Luthers Übersetzung des Heilandsrufes und der Seligpreisungen neben die des Volkstestaments stelle, zugleich als Beleg dafür, wie dieses Buch mit Kernworten, die jedem Christen in ihren lutherischen Wortlaut sich von Kindesbeinen an eingeprägt haben, umspringt. Der Heilandsruf lautet in der Wiedergabe Luthers: „Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen geoffenbart. Ja, Vater, denn es ist also wohlgefällig gewesen von dir. Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater. Und niemand kennt den Sohn denn nur der Vater; und niemand kennt den Vater denn nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren. Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und vom Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Das Volkstestament gibt diese Kernstelle in folgender Verdeutschung wieder: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du es den Wissensstolzen und Selbstgerechten verborgen hast, und hast es den kindlich suchenden Herzen offenbart. Vater! daß mich deine Gnade erkor! Alles ward mir anvertraut vom Vater, und keiner hat erkannt, wer der Vater ist, allein der Sohn, und wem es der Sohn offenbart. Her zu mir alle, die ihr euch müht unter des Lebens Last! Ich will euch erquicken. Stellt euch unter mein Gebot und lernet von mir: Durch mich wirkt Gottes Güte, und von Herzen bin ich ihm gehorsam. So wird eure Seele in Gott geborgen. Mein Gebot bringt Freude; was ich auflege, könnt ihr tragen.“ Man beachte, wie alles ins ganz Persönliche, Innerseelische abgebogen wird. Die Stelle „Niemand kennt den Sohn denn nur der Vater“ fehlt ganz!
Bei den Seligpreisungen bedarf es keiner besonderen Erklärungen. Da sie dem Bibelleser wohl vertraut sind, genügt die Gegenüberstellung. In der Lutherbibel lauten sie: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reines
Karl Fischer: Das Volkstestament der Deutschen Christen. Bekennende Evangelisch-luth. Kirche Sachsens, Dresden 1940, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Volkstestament_der_Deutschen_Christen.pdf/15&oldid=- (Version vom 28.7.2023)