Spinetoram
Spinetoram ist ein Insektizid der Gruppe der Spinosyne, das aus Fermentationsprodukten des Aktinomyzeten Saccharopolyspora spinosa gewonnen wird. Es besteht aus Spinetoram-J und Spinetoram-L. Der Wirkstoff wurde 2007 von Dow AgroSciences auf den Markt gebracht.[1]
Eigenschaften und Zusammensetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Spinetoram ist eine Mischung aus Spinetoram-L und Spinetoram-J in einem Verhältnis von ungefähr 1:1 bis 9:1. Die beiden Verbindungen sind keine Isomere, da das Spinetoram-J eine zusätzliche Methylgruppe enthält. Die Verbindungen sind strukturverwandt zu den Spinosynen des Spinosad.[1]
Spinetoram | |||||
Name | Spinetoram-J | Spinetoram-L | |||
Andere Namen |
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Strukturformel | |||||
CAS-Nummer | 187166-40-1 | 187166-15-0 | |||
935545-74-7 (Gemisch) | |||||
PubChem | 53297414 | 25217966 | |||
Summenformel | C42H69NO10 | C43H69NO10 | |||
Molare Masse | 748,011 g·mol−1 | 760,022 g·mol−1 | |||
Aggregatzustand | fest | ||||
Kurzbeschreibung[2] | weißes Pulver | weiß-gelbe Kristalle | |||
Schmelzpunkt[2] | 143,4 °C | 70,8 °C | |||
Siedepunkt[2] | zersetzt sich bei 297,8 °C | zersetzt sich bei 290,7 °C | |||
Löslichkeit[2] |
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GHS- Kennzeichnung[3] |
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H-Sätze | 317‐373‐410 | ||||
EUH-Sätze | keine EUH-Sätze | ||||
P-Sätze | 260‐273‐280‐321‐333+313‐501 | ||||
ToxDaten |
Gewinnung und Darstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anfang der 1980er Jahre wurde in Bodenproben der Aktinomyzet Saccharopolyspora spinosa entdeckt. Bei diesen Mikroorganismen wurde festgestellt, dass diese Fermentationsprodukte bilden, die toxikologisch wirksam gegen Lepidoptera sind. Die isolierten Wirkstoffe wurden daraufhin auf ihre Aktivität als Insektizid untersucht, wobei Spinosyn A und Spinosyn D als potenteste Vertreter dieser Stoffe identifiziert wurden. Die natürlich vorkommende Mischung dieser beiden Spinosyne wurde Spinosad genannt.
Auf der Suche nach noch stärkeren Spinosynen wurde ein künstliches neuronales Netzwerk gekoppelt mit der Analyse der Quantitativen Struktur-Wirkungs-Beziehung verwendet, wodurch der zeitliche und materielle Aufwand stark reduziert werden konnte. Die Forscher entdeckten, dass das Spinosyn A-Analogon mit einem Tri-Ο-methyl-L-rhamnose-Rest eine potenziell bessere Wirkung hat. Durch weitere Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die 3'-O-ethyl-Gruppe an der Rhamnose für die stärkste Wirkung am nikotinischen Acetylcholin-Rezeptor bei Insekten verantwortlich ist. Durch andere Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Hydrierung der 5,6-Doppelbindung das Molekül lichtunempfindlicher macht. Die Kombination aus beiden Erkenntnissen brachte das Spinetoram-J hervor.[4]
Wirkungsweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wirkung des Spinetoram ist analog zu der des Spinosad. Anders als andere Insektizide wirken Spinosyne auf den nikotinischen Acetylcholinrezeptor, wodurch dieser allosterisch aktiviert wird. Dies unterscheidet sie in der Wirkungsweise von den Neonicotinoiden, deren Funktion auf der Wirkung als Agonist dieses Rezeptors beruht. Dadurch werden die Nervenfunktionen gestört, was Lähmung, Atemstillstand und letzten Endes den Tod zur Folge hat. Es handelt sich um eine relativ neue Wirkungsweise von Pestiziden, sodass Resistenzen noch sehr selten sind. Zusätzlich wirken die Verbindungen auf GABA-Rezeptoren was eine ähnliche Wirkung hat.[5][6]
Toxikologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mensch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit gibt für Spinetoram eine Erlaubte Tagesdosis (ADI-Wert) von 0,025 mg/kg Körpergewicht und eine akute Referenzdosis (ARfD) von 0,1 mg/kg Körpergewicht an. Die Verbindung ist wenig akut toxisch für Säugetiere und ist weder haut- noch augenreizend.[2]
Ökotoxikologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Spinetoram ist wenig toxisch für Vögel und Fische. Für Bienen ist es hoch toxisch mit einer LD50 von 0,039 µg/Biene. Jedoch zeigten Feldstudien, dass es für Bienen keine negativen Effekte gibt, wenn der Wirkstoff sieben Tage vor dem Bienenflug ausgebracht wurde. Nur beim Sprühen des Insektizids während der Blüte und Bienenflugs wurde eine erhöhte Mortalität der Bienen festgestellt.[2]
Nachweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der zuverlässige Nachweis und die Quantifizierung von Spinetoram kann mittels flüssigchromatographischer Methoden erfolgen. Zur Identifizierung kann nach der chromatographischen Trennung ein Massenspektrometer verwendet werden.[7]
Zulassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Europäischen Union ist Spinetoram bis zum 30. Juni 2024 zugelassen.[8] In Deutschland sowie einigen weiteren Staaten der EU sind Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Spinetoram zugelassen, jedoch nicht in Österreich. Im Gegensatz zum Spinosad darf Spinetoram nicht in der ökologischen Landwirtschaft verwendet werden.[9] In der Schweiz ist ein Präparat mit Spinetoram namens Zorro erhältlich, welches gegen Schädlinge von Kernobst eingesetzt werden kann.[10]
Handelsnamen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dow Radiant
- Dow Delegate
- Sumitomo DIANA
- Rallis Summit
- Corteva Exalt
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Pesticide Fact Sheet – Spinetoram. (PDF) United States Environmental Protection Agency EPA, Oktober 2009, abgerufen am 30. Mai 2018 (englisch).
- ↑ a b c d e f g h i Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance spinetoram. In: EFSA Journal. Band 11, Nr. 5, Mai 2013, S. 3220, doi:10.2903/j.efsa.2013.3220 (europa.eu [PDF; abgerufen am 30. Mai 2018]).
- ↑ Sicherheitsdatenblatt Spinetoram. (PDF) In: LGC Standards. 6. Juli 2017, abgerufen am 5. Juni 2018.
- ↑ James Dripps, Brian Olson, Thomas Sparks, Gary Crouse: Spinetoram: How Artificial Intelligence Combined Natural Fermentation with Synthetic Chemistry to Produce a New Spinosyn Insecticide. Abgerufen am 5. Juni 2018.
- ↑ Development of the Novel Insecticide Spinetoram (DIANA®). (PDF) In: www.sumitomo-chem.co.jp. Sumitomo Chemical Co., Ltd., 2012, abgerufen am 1. Juni 2018 (englisch).
- ↑ Mark J. Miles et al.: Effects of spinosad on honey bees (Apis mellifera): Findings from over ten years of testing and commercial use. In: Julius-Kühn-Archiv (Hrsg.): Hazards of pesticides to bees – 11th International Symposium of the ICP-BR Bee Protection Group. Nr. 437. Wageningen 2. Oktober 2012, S. 107–114, doi:10.5073/jka.2012.437.032 (openagrar.de [abgerufen am 1. Juni 2018]).
- ↑ Farag Mahmoud Malhat: Simultaneous Determination of Spinetoram Residues in Tomato by High Performance Liquid Chromatography Combined with QuEChERS Method. In: Bulletin of Environmental Contamination and Toxicology. Band 90, Nr. 2, 15. November 2012, S. 222–226, doi:10.1007/s00128-012-0885-3.
- ↑ Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe in der konsolidierten Fassung vom 22. März 2018, abgerufen am 4. Juni 2018
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle.
- ↑ Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu Spinetoram in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, abgerufen am 17. März 2021.