ADB:Konewka, Paul
Drake, welche aber der Sohn in richtiger Erfassung seines besonderen Talentes bald mit dem Atelier des Malers Adolf Menzel vertauschte. Er theilte mit diesem Meister von Haus aus die Richtung auf das Charakteristische, die scharfe Beobachtung aller eigenthümlichen Besonderheiten der Menschen und Dinge und lernte von ihm die gewissenhafteste zeichnerische Wiedergabe des Gesehenen. Es fand sich aber in K. noch eine andere fast entgegengesetzte Anlage, welche durch seine klassische Bildung geweckt, durch seine Bildhauerlehrzeit genährt und in den freilich damals noch ziemlich dürftigen Antikensammlungen Berlins geläutert wurde, das lebendigste Gefühl für Anmuth und Wohlgefälligkeit der Linien, die Fähigkeit für die Empfindung und Darstellung des Ideal-Schönen. Diese künstlerische Doppel-Natur bewahrte ihn, obwol er sich allezeit mit Stolz einen Schüler Menzel’s nannte und für die Anerkennung desselben in Süddeutschland mit rührendem Eifer wirkte, doch vor der Gefahr, ein einseitiger Nachtreter des großen Realisten zu werden. Es fehlte ihm freilich auch etwas, was ihn abhalten mußte, ganz in die Fußstapfen seines Lehrers treten zu wollen. Er, der alles Zeug zu einem bedeutenden Maler zu haben schien, besaß keinen feineren oder jedenfalls keinen recht warmen Farbensinn. Nur daraus läßt es sich erklären, daß er bald Pinsel und Palette ganz liegen ließ und eine künstlerische Spielerei, mit deren virtuoser Ausübung er freilich sich und Anderen schon viele Freude gemacht hatte, das Ausschneiden von sogen. Silhouetten, Umrißbildern aus matt-schwarzem Papier, zu einer besonderen Kunstgattung für sich ausbildete. Er setzte an die Stelle des Ausschneidens das Aufzeichnen von schwarzen Figuren für den Holzschnitt und hob diese bekanntlich auch sonst schon geübte Kunstweise weit über die bisherige Entwickelung in humoristischen Blättern und Kinderbüchern hinaus. Steht diese Technik an künstlerischen Ausdrucksmitteln selbst noch hinter der gewöhnlichen Umrißzeichnung (z. B. auf den griechischen Vasenbildern) zurück, so hat sie doch auch wieder ihren besonderen Reiz. Die dabei nöthige sorgfältige Durchbildung des äußeren Umrisses ruft die Phantasie zu dem angenehmen Spiel auf, mit rascher Intuition die fehlenden inneren Formen selbstthätig zu ergänzen. Es stört den Beschauer nicht, eine arme Kunst vor sich zu sehen, weil sie mit dem, was er ihr selbst leiht, so reich erscheint, wie jede andere. Aus diesem Grunde paßt die Schattenrißzeichnung ganz besonders für die Illustration von [502] Dichterwerken, wo die vollere Behandlung mit ausgiebigeren Kunstmitteln häufig den Leser weniger anspricht, weil seiner eigenen Phantasie nichts mehr zu thun übrig bleibt und überdies auch die Unterschiede zwischen seiner Auffassung und der des Künstlers um so empfindlicher sich fühlbar machen. Es war darum ein richtiger Instinct Konewka’s, daß er sich von Anfang an mit Vorliebe auf die Illustration warf, obgleich ihm die Mittel seiner Phantasie wohl erlaubten, sich auf das freie Feld eigener Erfindungen zu wagen. Seine erste Publication: „Album. 6 Silhouetten“ (c. 1862–63) enthielt neben Illustrationen zu Volksliedern, zu einem niederdeutschen Sprichwort und zu einem Gedichte von Storm schon auch eine Scene aus dem Faust und eine aus den Lustigen Weibern von Windsor. Fand dieses Album, bei welchem die Wiedergabe im Holzschnitt allerdings zu wünschen übrig ließ, nur langsam Anklang, so eroberte sich sein zweiter Versuch um so schneller die Gunst von ganz Deutschland, jener lange schmale Streifen, auf dem er den Osterspaziergang vor dem Thore nach Goethe’s Faust darstellte (1864). Der einheitliche Guß und Fluß des ganzen Zuges, der Reichthum an individuellen Gestalten, ihre bald anmuthig leichte, bald drollig derbe Bewegung – Alles wirkte zusammen, um diesem auch xylographisch trefflich ausgeführten Blatte die weiteste Verbreitung zu verschaffen. Ermuthigt durch diesen Erfolg ließ K. bald darauf (1866) „Zwölf Blätter zu Goethe’s Faust“ erscheinen, in welchen er auch der Aufgabe, tiefere Empfindungen und leidenschaftlichere Bewegungen darzustellen, auf überraschende Weise gerecht wurde und außerdem durch die Fülle von zierlichen Motiven in den decorativen Beigaben, dem Rahmen- und Rankenwerk zu den Figuren, alle Welt entzückte. So kam er im Sommer 1867 schon mit einem geschätzten Namen nach Stuttgart. Ein ihm von Berlin aus dorthin vorausgegangener schwäbischer Freund, der originelle Photograph Hermann Kayser aus Böblingen († 1872), an welchem selbst ein humoristischer Zeichner verloren gegangen war, führte ihn in den Kreis von Friedr. Vischer, Ed. Mörike, J. Klaiber u. A. ein, wo er frische Anregung zu fröhlichem Schaffen fand. Er vollendete rasch sein bedeutendstes Werk, die Illustrationen zu Shakespeare’s Sommernachtstraum, welche, 24 an der Zahl, mit dem Schlegel’schen Texte im J. 1868 in Heidelberg herauskamen und in kürzester Frist in Deutschland, England und Amerika eine begeisterte Aufnahme fanden. In der maßvollen Schönheit der Liebespaare, in dem köstlichen Humor der reizender Elfenwelt und nicht am wenigsten in der derben Komik der eckigen Rüpelfiguren, überall fühlte man den congenialen Interpreten Shakespeare’s heraus. K. fing denn auch gleich an, sich weitere Stoffe aus diesem dankbaren Boden auszulesen. Fallstaff und seine Gesellen wurden in Angriff genommen. Daneben aber zierte er die damals in Stuttgart von Gustav Weise herausgegebenen „Deutschen Bilderbogen“ mit vier vielbegehrten Nummern (im J. 1873 als „Silhouetten-Bilderbuch“ und „Ländlich-sittlich“ zu Kinderbüchern verwerthet) und ließ in Verbindung mit seinem Schwager J. Trojan in Berlin, der hübsche Reime dazu machte, das herzige Bilderbuch „Der schwarze Peter“ erscheinen (1869); auch in verschiedene illustrirte Zeitungen gab er willkommene Beiträge. Unter den Schwaben war K. in diesen wenigen Jahren heimisch geworden, wie selten einer, der von jenseits des Maines gekommen war. Seine fast dämonische Liebenswürdigkeit und die Wunder seiner Zauber-Scheere, mit welcher er wohlgetroffene Bildnisse und ganze Figurengruppen ausschnitt, oft ohne nur auf das Papier zu sehen, gewannen ihm die Herzen von Alt und Jung. Aber es lag in dieser Anziehungskraft seiner Persönlichkeit doch auch die Gefahr eines übergeselligen Lebens, welches weder seinem Schaffen förderlich noch seiner Gesundheit zuträglich war. Er fing deshalb an, die Sommer in einem stillen Schwarzwaldort, Höfen bei Wildbad, zuzubringen, zog sich aber dort im [503] Herbst 1870 durch Erkältung eine Lungenentzündung zu, deren anfängliche Nichtbeachtung zu einer rasch verlaufenden Schwindsucht führte. Im December jenes Jahres eilte er, schon schwer erkrankt, nach Berlin, wo er im Hause der Schwester die liebevollste Pflege, aber keine Rettung mehr fand. – Von den nach seinem Tode herausgekommenen Werken – einzelne Blätter übergehen wir – waren nur zwei noch von ihm selbst vorbereitet: „Schattenbilder“ (1871) mit Versen von J. Trojan (eine Fortsetzung des „Schwarzen Peter“) und „Falstaff und seine Gesellen“ (1872) mit Text von Herm. Kurz. „Allerlei Thiergeschichten“ (1872), eine Zusammenstellung von Bildern mit Versen von J. Trojan aus dem Lahrer hinkenden Boten hätte K. wegen der schlechten Ausführung der Holzschnitte schwerlich anerkannt, so wenig als er die Auswahl von phototypisch wiedergegebenen Scheeren-Ausschnitten aus verschiedenster Zeit gebilligt hätte, welche (1873) mit dem Titel ausgegeben wurde: „Zerstreute Blätter, gesammelt und unter Mitwirkung von Ferd. Freiligrath, Herm. Kurz, Heinr. Leuthold, Herm. Lingg, Heinr. Noë herausgegeben und mit einer Biographie des Verstorbenen versehen von Fritz Keppler“. Die Uebertragung von „Konewka-Bildern“, sei es nach seinen, sei es nach anderer Künstler Zeichnungen oder Ausschnitten, auf Porzellan, Holz, Leder und andere Stoffe ist jetzt ein eigener Zweig des Kunstgewerbes geworden. – Mit einem trefflichen Selbstbildniß in seiner eigenen Kunstweise hat K. den Umschlag des Schwarzen Peter geziert.
Konewka: Paul K., Silhouetten- (Schattenriß-) Zeichner, geb. den 5. April 1840 zu Greifswald, † den 10. Mai 1871 in Berlin, war der Sohn eines Universitätsbeamten von ursprünglich polnischem Blute, das sich in der graziösen Gestalt und dem leichtlebigen Sinne des jungen K. nicht verleugnete. Der treffliche Vater ließ dem Knaben, welcher sehr frühe durch Ausschneiden von zierlichen Bildern mit der Scheere seines Schwesterleins ein künstlerisches Talent verrieth, eine volle Gymnasialbildung in seiner Vaterstadt zu Theil werden. Dann brachte er ihn nach Berlin in die Werkstatt des Bildhauers- Vgl. die Nekrologe von J. Klaiber in der Beilage zur Allgem. Zeitung Jahrg. 1871. Nr. 159 und von B. Meyer im Beibl. zur Zeitschr. f. bild. Kunst, Jahrg. 1871. Nr. 6.