Marienkirche (Stargard)

Kirchengebäude in Polen

Die Marienkirche in Stargard, eigentlich Stiftskirche der heiligen Jungfrau Maria, Königin der Welt (polnisch Kolegiata Najświętszej Marii Panny Królowej Świata), ist eine gotische Backsteinkirche vom Typ der hanseatischen Bürgerbasilika und die ältere der beiden innerhalb der Mauern der Altstadt gebauten Kirchen Stargards. Die größte Backsteinkirche des Stettiner Pommerns steht am Marktplatz neben dem Rathaus und der Alten Wache.

Marienkirche im Jahre 1923

Baubeschreibung und -geschichte

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Achteckige Marienkapelle nördlich des Chors
 
Grundriss

Der Baubeginn der Marienkirche in ihrer ursprünglichen Baugestalt als dreischiffige Hallenkirche mit eingezogenem Chor und breitem Zweiturmmassiv wird um 1292 datiert,[1] die gegenwärtige Gestalt entstammt dem späten 14. und 15. Jahrhundert.[2] Sie wurde als Hallenkirche gebaut und 1350 vollendet. Im 15. Jahrhundert erst wurde die Kirche als Basilika erweitert. Das monumentale Westturmmassiv der Kirche zeigt als Besonderheit eine Stargarder Blende.[2] Der eindrucksvolle Umgangschor wird von einigen Forschern Hinrich Brunsberg zugeschrieben. Auffallend ist das (fensterlose) Gang-Triforium zwischen den Chorarkaden und den Obergadenfenstern und gilt als beispiellos in der Backsteinarchitektur Norddeutschlands und des Ostseeraums.[3] Der polygonale Chorschluss ist dreiseitig (5/8 Schluss), das Außenpolygon des Umgangs jedoch sechsseitig (8/14 Schluss), wodurch ein Pfeiler die Mittelachse des Kirchengebäudes ausfällt. Dem Vorbild des neuen Chores der Stettiner Jakobikirche folgend, wurden die Strebepfeiler am Chorumgang nach innen gezogen und boten Platz zur Errichtung von Kapellen und Emporen. Das Langhaus wurde um 1500 zu einer Basilika umgebaut und durch Kapellenanbauten entlang der Seitenschiffe erweitert. Seine Höhe beträgt 33,5 Meter. Beim Stadtbrand von 1635 erlitt auch die Marienkirche Schäden, hernach wurde das Mittelschiffsgewölbe in gotischen Formen wiederhergestellt. Die Doppelturmanlage erhielt im 15. Jahrhundert ihre mittleren Geschosse. Nur der Nordturm (Höhe: 84 Meter) bekam einen Zinnenkranz, Ecktürmchen und ein Achteckgeschoss, und er wurde 1723 mit einer durchbrochenen Barockhaube bekrönt.

Die Gewölbe, Kapellen und die Sakristei zieren spätgotische figürliche Fresken, darunter ein Schmerzensmann. Im Kircheninneren befinden sich ein Altar von 1663, Wandmalereien vom 15. bis 18. Jahrhundert, Epitaphien, Kapelleneingangsumrahmungen aus dem 18. Jahrhundert und Glasmalereien aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Bemerkenswert ist die Renaissance-Kanzel von 1683.

1945 wurde die Kirche kaum beschädigt, lediglich die Haube des Nordturms wurde zerstört. Zwei Glocken des Gießers Friedrich Gruhl aus dem Jahr 1862 mit den Schlagtönen g0 und c1 überstanden die beiden Weltkriege und wurden auf einem Glockenfriedhof entdeckt. Die größere Glocke befindet sich heute in der Nördlinger Georgskirche, die kleinere an St. Lukas zu München. Die Marienkirche wurde in den Jahren 2020–2023 umfassend saniert und zeigt sich heute in einer neuen Farbigkeit, die derjenigen aus der Zeit der Kirchenrestaurierung durch Heinrich Deneke zu Beginn des 20. Jahrhunderts entspricht.

Marienkirchengemeinde

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Kirchspiel

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Erstmals wurde 1248 ein erstes Gotteshaus in Stargard erwähnt, das sich aber bald für die schnell wachsende Stadt als zu klein erwies. In den 1320er wurde das Kirchenpatronat an der Marienkirche, das zuvor der Camminer Bischof innegehabt hatte, an den Johanniterorden übertragen, der seitdem bis zur Reformation den Stargarder Ordenspfarrer stellte.[4] Im Jahr 1524 hielt der vormalige Franziskaner Johannes Knipstro, der auf der Flucht von Pyritz nach Stralsund war, die erste lutherische Predigt in der Marienkirche. Bis 1945 war die Kirche dann ein evangelisches Gotteshaus, danach wurde sie wieder römisch-katholische Kirche in Polen.

Bis 1945 war die Marienkirchengemeinde neben der Johanniskirchengemeinde, der Heilig-Geist-Kirchengemeinde und der Reformierten Gemeinde die drittgrößte Gemeinde. Sie gehörte zum Kirchenkreis Stargard in der Kirchenprovinz Pommern der evangelischen Kirche der Altpreußischen Union. Im Jahre 1940 gehörten zur Marienkirchengemeinde 10.500 Gemeindeglieder. Das Kirchenpatronat hatte der Magistrat der Stadt. Zwei Geistliche betreuten die Gläubigen. Mit der ersten Pfarrstelle war die Superintendentur des Kirchenkreises verbunden. Der Inhaber der zweiten Pfarrstelle hatte die Filialgemeinde Klempin mit 563 Gemeindegliedern mitzuversorgen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kirchengebäude in den Jahren 1946–1948 provisorisch repariert und diente danach zunächst als Lagerhaus. 1957 wurde es, mit einer Weihe durch Kardinal Wyszyński wieder als (nun wieder katholische) Kirche in Betrieb genommen und ist die bedeutendste Kirche im Dekanat Stargard-Wschód (Stargard-Ost). Seit 1995 ist sie Kollegiatskirche.

Die evangelischen Christen der heutigen Stadt gehören zur Diözese Breslau der polnischen evangelisch-augsburgischen Kirche. Das zuständige Pfarramt ist das der St. Trinitatiskirche in Stettin.

Die heutige katholische Marienpfarrei verfügt außer über die Marienkirche noch über zwei Filialkirchen, Św. Antoniego z Padwy (St. Antonius von Padua) in Święte (Schwendt) und Św. Siostry Faustyny Kowalskiej (Hl. Schwester Faustyna Kowalska) in Strachocin, beides Ortsteile der Gmina Stargard.

Pfarrer von der Reformation bis 1945

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Pfarrhaus an der Marienkirche

Pastor primarius

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  1. bis 1556: Hermann Ricke
  2. bis 1584: Anton Remmelding (Nemling)
  3. 1585–1588: Otto Zander
  4. 1589–1612: Konrad Bredenbach
  5. 1613–1638: Petrus Regast
  6. 1652–1658: Anton Vivenest
  7. 1660–1683: Wilhelm Engelken
  8. 1684–1687: Franz Julius Lütcke
  9. 1687–1695: Georg Schwarz
  10. 1695–1713: Johann Georg Seld
  11. 1713–1731: Johann Wilhelm Zierold
  12. 1732–1736: Friedrich Wagner
  13. 1736–1782: Simon Heinrich Oldenbruch
  14. 1782–1786: Karl Tesmar
  15. 1786–1801: Martin Gottlieb Zollner
  16. 1801–1823: Friedrich Peter Adolf Tobias Stumpf
  17. 1825–1849: Johann Samuel Succow
  18. 1849–1881: Friedrich Gustav Höppner
  19. 1881–1899: Wilhelm Haupt
  20. 1900–?: Heinrich Brück
  21. 1926–1939: Johannes Rathke

Archidiakonus

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  1. ?: Hermann Ricke
  2. bis 1557: Jakob Fuhrmann d. Ä.
  3. ?: Lukas Dannenberg
  4. ?: Christoph Habenicht
  5. 1574–1577: Jakob Faber
  6. bis 1613: Jakob Fuhrmann
  7. bis 1626: Friedrich Crüger
  8. 1626–1632: Christoph Bohm (Baum)
  9. 1632–1635: Urban Lehmann
  10. 1641–1652: Anton Vivenest
  11. 1658–1660: Wilhelm Engelken
  12. 1660–1686: Tobias Engelken
  13. 1687–1723: Johann Gerdes
  14. 1723–1746: Jodocus Andreas Hiltebrandt
  15. 1746–1757: Samuel Gottfried Rübner
  16. 1758–1771: Andreas Petrus Hecker
  17. 1771–1782: Karl Tesmar
  18. 1783–1786: Samuel Gottfried Sperling
  19. 1788–1813: Christian Gottfried Gerstmeyer
  20. 1824–1839: Wilhelm Christian Pökel
  21. 1839–1884: Heinrich Koser
  22. 1884–1899: Ulrich August Redlin
  23. 1899–?: Wilhelm Kiesow
  24. 1940–1945: Karl Boenke

Diakonus

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  1. ?: Joachim Balke
  2. ?: Christian Kligge
  3. ?: Daniel Radebrecht
  4. 1600–1613: Petrus Regast
  5. 1614–1625: Adam Schacht
  6. 1626–1641: Anton Vivenest
  7. 1641–1652: Daniel Rüel (Rühl)
  8. 1652–1658: Wilhelm Engelken
  9. 1658–1660: Tobias Engelken
  10. 1688–1693: Christian Schmidt
  11. 1694–1723: Jodocus Andreas Hiltebrandt
  12. 1724–1737: Aegydius Bohm
  13. 1737–1746: Samuel Gottfried Rübner
  14. 1746–1758: Andreas Petrus Hecker
  15. 1758–1783: Samuel Gottfried Sperling
  16. 1783–1788: Christian Gottfried Gerstmeyer
  17. 1787–1801: Friedrich Peter Tobias Adolf Stumpf
  18. 1803–1812: Johann Samuel Succow
  19. 1812–1823: Karl David Krause (von 1823 bis 1856 waren die Stellen des Archidiakonus und des Diakonus zusammengelegt)
  20. 1856–1862: Johann Friedrich Bernhard Otto Vogel
  21. 1862–1866: Ernst Karl Otto Bindemann
  22. 1866–1872: Karl Ludwig Friedrich Theodor Möhring
  23. 1874–1882: Karl August Wilhelm Kober
  24. 1883–1884: Ulrich August Redlin
  25. 1885–1895: Franz Karl Onrad Polzenhagen
  26. 1896–1899: Wilhelm Heinrich Eduard Kiesow
  27. 1900–?: Konrad Sendke

Literatur

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  • Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz: Die mittelalterliche Baugeschichte der Marienkirche zu Stargard in Pommern – ein Spiegel des wachsenden Repräsentationswillens der Bürgerschaft einer Hansestadt, in: Hansische Geschichtsblätter (141) 2023, S. 45–82.
  • Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz: Die Marienkirche zu Stargard in ihrer ersten Baugestalt. Ein frühes Beispiel städtischer Repräsentation im hinterpommerschen Pfarrkirchenbau, in: Baltische Studien 109 (2023), S. 59–98.
  • Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz: Johannitisches Patronat und städtische Architektur. Die Marienkirche zu Stargard in Pommern, in: Regionalität und Transfergeschichte. Ritterkommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen, hg. v. Christian Gahlbeck, Heinz-Dieter Heimann u. Dirk Schumann, Berlin 2014, S. 248–270.
  • Jaroslaw Jarzewicz: Hinterpommern und Neumark, S. 803–823, (11.) Die Marienkirche in Stargard/Stargard Szczeciński – der Kulminationspunkt der gotischen Architektur in Pommern in Christofer Herrmann, Dethard von Winterfeld (Hg.): Mittelalterliche Architektur in Polen, Bd. 2, Michael Imhof Verlag, 2013, ISBN 978-3-7319-0087-0
  • Johannes Hinz: Pommern. Lexikon, Würzburg 2001, ISBN 3-88189-394-6
  • Hans Moderow: Die Evangelischen Geistlichen Pommerns von der Reformation bis zur Gegenwart. Teil 1. Paul Niekammer, Stettin 1903, S. 411–421.
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Commons: Marienkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz: Die Marienkirche zu Stargard in ihrer ersten Baugestalt. Ein frühes Beispiel städtischer Repräsentation im hinterpommerschen Pfarrkirchenbau. In: Baltische Studien. Band 109, 2023, S. 59–98.
  2. a b Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz: Die mittelalterliche Baugeschichte der Marienkirche zu Stargard in Pommern - ein Spiegel des wachsenden Repräsentationswillens der Bürgerschaft einer Hansestadt. In: Hansische Geschichtsblätter. 2023, S. 45–82.
  3. Ein formal ähnliches Triforium tritt im Dom zu Posen auf, allerdings ursprünglich in einer von Chortürmen unterbrochenen Form. Das Stargarder Triforium wurde sicherlich von der heute nicht mehr existierenden Stiftskirche St. Marien im nahegelegenen Stettin (Szczecin) angeregt. Vgl. Lindenhayn-Fiedorowicz, Agnieszka: Das Motiv des Triforiums in den mittelalterlichen Kirchen des südlichen Ostseeraums, in: Backsteinbaukunst. Zur Denkmalkultur in Europa, Bd. 7, hg. v. d. Europäischen Zentrum für Backsteinbaukunst, Wismar 2020, S. 106–115. Von den äußerlich ähnlichen Umgangschören im Ostseeraum und Nordseeraum hat St. Martini in Groningen Blendtriforien und St. Petri in Riga gar kein Triforium. Auffallend ist das Auftreten von Blendtriforien im livländischen Dom und in der Johanniskirche zu Dorpat (Tartu). Das Doberaner Münster und der Dom zu Uppsala haben gemalte Triforien. Der im romanisch-gotischen Übergangsstil errichtete Umgangschor des Dom zu Roskilde hat Blendtriforien. Unter den Kirchen der nördlichen Backsteingotik hat alleine die Kathedrale von Brügge in Westflandern ein ähnliches Triforium.
  4. Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz: Johannitisches Patronat und städtische Architektur. Die Marienkirche zu Stargard in Pommern. In: Christian Gahlbeck, Heinz-Dieter Heimann, Dirk Schumann (Hrsg.): Regionalität und Transfergeschichte. Ritterkommenden der Templer und Johanniter im nordöstlichen Deutschland und in Polen. Lukas Verlag, Berlin 2014, S. 248–270.

Koordinaten: 53° 20′ 12,3″ N, 15° 2′ 47,7″ O