Riebeckplatz
Der Riebeckplatz in Halle (Saale) ist eine Verkehrsdrehscheibe zwischen dem Hauptbahnhof und der Innenstadt, der nach dem Industriellen Carl Adolf Riebeck benannt ist. An ihm soll das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation entstehen.[1]
Bedeutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Riebeckplatz ist der verkehrsreichste Platz in Mitteldeutschland, das Verkehrsaufkommen liegt in Spitzenzeiten bei 80 000 Fahrzeugen pro Tag sowie 52 Straßenbahnzügen pro Stunde. Gleichzeitig ist er einer der größten städtischen ampelgeregelten Kreisel in Deutschland. Während die B 6 in Nord-Süd-Richtung den Riebeckplatz über die Hochstraßen quert, beginnen am Riebeckplatz die B 80 in Richtung Westen (Eisleben) und die B 91 in Richtung Süden (Merseburg). Zusätzlich führen noch zwei stark frequentierte Hauptstraßen zum Riebeckplatz. Mehrere Straßenbahnlinien der HAVAG treffen hier aufeinander. Der Platz war lange der Ausgangspunkt der Überlandstraßenbahn Halle–Bad Dürrenberg. Zahlreiche örtliche und überörtliche Buslinien bedienen den direkt angrenzenden zentralen Busbahnhof.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mittelalter–1809
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ursprünglich nannte man das Gebiet des heutigen Riebeckplatzes den Galgtorvorplatz, denn hier befand sich seit ca. 1100 der Galgen der Stadt Halle (siehe auch: Galgenberg Halle), der im Rahmen der großen Stadterweiterung und Befestigung hierher verlegt worden war.[2] Bereits im Mittelalter war der Galgtorvorplatz der Verkehrsknotenpunkt der Stadt Halle, da hier die Leipziger Heerstraße, der Magdeburger Weg, die Reideburger Straße und der Merseburger Weg zusammentrafen.[3]
Aufgrund der vielen Ausbesserungen und der kostspieligen Neuaufstellungen wurde 1698 mit der Genehmigung von Friedrich III. anstelle des hölzernen Schnellgalgens ein steinerner Galgen errichtet.[4] Auf dem Gelände des heutigen Riebeckplatzes befand sich auch der Rabenstein als weitere Richtstätte, der mit der Genehmigung Kardinal Albrechts aufgestellt worden war.[5] Außerdem sollen sich dort sechs Räder auf hohen hölzernen Säulen befunden haben.[6] Diese wurden dazu benutzt, um den zuvor Gehängten doppelt zu bestrafen. Eine steinerne Betsäule sollte u. a. den Verurteilten vor ihrer Hinrichtung Mut und Standhaftigkeit einflößen. Diese Betsäule befindet sich heute am Universitätsring.
Um 1720 wurde ein erstes Gasthaus errichtet, das spätere Hotel Goldene Kugel. Von einem Reisenden wurde der Galgtorvorplatz 1795 als ein wüster Schutt- und Schmutzhaufen mit Unmengen an Schweinekot beschrieben. Er soll von Schweineherden durchwühlt gewesen sein und einen widerlichen Geruch verbreitet haben. Häufig sollen noch Leichenreste an dem Galgen gehangen oder von Raben zerfressen auf dem Rabenstein gelegen haben.[7] Dieser Anblick änderte sich spätestens 1809, als der Galgen und die anderen Gerätschaften auf dem Galgtorvorplatz unter französischer Herrschaft abgerissen wurden.[8]
1809–1945
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Abriss des Galgens entstanden auf dem Gelände des heutigen Riebeckplatzes eine Garten-Anlage und viele neue Gasthöfe.[9] 1827 bekam der Platz den Namen Leipziger Platz. Nach 1840 erfolgten größere Umbaumaßnahmen im Zuge der Errichtung der Eisenbahnverbindungen nach Magdeburg, Leipzig (Magdeburg-Leipziger Eisenbahn) und Weißenfels (Thüringer Bahn) 1844.[10] Zu dieser Zeit stand die Verschönerung des Platzes im Mittelpunkt der Stadtentwicklung, da er den Eintritt in die Stadt darstellte. Ferner wurden viele neue Wohnhäuser errichtet sowie 1868 ein Springbrunnen gebaut.
Der Platz erhielt 1891 nach dem Tod des für die Stadt verdienstvollen Unternehmers und Industriellen Carl Adolf Riebeck dessen Namen. Mit steigendem Verkehrsaufkommen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es verschiedene Pläne zur Umgestaltung des Platzes, die aber nicht realisiert wurden. Durch einen amerikanischen Bombenangriff am 31. März 1945 wurden zahlreiche repräsentative Bauten, darunter die Hotels Goldene Kugel von Hermann Frede, Europa, Weltkugel und Hohenzollernhof ganz oder zum Teil zerstört.
1945–1991
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Kriegsende wurde der Name des Platzes in Thälmannplatz geändert. Da dieser ab 1960 der verkehrsreichste Knotenpunkt der DDR war, ergab sich die Notwendigkeit einer Neugestaltung des Platzes. Der Fahrzeug- und Fußgängerverkehr sollte fortan auf drei getrennten Ebenen bewältigt werden: der Verkehrsstrom in Nord-Süd-Richtung auf einer ab 1965 gebauten Hochstraße, der Ost-West-Verkehrsstrom in einer vierspurigen Kreisanlage unterhalb der Hochstraße und der Fußgängerverkehr in einem Tunnelsystem. Durch die Umbaumaßnahmen wurde der bis dahin siebenarmige Kreisverkehr auf nur noch vier Straßenanbindungen reduziert. Im Jahr 1977 befuhren stündlich etwa 12 000 Fahrzeuge den Thälmannplatz.[11] Innerhalb des Kreises wurden Haltepunkte für mehrere Straßenbahnlinien und Standplätze für Taxis eingerichtet. Auch das direkte Umfeld des Platzes war von der Umgestaltung betroffen. Mit der Sprengung mehrerer angrenzender Gebäude schuf man Platz für neue repräsentative Bauten, darunter das Hotel Stadt Halle, zwei 23-geschossige Hochhäuser in Stahlskelettbauweise, das Haus des Lehrers und mehrere Verwaltungsgebäude. Vor dem Haus des Lehrers wurde das Monument der revolutionären Arbeiterbewegung aufgestellt und am 6. Oktober 1970 enthüllt.[12] Verantwortlich für die Neugestaltung war der Chefarchitekt Richard Paulick, der auch schon Halle-Neustadt plante.[13] Die Umgestaltung verbesserte den Kfz-Verkehr allerdings einseitig auf Kosten aller anderen Verkehrsarten. Die wichtigen Straßenbahnstrecken durch die Leipziger Straße (seinerzeit Klement-Gottwald-Straße) und die Franckestraße mussten im Zug der Umbauarbeiten stillgelegt werden, obwohl für eine von beiden schon die Weichen eingebaut waren. Straßenbahnfahrten zwischen Hauptbahnhof und Markt waren nur noch mit dem Umweg über den Platz »Am Steintor« und die Große Steinstraße möglich. Der Fahrradverkehr wurde gar nicht berücksichtigt, der Tunnel zwischen Hauptbahnhof und der Innenstadt durfte nicht befahren werden.
Ab 1991
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1991 erhielt der Platz einen seiner alten Namen Riebeckplatz zurück. Das nach 1990 stark angewachsene Verkehrsaufkommen konnte nicht mehr in ausreichendem Maße bewältigt werden, gerade zur Hauptverkehrszeit bildeten sich oft kilometerlange Staus. Die Zahl der Unfälle am Platz stieg erheblich an, jährlich gab es dabei Unfalltote. Verschiedene planungstechnische Lösungsvorschläge, die die Ursachen beheben sollten, wurden aber zunächst nicht umgesetzt. Erst mit dem Bau einer direkten Straßenbahnverbindung nach Halle-Neustadt kam es 2005/2006 zur erforderlichen Anpassung des Platzes an zukünftige Anforderungen. Die Straßenbahnstrecken, die bis dahin den Kraftverkehr an drei Stellen kreuzten, wurden auf das Niveau des Fußgängerbereiches abgesenkt, so dass die Züge den Kreisverkehr seitdem unterqueren. Der lange und dunkle Fußgängertunnel wurde beseitigt und die vorher mit langen Fußwegen sehr unkomfortablen Umsteigeverhältnisse zwischen Straßenbahn und Eisenbahn am Hauptbahnhof mit dem Umbau wieder deutlich verbessert.
Durch das Aufstellen von Lichtsignalanlagen wurde der Verkehrsfluss am Platz neu geregelt, was zu einer drastischen Senkung der Verkehrsunfallquote führte. Der Riebeckplatz erhielt zudem eine Ladenstraße und gläserne Überdachungen, außerdem wurde das Umfeld teilweise neu gestaltet. Mit einem Kostenvolumen von etwa 35 Mio. Euro handelte es sich um das größte innerstädtische Straßenbauprojekt in den neuen Bundesländern.
Im Umfeld des Platzes gab es in den letzten Jahren verschiedene Entwicklungen. Während ein Teil der in den 1960er Jahren errichteten Gebäude nach wie vor genutzt wird und z. T. eine Sanierung erfuhr (Haus des Lehrers – Sitz des Lehrerinstituts Sachsen-Anhalt), wurden die zwei markanten Hochhäuser trotz anderer Vorschläge eines Architekturwettbewerbs im Rahmen der IBA 2010 und eines Bürgerbegehrens abgerissen.[14] Grund dieser Entscheidung waren die erwarteten hohen Sanierungs- und Betriebskosten. Der nahe Busbahnhof wurde umfassend modernisiert.
Von dem Riebeckplatz, wie er bis zur teilweisen Zerstörung 1945 existierte, ist kein einziges Gebäude erhalten.
Verschiedenes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die ab 1965 errichtete Überquerung des Platzes war die erste Hochstraße der DDR.
- Nach Horst Sindermann, von 1963 bis 1971 Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Halle, wurde die Hochstraße im Volksmund als Sindermann-Buckel bezeichnet.
- Der Platz und das auf ihm stehende Denkmal war eines der Motive der 30-Pfennig-Marke der Dauerbriefmarkenserie Aufbau in der DDR.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johann Christoph von Dreyhaupt: Pagus Neletici et Nudzici, oder Ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stifft, nunmehr aber durch den westphälischen Friedens-Schluß secularisirten Hertzogthum Magdeburg gehörigen Saal-Creyses, und aller darinnen befindlichen Städte, Schlössen, Aemter, Rittergüter, adelichen Familien, Kirchen, Clöster, Pfarren und Dörffer, insonderheit der Städte Halle, Neumarckt, Glaucha, Wettin, Lobejün, Cönnern und Alsleben. 2 Bände. Waisenhaus Verlag, Halle 1755.
Digitalisate der ULB Sachsen-Anhalt, Halle. - Erik Neumann: Der Riebeckplatz – Metamorphosen eines Stadtraumes. In: Werner Freitag, Katrin Ranft, Andreas Minner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Halle. Band 2. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2006, ISBN 3-89812-383-9, S. 432–441.
- Erik Neumann: Wo einst der Galgen stand – zur Bau- und Häusergeschichte des Riebeckplatzes. In: Ralf Jacob (Hrsg.): Jahrbuch für hallische Stadtgeschichte 2003. Verlag Janos Stekovics, Dößel 2003, ISBN 3-89923-044-2, S. 97–106.
- Katja Reindel: Der Riebeckplatz. In: Angela Dolgner (Hrsg.): Historische Plätze der Stadt Halle an der Saale. (= Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte). Band 11. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2007, ISBN 978-3-89812-495-9, S. 222–251.
- Christian Gottlieb August Runde: Rundes Chronik der Stadt Halle 1750–1835. Gebauer Schwetschke Verlag, Halle 1933, S. 379–385 (Nachdruck).
- Siegmar Baron von Schultze-Galléra: Topographie oder Häuser- und Strassen-Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale. Band 1. Wilhelm Hendrichs, Halle 1920, S. 172–187.
- Nachdruck: Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2018, ISBN 978-3-95966-305-2.
- Siegmar Baron von Schultze-Galléra: Das mittelalterliche Halle – Von der Gründung der Stadt bis zur Entwicklung des städtischen Rates. (= Geschichte der Stadt Halle. Band 1). Heimat-Verlag für Schule und Haus, Halle 1925, DNB 368183491.
- Nachdruck: Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2016, ISBN 978-3-95966-122-5.
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Unsere Boulevards – Der Riebeckplatz in Halle. Dokumentarfilm, Deutschland, 2017, 29:53 Min., Buch und Regie: Anja Walczak und Sven Stephan, Produktion: MDR, Reihe: Der Osten – Entdecke, wo du lebst, Erstsendung: 29. August 2017 bei MDR Fernsehen, Inhaltsangabe von MDR, ( vom 17. April 2018 im Internet Archive).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ „Zukunftszentrum“ im Osten: Halle wird Transformationsstadt. In: Deutschlandfunk Kultur. 15. Februar 2023, abgerufen am 16. Februar 2023.
- ↑ Schultze-Galléra 1920, S. 182.
- ↑ Neumann 2006, S. 432.
- ↑ Runde 1933, S. 380.
- ↑ Runde 1933, S. 187.
- ↑ Runde 1933, S. 183.
- ↑ Runde 1933, S. 184.
- ↑ Runde 1933, S. 380.
- ↑ Runde 1933, S. 381.
- ↑ Schultze-Galléra 1920, S. 185.
- ↑ Aufzeichnung Roy Black zur Burgparty 1977, Bericht des DDR-Fernsehens
- ↑ dg.: Vier Fäuste für die Müllhalde. In: Die Welt, 24. Juli 2003, aufgerufen am 6. Mai 2020.
- ↑ Was sind uns die Hochhäuser am Riebeckplatz wert?
- ↑ IBA Stadtumbau 2010: Standort 1 – Riebeckplatz. Was sind uns die Hochhäuser wert? In: Stadt Halle, aufgerufen am 17. April 2018.
Koordinaten: 51° 28′ 42,8″ N, 11° 59′ 0,8″ O