Welser, Marcus

Lebensdaten
1558 – 1614
Geburtsort
Augsburg
Sterbeort
Augsburg
Beruf/Funktion
Augsburger Kaufmann und Ratsherr ; Historiker ; Späthumanist ; Kaufmann ; Politiker ; Humanist ; Gelehrter
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118806653 | OGND | VIAF: 103645951
Namensvarianten

  • Welser, Marx
  • Velserus, Marx
  • Velserus, Marcus
  • Mercerus, Saulus (Anagramm)
  • Welser, Marx II.
  • Welser, Marcus
  • Welser, Marx
  • Velserus, Marx
  • Velserus, Marcus
  • Mercerus, Saulus (Anagramm)
  • mercerus, saulus
  • Welser, Marx II.
  • Mercerius, Saulus
  • Mercier, Saul
  • Velser, Marcus
  • Velser, Markus
  • Velseri, Marco
  • Velserus
  • Velserus, Paullus
  • Welser, Marco
  • Welser, Markus
  • Welserius, Marcus
  • Welserus, Marcus

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Zitierweise

Welser, Marcus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118806653.html [16.11.2024].

CC0

  • Marx (Marcus) W. (Velserus, Anagramm Saulus Mercerus)

    Späthumanist, Historiker, Ratsherr in Augsburg, * 20.6.1558 Augsburg, 23.6.1614 Augsburg, Augsburg, Dominikanerkirche. (katholisch)

  • Genealogie

    V Matthäus (1523–78), Handelsherr in A., S d. Anton (1486–1557), Handelsherr in A. (beide s. Einl.), u. d. Felizitas Baumgartner (1492–1552);
    M Anna (1525–77), T d. Hans Bimmel (1476–1531), Kaufm. in A., u. d. Felizitas Honold (1485–1569);
    B Anton (1551– 1618), studierte in Padua, Bologna, Tübingen u. Ingolstadt, Dr. theol., 1580 Chorherr am Dom in München, 1584 Domherr in Freising, 1587 Pfarrer in Waidhofen, Propst in Isen u. Spalt, 1612 Dompropst in Freising, Rat d. Hzg. Ernst v. Bayern, Bf. v. Freising u. Ebf. v. Köln, Büchersammler, Vf. v. hist. u. staatstheoret. Schrr. (s. ADB 41, Fam.art.; Dt. Inschrr. 69, Stadt Freising, 2010, S. 374–76, Nr. 387 f.), Matthäus (II.) (1553–1633), Handelsherr u. 1584–1614 Baumeister in A., 1604–09 Reichspfennigmeister, Vf. v. „Bedenken des Münzwesens halber“ (1607), n. Bankrott d. Handelsges. „Marx u. Matthäus Welser“ 1614–21 inhaftiert bzw. unter Hausarrest (s. Einl.; ADB 41, Fam.art.; Augsburger Stadtlex.), Paul(us) (1555–1620), Bgm. in A., Vf. e. „Pol. Discurs v. Münz-Wesen“ (1601), Übers. v. W.s „Rerum Boicarum libri quinque“ u. d. T. „Bayrische Geschicht, In fünff Bücher getheilt …“ (1605) (s. Einl.; ADB 41, Fam.art.; Augsburger Stadtlex.);
    Augsburg 1583 Anna (1562–1640), T d. Bartholomäus May (um 1522–75 / 76), Faktor d. Welser, u. d. Sibilla Rembold (um 1525–87);
    kinderlos.

  • Biographie

    W. erhielt in jungen Jahren eine umfassende humanistische Bildung durch Studienreisen|nach Padua (1568), Paris (1571–72) und Rom (1575–78). Sein wichtigster Lehrer war der Tacitist Marc Anton Muret (1526–85). Nach dem Tod des Vaters übernahm W. Aufgaben im Welserischen Handelshaus in Augsburg, dessen Interessen er 1580–83 in Venedig vertrat. Ab 1590 ging er vermehrt seinen wissenschaftlichen Neigungen nach. Durch die Edition eines Teils der Peutingerschen Tafel und einer Sammlung röm. Inschriften seiner Heimatstadt erwarb er sich rasch hohe Anerkennung unter den Späthumanisten seiner Zeit, die in seiner weitläufigen Gelehrtenkorrespondenz zum Ausdruck kommt. Wichtigste Briefpartner waren die Philologen Justus Lipsius und Joseph Justus Scaliger, aber auch der Naturforscher Galileo Galilei. Die meisten Briefe tauschte er mit dem Augsburger Jesuiten Matthäus Rader (1561–1634), gefolgt von Johannes Faber (1574–1629), dem Direktor der Vatikanischen Gärten in Rom. 1594 veröffentlichte W. als erstes umfassendes Werk die „Res Augustanae“, eine quellenbasierte Stadtgeschichte Augsburgs bis in das Jahr 1552. Durch dieses Werk wurde der bayer. Hzg. Maximilian I. (1573–1651), auf W. aufmerksam, der ihn 1595 zu seinem Hofhistoriographen ernannte. Ihm widmete W. seine „Rerum Boicarum libri quinque“ (1602, dt. 1605), welche die Frühgeschichte Bayerns von den kelt. Ursprüngen bis zum Sturz Tassilos III. behandeln. Seine weiteren Forschungen zur bayer. Geschichte hielt er allerdings vor dem Herzog zurück, da er die karolingische Abstammung seines Auftraggebers in Abrede stellte. Dezidiert gegenreformatorischen Charakter hatte seine Sammlung „Sancti Augustani“, in der er 1601 sein Wissen über die in Augsburg wirkenden Heiligen mit Kupferstichen von Dominicus Custos (1560–1612 / 15) präsentierte. 1595 gründete W. mit dem Augsburger Stadtbibliothekar David Höschel (1556–1617) den Verlag „Ad insigne pinus“, der sich v. a. der Edition antiker und mittelalterlicher Texte widmete. Zum Verlagsprogramm steuerte W. zahlreiche Erstausgaben bei, darunter die „Vita S. Udalrici“, die „Vita S. Severini“ und das Falkenbuch Ks. Friedrichs II. Dort erschien auch die Beschreibung der Sonnenflecken Christoph Scheiners (1573–1650), die der Jesuit in Form von drei Briefen an W. niederlegte.

    Neben seinen wissenschaftlichen Ambitionen verfolgte W. eine Karriere im Augsburger Rat, dem er als einer der beiden Stadtpfleger von 1600 bis zu seinem Tode vorstand. Trotz der Bemühungen Maximilians I., das finanzstarke Augsburg als Mitglied der kath. Liga zu gewinnen, verordnete W. der bikonfessionellen Reichsstadt im Vorfeld des 30jährigen Kriegs einen strikten Neutralitätskurs. Während er den bayer. Herzog in mehreren Gutachten zur konfessionspolitischen Mäßigung aufrief, verschärfte er durch den wohl ihm zuzuschreibenden „Squitinio della liberta Veneta“ (1612) die Konfrontation zwischen der Republik Venedig und dem Papst, indem er die staatliche Unabhängigkeit der Serenissima in Frage stellte. In die Zeit von W.s politischem Engagement fällt auch das Stadterneuerungsprogramm unter dem Stadtbaumeister Elias Holl (1573–1646), das Augsburg im Stil der Renaissance prägte. Aufgrund seiner humanistischen Bildung kann in W. die treibende Kraft dieser Umgestaltung des Stadtbildes vermutet werden. Nach zweijähriger schwerer Krankheit verstarb er 1614; eine Woche später ging das Welserische Handelshaus in Konkurs, das zuvor nur noch durch W.s persönliches Ansehen kreditwürdig war. Das Gerücht, er hätte sich aufgrund seiner finanziellen Lage selbst umgebracht, kann als Konfessionspolemik abgetan werden.

    Sowohl durch seine eigene souveräne Arbeit als Editor und Historiker als auch als wichtiger Mäzen und städtischer Auftraggeber war W. die zentrale Figur der Spätrenaissance in Augsburg, das in seiner Lebenszeit kulturell aufblühte. Sein Hauptverdienst war es aber, die Kommunikation zwischen den sich formierenden Konfessionsgruppen sowohl in der gelehrten wie in der politischen Welt aufrechtzuerhalten, woran ihn auch sein Bekenntnis zur kath. Kirche nicht hinderte.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Acc. dei Lincei, Rom (1612) u. d. Acc. della Crusca, Florenz (1613);
    ksl. Rat.

  • Werke

    Weitere W u. a. Opera historica et philologica, sacra et profana, Nürnberg 1682.

  • Literatur

    |ADB 41;
    P. Joachimsen, M. W. als bayer. Gesch.schreiber, 1905;
    G. Gabrieli, Marco W. Linceo augustano, in: Rendiconti della R. Acc. Nazionale dei Lincei VI, 13, 1937, S. 74–99;
    R. Evans, Rantzau and W., in: History of European Ideas 5, 1984, S. 257–72;
    B. Roeck, Gesch., Finsternis u. Unkultur, Zu Leben u. Werk d. M. W. (1558–1614), in: AKG 72, 1990, S. 115–41;
    J. Papy, Lipsius and M. W., in: The World of Justus Lipsius, hg. v. M. Laureys, 1998, S. 173–90;
    B. Mauer, Der Patrizier als Archäol., M. W. u. Augsburgs röm. Vergangenheit, in: Stadt u. Archäol., hg. v. B. Kirchgässner u. H.-P. Becht, 2000, S. 81–100;
    M. Völkel, Das Verhältnis v. religio patriae, confessio u. eruditio b. M. W., in: Die europ. Gelehrtenrep. im Za. d. Konfessionalismus, hg. v. H. Jaumann, 2001, S. 127–40;
    M. U. Ferber, „Scio multos te amicos habere“, Wissensvermittlung u. Wissenssicherung im Späthumanismus am Bsp. d. Epistolariums M. W.s d. J. (1558–1614), 2008;
    ders., Zw. Lipsius u. Galilei, Der Briefwechsel M. W.s als Spiegel d. geistesgeschichtl. Umwälzung zu Beginn d. 17. Jh., in: Justus Lipsius u. d. europ.|Späthumanismus in Oberdtld., hg. v. A. Schmid, 2008, S. 37–53;
    ders., Ein Hist. als pol. Berater, Der Briefwechsel zw. M. W. u. Hzg. Maximilian I., in: Neunhofer Dialog I, Einblicke in d. Gesch. d. Handelshauses W., hg. v. A. Westermann u. Stephanie v. Welser, 2009, S. 289–308;
    ders., Astronom. Entdeckungen u. d. Renommee e. späthumanist. Gel., M. W.s Rolle in d. Sonnenfleckendiskussion zw. Scheiner, Galilei u. Kepler, in: Kepler, Galilei, d. Fernrohr u. d. Folgen, hg. v. K. Gaulke u. J. Hamel, 2010, S. 195–207;
    P. Matthäus Rader SJ, 2: Die Korr. mit M. W., hg. v. A. Schmid, 2009;
    Killy;
    Vf.-Lex. Frühe Neuzeit VI, Sp. 493–501 (W-Verz.).

  • Porträts

    |Ölgem., anon., o. J. (Mailand, Pinacoteca Ambrosiana);
    Kupf. v. L. Kilian, 1624 (Gedächtnisbuch d. jeweiligen Herren Stadtpfleger, StadtA Augsburg, Schätze, Nr. 49c).

  • Autor/in

    Magnus Ulrich Ferber
  • Zitierweise

    Ferber, Magnus Ulrich, "Welser, Marcus" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 748-750 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118806653.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA