Wabnitz, Agnes

Lebensdaten
1841 – 1894
Geburtsort
Gleiwitz (Schlesien)
Sterbeort
Berlin-Friedrichshain
Beruf/Funktion
Schneiderin ; SPD-Agitatorin
Konfession
konfessionslos
Namensvarianten

  • Wabnitz, Agnes

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Zitierweise

Wabnitz, Agnes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137886.html [16.11.2024].

CC0

  • Wabnitz, Agnes

    SPD-Agitatorin, * 10.12.1841 Gleiwitz (Schlesien), (Freitod) 28. 8. 1894 Berlin-Friedrichshain, Berlin, Prenzlauer Berg, Friedhof der Freireligiösen Gemeinde in der Pappelallee (heute Friedhofspark Pappelallee). (lutherisch, später konfessionslos)

  • Genealogie

    V Karl (1798/99–1857), aus Hennersdorf b. Namslau (Woskowice Górne, Niederschlesien), Gastwirt, Schankpächter in G., zuletzt in Nicolai (Oberschlesien);
    M Karoline (1808–84, kath.), zuletzt in B., T d. Blasius Dame(c)k (um 1778–1858), Schuhmacher in G., u. d. Marianne (Anna Marie) Foltek (1785–1823), Fleischers-T;
    2 B Carl (1831–n. 1895), in B., Hermann (1846–1901), Arb., Kleiderhändler, emigrierte 1880 in d. USA, 1883 in New York eingebürgert, 2 Schw (1 früh †);
    – ledig.

  • Biographie

    Über die Schulausbildung von W. ist nichts bekannt, vermutlich war sie rudimentär. Nach dem Tod des Vaters erlernte sie das Schneiderhandwerk. In den 1860er Jahren ging sie als „Kinderfräulein“ nach Polen und hielt sich hier etwa sechs Jahre bei verschiedenen Familien auf. Wahrscheinlich zu Beginn der 1870er Jahre zog sie nach Berlin zu einem ihrer Brüder und lernte die Sozialdemokratie kennen. Sie arbeitete als Mantelnäherin und begann, sich politisch zu engagieren; im März 1885 trat sie als Rednerin bei der Gründung des „Vereins zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen“ auf und wurde in das Agitations-Comité gewählt. Zudem wurde sie Mitglied im „Fachverein der Berliner Mantelnäherinnen“. Auf Grundlage der Sozialistengesetze wurde 1886 der „Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen“ durch den Polizeipräsidenten von Berlin verboten und der Vorstand zu Geldstrafen verurteilt. Im Jahr darauf folgte das Verbot des Mantelnäherinnenvereins, und W., die als 2. Vorsitzende aktiv war, wurde zu einer Strafe von 15 Mark verurteilt.

    Durch ihr Engagement für die Sozialdemokratie und ihre obrigkeits- und kirchenkritischen Vorträge wurde W. auch weit über Berlin hinaus bekannt. So sprach sie im Herbst 1891 mehrmals in Frankfurt/M., z. B. über „Die Frau in der Industrie“ (5. 10. 1891) und|rief dabei zur Organisation der Arbeiterinnen auf. Anläßlich einer Vereinsgründung wurde sie in Frankfurt zum ersten Mal inhaftiert und verbüßte einen einwöchigen Gefängnisaufenthalt; im April 1892 erhielt sie eine dreitägige Haftstrafe. Im Juli 1892 in Berlin wegen wiederholter Majestätsbeleidigung und Beschimpfung von Einrichtungen der christlichen Kirchen verhaftet und zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, verweigerte W. im Gefängnis die Nahrungsaufnahme, woraufhin sie in die Charité gebracht und dort zwangsernährt wurde. Ihre Entscheidung, die Nahrung zu verweigern, stieß bei den Arbeiterinnen jedoch auch auf Unverständnis und Kritik. Ende Okt. 1892 wurde W. in die Psychiatrie, das damalige Irrenhaus Dalldorf überwiesen, das sie Mitte Dez. 1892 wieder verlassen durfte. Durch die Nahrungsverweigerung und den Aufenthalt in Dalldorf sehr geschwächt, verbrachte W. die erste Jahreshälfte 1893 im Krankenhaus Friedrichshain. Noch im selben Jahr ist ihr Engagement in der Ethischen Gesellschaft in Berlin belegt; bald begann sie auch wieder Reden für die Sozialdemokratie in Berlin und im ganzen Reich zu halten. Da aufgrund ihrer Nahrungsverweigerung und der Einweisung in die Psychiatrie die Haftstrafe nicht vollständig abgebüßt war, wurde das Verfahren im Juli 1894 wieder aufgenommen; nach der Aufforderung, sich am 28. 8. 1894 im Frauengefängnis in der Barnimstraße einzufinden, nahm sich W. an diesem Tag auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berlin Friedrichshain mit Gift das Leben. Ihre Beerdigung, an der – trotz eines Verbots der Behörden – mehrere zehntausend Menschen teilnahmen, wurde zu einer der größten ihrer Zeit.

  • Auszeichnungen

    |A.-W.-Str. in Berlin (2000).

  • Werke

    Weitere W u. a. Vortrr.: Die Frau in d. heutigen Ges., gehalten am 5. 9. 1893 in Moabit;
    Die Thätigkeit d. Gehirns u. d. fünf Sinne, gehalten in d. Verslg. d. Blumen- u. Putzfedern-Arbeiterinnen u. -Arbeiter am 9. 9. 1893;
    Die Gewerkschaftsbewegung u. d. Bildung d. Volkes, gehalten in d. Verslg. d. Ver. Dt. Schuhmacher am 11. 12. 1893.

  • Literatur

    |e. wiss. Monogr. exisitiert bisher nicht;
    – Die Gleichheit v. 10. 8. 1892;
    Das kl. Journal v. 3. 9. 1894;
    Vorwärts v. 4. 9. 1894;
    Märk. Volksstimme v. 15. 9. 1894;
    Die Gleichheit v. 19. 9. 1894;
    B. Glogau, A. W., Eine Frauenstimme aus d. Bourgeoisie, 1894;
    M. Juchacz, Sie lebten f. e. bessere Welt, Lb. führender Frauen d. 19. u. 20. Jh., 1955, S. 81–84 (P);
    C. v. Gélieu, Gesch. d. Frauenbewegung erfahren in Ostberlin, 1991, S. 54–58;
    K. Kühnel, Freiheit du siegst, Leben u. Sterben d. A. W. (1841–1894), e. biogr. Collage (…), 2008 (Qu, P);
    A. W., 80 Kränze mehr als d. Kaiser, in: „… der Zukunft ein Stück voraus“, Begleitbroschüre z. Wanderausst. d. Frauenbeirats Pankow, [2010], S. 4;
    H. Czitrich-Stahl, Arthur Stadthagen, Anwalt d. Armen u. Rechtslehrer d. Arbeiterbewegung, 2011, bes. S. 97–104.

  • Autor/in

    Kerstin Wolff
  • Zitierweise

    Wolff, Kerstin, "Wabnitz, Agnes" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 153-154 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137886.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA