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Der Abstimmungstelegraph

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Der Abstimmungstelegraph
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 266
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[266] Der Abstimmungstelegraph. Von der bekannten Firma Siemens und Halske in Berlin ist, wie auch die Tagesblätter bereits gemeldet haben, dem preußischen Abgeordnetenhaus ein Abstimmungstelegraph vorgeschlagen. Ueber die sinnreiche Erfindung danken wir der Liebenswürdigkeit der genannten Firma folgendes Nähere. Der Zweck des Apparats ist ein doppelter: Einmal soll er auf drei Zählerwerken die Gesammtzahl der Abstimmenden, die Zahl der mit „Ja“ und diejenige der mit „Nein“ Stimmenden unzweifelhaft angeben. Die Controle der Richtigkeit dieser Angaben besteht darin, daß die Summe der Ja- und Nein-Stimmen mit den Angaben des Summenzählers übereinstimmen muß. Das andere Mal soll der Apparat auf einem Papierbande, welches mit den Namen sämmtlicher Abgeordneten bedruckt ist, neben dem Namen eines jeden, der seine Stimme abgegeben hat, mit Oelfarbe deutlich vermerken, ob derselbe mit Ja oder Nein gestimmt hat. Die Ausführung geschieht dadurch, daß auf die Aufforderung des Präsidenten jeder Abgeordnete sich auf seinen Platz begiebt und seinen Abstimmungshebel nach rechts oder links dreht, je nachdem er mit Ja oder Nein stimmen will. Um dies nur dem betreffenden Abgeordneten und keinem anderen möglich zu machen, kann diese Drehung des Abstimmungshebels einzig durch einen Schlüssel bewirkt werden, welcher nur zu dem betreffenden Platze paßt und der dem Inhaber desselben übergeben wird. Hat der Präsident die Ueberzeugung gewonnen, daß alle Abstimmenden ihren Hebel eingestellt haben, so läßt er durch einen Diener die Kurbel des Magnetinductors so lange herumdrehen, bis sie fest steht. Hierdurch wird eine Reihe wechselnder Ströme erzeugt und gleichzeitig ein Contacthebel gedreht, der nacheinander alle Abstimmungshebel in den Stromkreis einschaltet. Alle mit Ja bezeichneten Contacte auf den Plätzen stehen mit den Umwindungen eines Elektromagneten, alle Nein-Contacte mit denen eines anderen Elektromagneten in Verbindung und der Stromlauf ist so geordnet, daß, je nachdem der Hebel auf Ja oder Nein gestellt ist, bei vorerwähnter Drehung der Kurbel der Anker des einen oder anderen Elektromagneten zum Anzug gebracht wird. An jedem Anker ist ein Schreibrädchen nach Art unserer Morsefarbschreiber befestigt; es entsteht also auf dem entsprechend fortbewegten Papierstreifen bei jedem Ankerabzug ein farbiger Punkt, und da die Schreibrädchen der beiden Elektromagnete nebeneinander liegen, ist aus der Stellung des Punktes auf dem Papierstreifen die Stellung des betreffenden Abstimmungshebels zu erkennen. Außerdem sind die Anker dieser beiden Elektromagneten so wie der eines dritten, in den gemeinschaftlichen Rückleitungsdraht eingeschalteten Elektromagneten noch mit Sperrfedern versehen, womit sie auf drei kleinere Zählerwerke mechanisch einwirken und so die Zählung der Abstimmenden in der vorerwähnten Weise ermöglichen.

Wir bemerken übrigens noch, daß die Herren Siemens und Halske bereits im Jahre 1859 dem Abgeordnetenhaus die Anlage eines solchen Abstimmungstelegraphen empfohlen hatten. Damals wurde der Vorschlag aber bis zur Fertigstellung des neuen Parlamentsgebäudes verschoben. Seitdem ist in Nord-Amerika (1869) ein ähnlicher Apparat zur Anwendung gekommen, der sich aber nach erhaltenen Mittheilungen darauf beschränken soll, daß jeder Abgeordnete durch Drücken eines Ja- oder Neinknopfes ein bleibendes Signal giebt, welches dem Präsidenten die Möglichkeit gewährt, die Stimmen nachträglich zu zählen. Durch den obenbeschriebenen Siemens und Halske’schen Apparat wird die Zeit einer namentlichen Abstimmung, die jetzt mindestens eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, auf eine halbe Minute reducirt und gleichzeitig ein unzweifelhaftes Document der Abstimmung erworben, welches sich leicht und schnell direct vervielfältigen läßt, so daß jedem Abgeordneten und jedem Berichterstatter noch vor Schluß der Sitzung ein Exemplar ausgehändigt werden kann. Wir sind der Ueberzeugung, daß der Siemens und Halske’sche Abstimmungstelegraph bald den Weg in alle anderen Parlamente finden wird.