Willi Eichler

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Das Grab von Willi Eichler und seiner Ehefrau Susanne Miller auf dem Südfriedhof (Bonn)

Willi Eichler (* 7. Januar 1896 in Berlin; † 17. Oktober 1971 in Bonn) war ein deutscher Journalist und Politiker (SPD) und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus[1].

Leben und Wirken

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Eichler war von Beruf Kaufmann. Seit 1922 war er Sekretär des sozialpolitisch engagierten Göttinger Philosophen Leonard Nelson, der den Internationalen sozialistischen Jugendbund (ISJ/IJB) begründet hatte. Von Juni 1922 bis Juni 1923 war er an den Vorbereitungen für das Landerziehungsheim Walkemühle beteiligt, einem weiteren Projekt Nelsons in Zusammenarbeit mit Minna Specht.[2] 1923 trat Eichler in die SPD ein, blieb aber Anhänger Nelsons und wurde im November 1925 auf Beschluss des SPD-Bundesvorstands, da die Zugehörigkeit zum IJB (Nelsonbund) unvereinbar mit der Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sei, aus der SPD ausgeschlossen.[3][4] Er gehörte zu den Mitbegründern des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) im Januar 1926, der als Nachfolgeorganisation des ISJ als politisch-organisatorische Plattform neu gegründet wurde. Nach dem Tod von Nelson 1927 wurde er Vorsitzender des ISK. 1932/33 war er Chefredakteur der vom ISK eigens zum Kampf gegen die Nationalsozialisten gegründeten Tageszeitung Der Funke, deren spektakulärste Aktion ein Dringender Appell zur Reichstagswahl vom Juli 1932 war, in dem – unterstützt von bekannten Künstlern und Wissenschaftlern – zum „Zusammengehen von SPD und KPD für diesen Wahlkampf“ aufgerufen wurde.

Nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 wurde Eichlers Wohnung gleichentags in Abwesenheit durchsucht und ein erheblicher Teil seiner Literatur beschlagnahmt. Eichler tauchte unter und emigrierte im November 1933 über das Saargebiet nach Frankreich. Im Lutetia-Kreis (1935–36) wirkte er mit an dem Versuch, aus dem Exil heraus eine Volksfront gegen die Hitlerdiktatur zu errichten. Er leitete in Paris die Auslandszentrale des ISK und gab von dort aus die Reinhart-Briefe und das ISK-Organ Sozialistische Warte heraus. Vorrangig unterstützte er aus dem Ausland die illegale Tätigkeit des gewerkschaftlichen Widerstandes der Eisenbahner gegen das NS-Regime. Im April verwiesen ihn die französischen Behörden deshalb des Landes. Er emigrierte nach Luxemburg und blieb zunächst dort ansässig. Im Januar 1939 floh Eichler nach England, wo er sich wieder der SPD zuwandte. Gegen Ende seiner Zeit im Londoner Exil arbeitete er intensiv mit Susanne Miller, seiner späteren Ehefrau, zusammen. Er gehörte zum Kontaktkreis der sozialdemokratischen Union zum OSS[5] und war Vorstandsmitglied der „Union deutscher sozialistischer Organisationen in England“ sowie Mitarbeiter des deutschsprachigen Dienstes der BBC.

Willi Eichler unterhielt enge Kontakte zum Landerziehungsheim Walkemühle und dessen Nachfolgeeinrichtungen im dänischen und britischen Exil. Besonders zu dem dort tätigen Gustav Heckmann stand er in engem Kontakt.[6]

1946 kehrte er nach Deutschland zurück. Eichler gründete die Zeitschrift Geist und Tat, die er von 1943 bis 1971[7] herausgab, und arbeitete bis 1951 zugleich als Chefredakteur der Rheinischen Zeitung. Zudem war er von 1945 bis 1949 Herausgeber der Sozialistischen Presse-Korrespondenz.

Zusammen mit Waldemar von Knoeringen veröffentlichte er 1959 im Namen des Vorstands der SPD die Broschüre Der Katholik und die SPD[8] woraufhin die Union in Deutschland[9] am 3. März 1960 ihre Publikation Informationsdienst mit Der Katholik und die SPD titelte und einen Gegentext[10] veröffentlichte.[11]

Eichler, bereits in den 1920er Jahren Mitglied der SPD, beteiligte sich an deren Wiederaufbau nach 1945, war Vorsitzender des SPD-Bezirksverbandes Mittelrhein und gehörte von 1946 bis 1968 dem Parteivorstand der SPD an, seit dem Tode Schumachers dem engeren Vorstand. Er war einer der führenden programmatischen Theoretiker seiner Partei und 1959 als Vorsitzender der Kommission zur Vorbereitung des Godesberger Programms an dessen Entwurf und Durchsetzung entscheidend beteiligt. Unter seinem Einfluss verabschiedete sich die SPD von einer marxistischen Begründung ihrer Politik zugunsten einer ethischen Begründung.[12] Später war er hauptamtliches Vorstandsmitglied der Friedrich-Ebert-Stiftung.[13]

Eichler wurde 1947 in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt, dem er bis März 1948 angehörte, zusätzlich war er 1947/48 Mitglied des Zonenbeirates und 1948/49 des Frankfurter Wirtschaftsrates. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 zog er über die nordrhein-westfälische Landesliste der SPD ins Parlament ein und war seit 1952 stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films. Aus dem Bundestag schied er 1953 wieder aus. Von 1950 bis 1954 war Eichler Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.[14]

  • Werner Link: Die Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB) und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK). Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Meisenheim am Glan 1964.
  • Sabine Lemke-Müller: Ethischer Sozialismus und soziale Demokratie. Der politische Weg Willi Eichlers vom ISK zur SPD. Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1988, ISBN 3-87831-459-0.
  • Thomas Meyer: Willi Eichler und die Ethische Revolution. In: Die Neue Gesellschaft. Nr. 1/2, 2012, S. 24–27 (PDF).
  • Ernesto Harder: Vordenker der »ethischen Revolution«. Willi Eichler und das Godesberger Programm der SPD. J.H.W. Dietz, Bonn 2013. Rezensiert v. Martin Kloke: Zwischen Kaderschmiede und Volkspartei. Der Nelsonianer Willi Eichler und die Sozialdemokratie. In: Die Neue Gesellschaft. Nr. 3, 2014, S. 49–53 mit Foto Eichlers auf S. 50 (PDF).
  • Siegfried Mielke, Stefan Heinz: Eisenbahngewerkschafter im NS-Staat. Verfolgung – Widerstand – Emigration (1933–1945) (= Gewerkschafter im Nationalsozialismus. Verfolgung – Widerstand – Emigration. Band 7). Metropol, Berlin 2017, ISBN 978-3-86331-353-1.
  • Das Parlament als Repräsentant der Öffentlichkeit im Rundfunk. In: Die Freiheit des Rundfunks. München 1956.

Artikel:
kleine Auswahl, aus den Veröffentlichungen von 1934–1948 (verwendete Pseudonyme: u. a. Martin Hart, H. M., Walter Buchholz, Walter Holz, Ernst Friesius, -t., E. F., Hart, H.?, -s., Fr., -lz., s., M. H., -z., W-er.)

Einzelnachweise

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  1. Willi Eichler. Abgerufen am 15. September 2023.
  2. Die Bewohner der Walkemühle Lehrer, Schüler und Helfer. Archiviert vom Original; abgerufen am 15. September 2023.
  3. Werner Link: Die Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB) und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK). Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1964, S. 94.
  4. Die nachstehende Seite ist nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2023. (Suche in Webarchiven.) @1@2Vorlage:Toter Link/www.fes.de Archiv der sozialen Demokratie.
  5. Klaus-Dietmar Henke: Die amerikanische Besetzung Deutschlands. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1996, ISBN 978-3-486-56175-3, S. 641 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Mehrere Hinweise hierzu finden sich bei Birgit S. Nielsen: Erziehung zum Selbstvertrauen. Ein sozialistischer Schulversuch im dänischen Exil 1933–1938. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1985, ISBN 3-87294-265-4.
  7. Fritz Hüser 1908–1979 Briefe, Fritz-Hüser-Gesellschaft (Hrsg.), Asso-Verlag, Oberhausen 2008, S. 392
  8. @1@2Vorlage:Toter Link/books.google.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2023. Suche in Webarchiven)
  9. Union in Deutschland (UiD). Konrad-Adenauer-Stiftung, archiviert vom Original; abgerufen am 15. September 2023.
  10. Die nachstehende Seite ist nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2023. (Suche in Webarchiven.) @1@2Vorlage:Toter Link/www.kas.de Union in Deutschland Informationsdienst 3. März 1960
  11. SPD Liebe Brüder. In: Der Spiegel. 2. Februar 1969, abgerufen am 15. September 2023.
  12. Martin Kloke: Zwischen Kaderschmiede und Volkspartei. Der Nelsonianer Willi Eichler und die Sozialdemokratie. In: Die Neue Gesellschaft. März 2014, abgerufen am 18. Juli 2024.
  13. Die nachstehende Seite ist nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2023. (Suche in Webarchiven.) @1@2Vorlage:Toter Link/www.fes.de Vor 110 Jahren…, 7.1.1896 – Willi Eichler geboren. im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, gesehen am 16. November 2009.
  14. Willi EICHLER. Abgerufen am 15. September 2023 (Eichler war vom 7. August 1950 bis 20. Mai 1954 Mitglied von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates).