedingt ist.« 4) Methode der sich begleitenden Ver�nderungen (»Method of concomitant variations«): »Wenn eine Erscheinung sich ver�ndert, so oft eine andere in einer eigent�mlichen Weise sich ver�ndert, so ist sie entweder Ursache oder Wirkung der andern oder ist durch irgend einen Causalnexus damit verkn�pft« (Log. I, C. 8, S. 453 ff.; vgl. SIGWART, Log. II2, 470 ff.). Vgl. WUNDT, Log. II2, 1; DUHAMEL, Des m�thodes dans les sciences de raisonnement 1866/72; A. COURNOT, Des m�thodes dans les sciences de raisonnement 1865; W. SMITH, Methods of Knowledge 1899; M. F. SCHELER, Die transcendentale und die psychol. Methode 1900. Vgl. Methodenlehre, Methodisch, Analyse, Synthese, Ausschlu�verfahren, Beweis, Demonstration, Definition, Psychologie, Psychophysik, Naturwissenschaft.

Quelle:
Eisler, Rudolf: W�rterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 665-668.
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