Zedler:München, Mönchen, Munick
München, Mönchen, Munick, Lat. Monaechium, Cambodunum, vorzeiten Isarisca oder Isinisca, ist die Haupt-Stadt in gantz Bayern, und die berühmte Residentz des Churfürsten von Bayern, welche nächst an dem Iser-Strom, davon ein kleiner Arm mitten durch die Stadt läufft, in einer grossen Ebene, 8 Meilen von Augspurg, 18 von Regenspurg, und 23 Meilen von Nürnberg, unterm 31 Gr. 25 Min. der Länge, und 48 Gr. 38 Min. der Breite, liegt. In dieser Stadt ist die Haupt-Regierung, Rent-Amt, und das oberste Hof-Gerichte, dahin von allen andern Gerichten, auch von den Regierungen zu Landshut, Burghausen und Straubingen appelliret werden kan. Zu der Münchischen Regierung gehören neben einer grossen Anzahl von Städten, Märckten und Dörffern, 79 Klöster, 39 Schlösser, 126 adeliche Sitze, und 245 Hof-Märckte. Wenn die Stadt eigentlich erbauet worden sey, darüber sind nicht alle einerley Meynung, doch ist solches muthmaßlich 1177 geschehen. Denn in dem letztgedachten Jahre erbauete Hertzog Heinrich der Löwe an dem Ufer der Iser, allwo vorher ein Meyerhof, oder Weiler, den München zu Schefftlarn gehörig, [300] gestanden, eine Brücke über den ermeldten Fluß, um dadurch den Saltz-Zoll von Reichen-Hall, welchen vorher das Stifft Freysingen durch die Veringer Brücke gehabt, an sich zu ziehen, wobey dann auch diese Stadt erbauet worden. Kayser Ludwig aus Bayern hat die Stadt mehr als den halben Theil erweitert, und ihre Freyheiten 1315 herrlich bekräfftiget. Man rechnet ihre innere Weite auf 4000 Schritt, und von dem Churfürsten Maximiliano ist sie mit Bollwercken und tieffen Wasser-Gräben befestiget worden. Innerhalb der Stadt sind die Gassen sehr groß und breit, auch mit gutem Pflaster versehen. Die Häuser sind mehrentheils hoch und prächtig, und in einer netten Ordnung aufgeführet, so, daß man sie wohl vor eine der schönsten Städte in Deutschland halten muß. Unter den geistlichen Gebäuden verdienet das sehr prächtige Collegiat-Stifft zu unser lieben Frauen den Vorzug. Es hat solches der Hertzog Sigmund in Bayern 1468 erbauen lassen. Es ist von lauter gebrochenen Steinen aufgeführt, und begreifft in der Länge 336, gleichwie in der Breite 128 Schuh. Es befinden sich in der Kirche 25 Capellen; die gantze Kirche aber ruhet auf 24 Säulen, deren iede 7 Schuhe dicke ist. Die Anzahl der Fenster erstreckt sich auf 2096. Unter denen Altären, dercn 30 sich daselbst befinden, pranget der grosse Chor-Altar herfür, welcher von dem bekannten Schwartzen sehr nett gemahlet ist. Er stehet gantz frey, ist 50 und einen halben Schuh hoch, und 30 breit. In dem Ober-Chor stehet Kayser Ludwigs aus Bayern kostbares Begräbniß gantz von Marmorstein und Metall, auch von Glockenspeiß gegossenen Statuen. Die Orgel hat von Burbaum gedrehete Pfeiffen in einer ziemlichen Grösse. Die Cantzel in dieser Kirche ist gleichfalls von ungemein prächtiger Arbeit. Ausserhalb aber hat sie 2 schöne hohe und gleiche Thürme. In dem Collegiat-Stifft sind gemeiniglich 14 Chor-Herren, und es werden daselbst des Bischoffs Benonis zu Meissen Leib, Inful und Stab, so 1576 nach München gebracht worden, mit grossem Zulauff wider Pest und Hunger verehret. Nächst diesem ist das Collegium der Societät Jesu zu sehen, welches Hertzog Wilhelm dem Ertz-Engel Michael zu Ehren erbauet. Sonst ist die Kirche mit Mosaischer Arbeit, und mit einem kunstreichen Gewölbe ohne Säulen gezieret. An dem hohen Altar ist des Lucifers Fall und des Ertz-Engels Sieg durch gedachten Schwartzen künstlich abgemahlet. Vor dem Chor hänget eine silberne Oel-Lampe, so 50 Marck Silber wieget. In demselben aber stehet ein metallener Engel, so in beyden Händen das Weyh-Wasser hält. In der Kirche sind zwey Orgeln neben einander. Das Pflaster in der Kirchen ist von sehr schönen Marmorstein gemacht. Nicht ferne vom Eingange der Kirche, zwischen 2 Pfeilern, lieget ein Stein in der Gestalt eines ge doppelten O eingemauert, auf welchem man kein einiges Fenster sehen kan. Man giebet vor, es habe ihn zu dem Ende ein Lehr-Junge dahin geleget und gemauert. Ausserhalb derselben aber stehet zwischen beyden Portalen der Ertz-Engel Michael mit dem Drachen, ingleichen das [301] Chur-Bayerische Wapen aus Glocken-Speise verfertiget; an dem Gipffel der Kirche stehet CHristus mit einem Apffel, unter ihm Otto, Hertzog in Bayern, und unter diesem die 12 Hertzoge in Bayern aus lauter weissen Marmor in Lebens-Grösse gehauen. Ermeldter Hertzog Wilhelm hat zu Erhaltung der Music, des Gottesdiensts und der Kirchen-Zier, dahin jährlich 5675 Gülden verordnet; obschon die Jesuiten selbst einen sehr grossen Schatz gesammlet. Unter andern Schätzen befindet sich eine gantz güldene, und mit den kostbarsten Edelgesteinen geschmückte Monstrantz, deren Werth 70000 Gülden geachtet wird. So ist auch der gantze grosse Chor der Kirche mit lauter Kupffer überleget. In dem Collegio selbst befinden sich vortreffliche Zimmer und eine schöne Bibliothec. Diesen beyden Kirchen mag der Theatiner ihre, nebst dem daran stossenden herrlichen Kloster, welches der Churfürst Ferdinand Maria erbauet, beygefüget werden. Es ist die Kirche durch und durch mit Italiänischer Gips-Arbeit gezieret. Die 9 Altäre darinnen sind von den vortrefflichsten Künstlern verfertiget, das Kloster ist gleichfalls prächtig, und mit einer schönen Bibliothec versehen. In der Augustiner-Kirche, welche mit vielen Kunst-Stücken der Mahlerey pranget, ist auch ein wunderthätiges Frauen-Bild. In dem weiten Franciscaner-Kloster ist ein künstlich Uhrwerck, so den Englischen Gruß schläget, dazu ein Engel posaunet, wie auch das Grab Bona Gratia von Bergamo und Wilhelms Occams, welcher mehr gedachten Kayser Ludwig so hertzhafft wider den Pabst vertheidiget, zu finden. Unter den weltlichen Gebäuden ziehet das Residentz-Schloß aller Augen an sich. Es liegt an dem Ende der Stadt, der Theatiner-Kirche gegen über, und ist von dem Churfürsten Maximiliano erbauet worden. Es hat 2060 Fenster, 20 Säle, 11 Höfe, 9 Galerien, 16 Küchen und 12 Keller. Im Eingange desselben ist ein langer perspectivischer Hof, durch welchen man in einen grossen runden Hof siehet, darinnen ein grosser Röhr-Kasten mit Bildern stehet. Das Pflaster ist aus Marmor. Unter dessen darinnen befindlichen Theilen aber hat absonderlich der vortreffliche Kaysers-Hof den Vorzug. Man giebt vor, daß, was in andern Pallästen eintzeln gefunden wird, daselbst die Kunst auf einmal zusammen gebracht habe. In eben diesem Pallast hat die Capelle, so der Mutter Gottes 1607 gewidmet worden, einen sehr prächtigen Altar, allwo das Ebenholtz, Rubin, Smaragd und Diamanten durch die Kunst übertroffen worden. Unter den Reliquien findet man über 40 gantze heilige Leiber, und über 60 Häupter der Heiligen, so alle mit Gold und Perlen gezieret. Der gantz neu-erbauete Audientz-Saal kan mit den schönsten Sinnbildern aller Augen vergnügen. In der grossen Tafel-Stube stehet ein musicalisches Instrument, so von sich selbst spielen kan. Das schöne Antiquarium verwahret 192 Marmorsteinerne Bildnisse der Römischen Kayser und anderer berühmten Helden, gleichwie auch sonst alte Alabaster Götzen-Bilder, Geschirr und Haus-Götzen in Uberfluß daselbst zu finden. Das Zimmer dieses vortrefflichen Antiquarii hat 34 Fenster, und [302] ist durchgehends mit weissen, rothen und blauen Marmor gepflastert. Vor demselben ist ein kleiner Saal, und in diesem eine schöne Grotte, bildweise gemahlet. Aus diesem kleinen Saal gehet man in einen grossen gevierdten Garten, so in 4 Theile ausgetheilet ist; und in welchem allerhand wundernswürdige Sachen vorkommen. Auf einer Seiten des Gartens ist in der Höhe ein schöner grosser Altan mit vergüldeten Gittern und Stangen, welche schöne Bilder tragen. Insonderheit ist darinn der grosse Felsen-Berg oder Grotte sehenswürdig, auf welchem ein groß Weibs-Bild von Metall stehet. Selbiges hat auf dem Haupte ein Eichen-Laub, welches das Gehöltze in Bayern bedeutet; an dem rechten Arm hänget eine Hirsch-Haut mit einem grossen Hirsch-Geweyh, wodurch die Menge des Wildprets in Bayern angedeutet wird; in der lincken Hand träget es eine Aehre, so die Feld-Früchte anzeiget; zu den Füssen liegt ein Wein-Fäßlein, den Wein-Wachs in Unter-Bayern zu bemercken. Daneben liegt eine Saltz-Scheibe, welche die Saltz-Wercke anzeiget; um den Berg her aber sind Fische und Schnecken, wodurch die Fischreiche Eigenschafft der Flüsse bemercket wird. Vor dem Bilde stehen ein grosser Hund und Bär, die viel Wasser ausspeyen, dadurch anzuzeigen, daß diese Thiere so groß in Bayer-Land fallen und gefunden werden. König Gustav Adolph in Schweden soll geurtheilet haben, daß diese Residentz-Stadt wol für ein Lust-Haus der Welt paßiren könne. In die Kunst- und Schatz-Kammer ist gleichfalls ein Uberfluß von kostbaren Sachen gesammlet worden. Im Jahr 1729 den 14 December brannten nicht nur zwey gantze Stockwercke von diesem prächtigen Residentz-Schlosse ab; sondern es wurde auch viel von kostbaren Sachen in der Schatz-Kammer durch die Wuth des Feuers verheeret, daß man den Schaden in wenig Stunden auf fünff Millionen rechnen kunte. Der Schaden des Schlosses ist wieder gut gemacht worden. In der alten Burg, worinnen ehemals Kayser Ludwig aus Bayern seine Residentz gehabt, befindet sich die Churfürstliche Bibliotheck, die über 18000 Bücher in sich begreiffen soll. Unter denselben ist Kayser Carls des kahlen Gebet-Buch, das Neue Testament in Indianischer Sprache, und andere Raritäten. Ferner ist zu München sehenswürdig das Reit-Haus, Zeug- und Zucht-Haus und der Churfürstliche Garten. Der Marckt ist überaus weit, und hat in der Mitte ein dick vergüldetes Bild der Jungfrau Maria, welches auf einer sehr hohen Marmorsteinern Säule ruhet. Er ist von Osten mit dem prächtigen Rathhause, und von Norden mit dem schönen Landschafft-Hause, von andern Theilen aber mit lauter ansehnlichen Häusern umschlossen. Sonst verdienet auch der Pallast, darinnen 1705 der verstorbene Hertzog Maximilian Philipp seine Residentz gehabt, gesehen zu werden. Die Stadt hat vier Haupt-Thore, und vor dem Iser-Thore liegt das kostbare Pauliner-Kloster. Der Rath zu München besteht gemeiniglich aus 36 Personen, davon 12 im innern, und 24 in dem äussern Rathe sitzen. In der neuen Glaß-Hütte zu München wird wunderschönes Glaß und Crystall [303] gemacht. Was die Zufälle dieser Stadt betrifft, so sind unter andern 1285 mehr als 180 Juden wegen eines ermordeten Christen-Kindes mit einander lebendig verbrannt worden. Im Jahr 1327 ist fast der dritte Theil der Stadt in die Asche gelegt worden. Im Jahr 1632 den 7 May muste sich die Stadt den Schweden mit Accord ergeben, da denn der König Gustav Adolph aus dem Zeug-Hause 12 grosse Carthaunen, die 12 Apostel genannt, mit weggeführet. In der Bayerischen Bauren-Unruhe 1705, wolten sich die Bauern dieser Stadt bemächtigen, sie wurden aber in der Christ-Nacht davon weggeschlagen; und als sie hierauf in dem unweit gelegenen Dorff Seülingen von den Kayserlichen Völckern angetroffen wurden, erlidten sie von denselben eine solche Niederlage, daß die Zahl der Todten und Gefangenen sich über 3000 belieff. Leben Kaysers Josephs pag. 99. Aventinus in Annal. Bajor. I. 6. & alibi. Brunnerus Annal. lib. 12. 14. &c. Adlzreiter in Annal. Bertius lib. 3. rerum Germ. Topographia Bavariae p. 30. sq. Ertels Bayerischer Atlas pag. 110. seq. Böckler Archit. Curios. p. 10. 14. u. f.