Die Vampyre
Die vampyre, die namentlich in der neuzeit in slav. ländern mit den werwölfen so verschmolzen, daß z. b. der Serbe nicht mehr zwischen vukodlak und vampir unterscheidet, gehören doch einem ganz andern aberglaubenkreise an, als die werwölfe. denn die werwölfe sind mythische erinnerungen an uralte kulturzustände, die vampyre aber entstanden und bestehen noch aus bloßen phantasiegebilden, sie sind psychologische erzeugnisse, bei denen eben so die einbildung theoretisch wirkt, die den todten noch im grabe lebendig wähnt, als die furcht, durch ihn belästigt zu werden. werwolfsagen erstrecken sich nur über das gebiet der indoeuropäer, aber vampyrsagen sind fast über die ganze welt verbreitet, eben so wie die furcht vor [199] den todten, oder was dasselbe ist, die furcht vor gespenstern. Werwölfe sind ein archäologisches moment, vampyre mehr ein bloß kulturhistorisches gebilde, das insoferne nur in die archäologische mythologie gehört, als es gewiß ist, daß vampyrsagen keine stätte dort finden, wo man die todten verbrennt, sondern zumeist nur dort, wo man sie begräbt, weil die anzeichen scheintodtbegrabener zu allererst die veranlassung zu der ansicht gegeben haben mögen, daß auch die todten als vampyre selbst im grabe noch leben können. es ist nämlich ein unterschied zu machen zwischen der allgemeinen ansicht, daß die gestorbenen als geister noch fortleben und ihre gräber, selbst ihre urnen geisterartig bewohnen und zwischen dem phantastischen aberglauben, daß manche todte in ihrer vollen leibesgestalt zur nachtzeit aus ihren gräbern steigen und saugend sich von den säften, zumeist von dem blute ihrer verwandten ernähren. mich dünkt, daß vampyrsagen bei denjenigen heidnischen völkern entstanden seien, denen das feuer ein heiliges wesen, die leiche aber, wie alles todte, ein gebilde des bösen war, welches das feuer nicht verunreinigen durfte. völker mit solchen mythenkeisen legten daher die leiber der verstorbenen nicht in das feuer, da ein todtenbrand denselben ein religiöser gräuel gewesen wäre, sie legten die leiche in die dunkle erde, in die wohnung der unterirdischen götter, die dieses ihr gebilde so lange aufbewahrten, bis der umschwung der zeit herangekommen, der den unterirdischen göttern ihre vernichtende macht benahm, wo sie dann das, was sie dem leben geraubt, wieder dem leben zurückgeben mußten. völker mit leichenbränden glaubten wohl an eine unsterblichkeit der seele, sie dachten sich ein ewiges schattenreich, aber sie konnten an keine auferstehung der todten glauben. das hereinragen einzelner begrabungen in die leichenbrände unserer vorfahren ist eben ein noch unaufgehellter punkt unserer archäologie, da wir noch nicht deutlich die schichten der antiquen kultur unserer altvordern zu scheiden im stande sind.
Sind diese reflexionen wahr, dann kann das vorherrschen der vampyrsagen unter den Slaven, namentlich unter [200] den Südslaven im tiefern heidenthume nicht angenommen weden als ein erzeugniß heimischer kultur, es kann nur aus der fremde, durch begrabende völker sich unter Slaven verbreitet haben – hat es sich aber unter Slaven entwickelt, so konnte es dies erst in einer so späten zeit geschehen sein, in welcher sie schon das verbrennen der todten aufgegeben hatten.
Das phantastische bild eines vampyrs selbst ist nun ein höchst scheußliches. vernehmen wir nur, wie es sich die Serben ausmalen. nach ihnen ist der vampyr ein todter mensch, den 40 tage nach seinem absterben ein höllischer geist wieder beseelt und der dann nachts das grab verläßt. die menschen in den hütten würget und ihr blut sauget. sterben daher in einem dorfe mehrere menschen, als es gewöhnlich geschieht, so geht gleich die sage, daß ein vampyr sie getödted habe. nur das eigene weib des vampyr, wenn sie jung und schön ist, erhält von ihm nächtliche besuche, ohne daß ihr geschadet würde, ja sie wird von ihm schwanger und gebiert kinder, gleich andern menschenkindern nur mit dem unterschiede, daß diese keine knochen haben. vom dem genossenen blute wird der vampyr ganz roth, so daß man einem hochrothen menschen auch im leben zuruft, ‚roth wie ein vampyr‘, namentlich einem trunkenbolde. auf wen der verdacht fällt, er sei ein vampyr, der muß ausgegraben und neugetödtet werden durch pfählen, köpfen u. dgl. Hajek, der böhm. lügenchronist, giebt als eine merkwürdigkeit vom j. 1337 an, daß in Böhmen ein hirt durchaus durch die gewöhnlichen tödtungsarten seine vampyrnatur nicht aufgeben wollte, sondern nachts fort und fort die menschen würgte, selbst als man ihm einen pfahl durch den leib gerannt. erst als er verbrannt wurde, gab es ruhe.
Es wäre interessant zu wissen, was der name vampir? vampyr? bedeute. sonderbar, daß die Polen, doch solche freunde von rhinismen, dies wort ohne rhinismus kennen nämlich: upiór (sprich upjur) und upir, m., upierzyca, fem wie die Böhmen upir und uperice. dem nach wäre v-am-pir eine art grundform. es ist jedoch nicht einmal bekannt [201] zu welcher sprachklasse das wort vampyr gehöre. deutungen aus dem slavischen sind viele versucht, keine gelungen, weil in Dalmatien upirina auch ein luftgeist sein soll, weiset Linde (VI. 68. b) auf das zeitwort upierz-yc, befiedern hin. die russischen ‚zzvestija‘ (I. 113) erklären wampir als blutsauger durch das lithauische ‚wempti‘ trinken, das ich jedoch bei Nesselmann vergebens suchte. wempti, wampti bedeutet jedoch bei den Lithauern auch murmeln, wornach vampir ein poltergeist, unruhegeist wäre. mit diesem vampiti, murmeln, könnte einigermaßen der name der vampire bei den Kasuben verglichen werden, die sie wieszczi d. i. wahrsager, ursprünglich so viel als sprecher, nennen, auch die Serben kennen einen vjedogonja, dem besonders der flug zugeschrieben wird im sprichworte ‚er fliegt wie ein vjedogonja.‘ die Serben nennen ihn auch jedogonja. aus einem menschen steigt schon zu lebzeiten im schlafe sein geist heraus und er hat nach dem tode die meiste anwartschaft ein vampyr zu werden, weshalb man mit seiner leiche wie mit der eines vampyrs verfährt (vgl. Vuk’s riecnjk unter den genannten schlagwörtern).
In Mähren nennt man die erscheinung eines vampir’s auf dem kirchhofe ‚ze se zie podelalo,‘ etwa wörtlich, daß übles angethan wurde und die Mähren sehen ‚wie am grabe zuerst etwas anfängt zu wühlen wie eine henne in einem aschenhaufen, dann wächst es wie ein schaf.‘ wenn man dem leichname dann mit einem grabscheit den kopf ‚abwühlt,‘ so thut das gute dienste. auch die drei würfe erdschollen auf den sarg des eingesenkten thun gute dienste (Kulda, mährische sagen l. 435).