Mumpsimpfstoff

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Das Mumpsvirus

Ein Mumpsimpfstoff ist ein Impfstoff gegen Infektionen mit dem Mumpsvirus.[1] Der Mumpsimpfstoff befindet sich auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation.[2]

1945 erfolgten erste Impfversuche mittels attenuierter Mumps-Lebendimpfstoffe durch John Franklin Enders und Karl Habel.[3] In den USA wurde erstmals 1969 ein anderer attenuierter Mumps-Lebendimpfstoff zugelassen und ersetzte einen weniger wirksamen inaktivierten Mumpsimpfstoff von 1948.[4] Dieser erste praktisch apathogen stabiler Mumpsimpfstoff wurde in der Arbeitsgruppe von Maurice Hilleman 1965 entwickelt.[3] Jeryl Lynn ist der Vorname von Hillemans Tochter und der Impfstamm wurde aus ihrem Rachen isoliert. Anschließend erfolgte die Attenuierung durch sieben Passagen in embryonierten Hühnereiern und zehn Passagen in CEF-Zellen. Diese Attenuierung wurde aufgrund von gelegentlich auftretender Parotitis als nicht ausreichend bewertet, weshalb durch eine weitere Attenuierung (level B) die Verträglichkeit erhöht wurde. Der Impfstamm Jeryl Lynn stellte sich später als eine Mischung von zwei verschiedenen Mumpsviren heraus,[5] von denen JL 1 an Verozellen und embryonale Hühnerzellen (chicken embryo fibroblast, CEF-Zellen) angepasst ist und JL 2 an embryonierte Hühnereier.[6] In Deutschland wurde diese Vakzine 1971 zugelassen.[3]

Der Leningrad-3-Impfstamm (L-3) wurde in den 1950er Jahren von Anatoli Alexandrowitsch Smorodinzew und Mitarbeitern durch Passagieren in Nierenzellen von Meerschweinchen und in embryonalen Zellen der japanischen Wachtel entwickelt und unter anderem in der UdSSR eingesetzt. Daraus wurde in Kroatien durch Passagieren in CEF-Zellen der Impfstamm L-Zagreb entwickelt, der in Jugoslawien und Indien verwendet wurde.[7] Der Urabe-Impfstamm wurde zuerst in Japan zugelassen[8] und später auch in Belgien, Frankreich und Italien verwendet. Der Rubini-Impfstamm wurde durch ��ber 30 Passagen entwickelt und in der Schweiz verwendet, besitzt jedoch eine geringere Impfwirkung und wird daher heute nicht mehr eingesetzt.[9]

Art und Gehalt der Mumpsimpfviren in den in Deutschland zugelassenen MMR- bzw. MMRV-Impfstoffen[10]
(ZKID50 = Zellkultur-Infektionsdosis 50 %)
Impfstoff Impfstamm Dosis
M-M-RVAXPRO Jeryl Lynn mind. 12.500 ZKID50
ProQuad mind. 20.000 ZKID50
Priorix-Tetra mind. 25.000 ZKID50
Priorix mind. 5000 ZKID50

Impfstämme heutiger attenuierter Mumpsviren sind z. B. der meistverwendete Impfstamm Jeryl Lynn sowie RIT 4385 (basierend auf Jeryl Lynn), Leningrad-3, L-Zagreb (basierend auf Leningrad-3), Hoshino und Urabe AM9.

Mumpsimpfstoffe sind heutzutage üblicherweise Bestandteil der Mehrfachimpfstoffe MMR-Impfstoff (zusammen mit einem Masernimpfstoff und einem Rötelnimpfstoff; Zulassung USA 1971[11] bzw. 1980 in Deutschland[12]) und MMRV-Impfstoff (zusätzlich mit einem Varicellaimpfstoff; Zulassung USA 2005[13] bzw. Deutschland 2006[12]). Ursprünglich gab es auch eine Kombinationsimpfung mit Masern (MM, z. B. MM Diplovax), in der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Kombinationsimpfung 1976[14] erstmals empfohlen (ab dem 2. Lebensjahr, ab 1980[15][16] eine breite Anwendung ab dem 15. Lebensmonat). Mittlerweile sind in Deutschland weder Mumps-Einzelimpfstoffe noch MM-Impfstoffe verfügbar.[17][18]

Die Wirksamkeit beträgt nach einer einmaligen MMR-Impfung etwa 64–66 %, nach einer 2-maligen Impfung sind etwa 83–88 % der Geimpften geschützt.[18] Sollten Geimpfte an Mumps erkranken, ist dort der Krankheitsverlauf leichter als im Vergleich zu nicht geimpften Personen.

Nach einer Impfung entstehen neutralisierende Antikörper, die vor einer erneuten Mumpsinfektion schützen. Mumpsviren (MuV) sind relativ wenig variabel,[19] alle Varianten gehören zum selben Serotyp. Nach einer Impfung besitzen etwa 78 % der Geimpften eine Immunität gegen das Mumpsvirus, nach einer zweiten Impfung etwa 88 %.[20] Die neutralisierenden Antikörper sind gegen die Oberflächenproteine des Mumpsvirus gerichtet,[21] F1 (synonym Hämagglutinin-Neuraminidase, HN) und F2, die zusammen ein Heterodimer namens F-Protein bilden. Die Epitope für neutralisierende Antikörper liegen auf dem F-Protein.[22] Im F-Protein gibt es eine Fluchtmutation an der Position 373, die zu einer zusätzlichen Glykosylierung führt, ebenso kann durch Mutation an Position 323 eine Glykosylierung entfernt werden.[22] Beim Impfstamm Jeryl Lynn JL5 wurden geringe Impfwirkungen auf Abweichungen in der Aminosäuresequenz des F-Proteins zurückgeführt.[23]

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Mumpsimpfstoffen umfassen Schmerzen an der Einstichstelle und eintägige grippeähnliche Symptome. In sehr seltenen Fällen kann eine Meningitis auftreten (1:227.000 beim Impfstamm Jeryl Lynn). Der Urabe-Impfstamm besitzt eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Meningitis (1:143.000 gegen 1:227.000 beim Impfstamm Jeryl Lynn).[24]

Es bestehen keine Sicherheitsbedenken gegen weitere MMR-Impfung(en) bei bestehender Immunität gegen eine der Komponenten („Überimpfen“), eine kombinierte Impfung führt auch nicht zu vermehrten unerwünschten Wirkungen.[25]

Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Immunsuppression.

Untersuchung eines embryonierten Hühnereis vor der Infektion

Die Herstellung von Mumpsimpfstoffen erfolgt in infizierten embryonierten Hühnereiern mit anschließender Virusisolierung. Eine Impfdosis enthält mehr als 103,7 bzw. 5000 TCID50 an Impfviren.

Ein Handelsname für Mumpsimpfstoffe war z. B. Mumpsvax. Es gibt keinen Mumps-Einzelimpfstoff mehr auf dem Markt; die Mumpsimpfung ist nur noch als Kombination Masern-Mumps-Röteln (MMR) oder Masern-Mumps-Röteln-Windpocken (MMRV) möglich.

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Einzelnachweise

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  1. Mumps virus vaccines. In: Weekly epidemiological record. Band 82, Nr. 7, 16. Februar 2007, S. 49–60, PMID 17304707 (who.int [PDF]).
  2. WHO Model List of EssentialMedicines. (PDF) World Health Organization, Oktober 2013, abgerufen am 22. April 2014.
  3. a b c Ulrich Heininger, Wolfgang Jilg: Mumps. In: Heinz Spiess, Ulrich Heininger, Wolfgang Jilg (Hrsg.): Impfkompendium. 8. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2015, ISBN 978-3-13-498908-3, S. 228.
  4. The Mumps Vaccine. In: Immunization, Vaccines and Biologicals. World Health Organization, März 1998, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. April 2006; abgerufen am 24. Mai 2006.
  5. G. Amexis et al.: Quantitative mutant analysis of viral quasispecies by chip-based matrix-assisted laser desorption/ ionization time-of-flight mass spectrometry. In: Proc Natl Acad Sci USA. Band 98, Nr. 21, 2001, S. 12097–12102, doi:10.1073/pnas.211423298, PMID 11593021, PMC 59774 (freier Volltext).
  6. G. Amexis et al.: Sequence diversity of Jeryl Lynn strain of mumps virus: quantitative mutant analysis for vaccine quality control. In: Virology. Band 300, Nr. 2, 2002, S. 171–179, doi:10.1006/viro.2002.1499, PMID 12350348.
  7. M. Beck et al.: Mumps vaccine L-Zagreb, prepared in chick fibroblasts. I. Production and field trials in Journal of Biological Standardization, Band 17, Heft 1, 1989, S. 85–90. PMID 2646300.
  8. Y. Okuno et al.: Studies on the use of mumps virus for treatment of human cancer. In: Biken Journal. Band 21, Heft 2, 1978, S. 37–49. PMID 749908.
  9. BAG-Bulletin. (PDF) In: Bundesamt für Gesundheit. 25. März 2019, S. 21, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  10. Erhöhtes Fieberkrampfrisiko nach Masern-MumpsRöteln-Varizellen-Impfung. (PDF) In: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. BfArM, Juni 2011, S. 14, abgerufen am 22. Dezember 2021.
  11. Vaccine Timeline. Abgerufen am 10. Februar 2015.
  12. a b Diskussion um die Masernimpfung. In: Arznei-Telegramm. 2013, abgerufen am 29. Mai 2020.
  13. Deborah Mitchell: The essential guide to children’s vaccines. St. Martin’s Press, New York 2013, ISBN 978-1-4668-2750-9, S. 127 (google.ca).
  14. STIKO, Robert Koch-Institut (Hrsg.): STIKO-Empfehlungen 1976. 1. August 1976 (rki.de [abgerufen am 4. April 2020]).
  15. STIKO, Robert Koch-Institut (Hrsg.): STIKO-Empfehlungen 1980. 1. September 1980 (rki.de [abgerufen am 4. April 2020]).
  16. Impfempfehlungen im Überblick. (PDF) RKI, 13. Dezember 2018, abgerufen am 4. April 2020.
  17. Mumps-Impfstoffe. Paul-Ehrlich-Institut, 22. Mai 2020, abgerufen am 4. Juni 2020.
  18. a b Impfungen A–Z – Schutzimpfung gegen Mumps: Häufig gestellte Fragen und Antworten. RKI, 20. April 2017, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  19. J. Ivancic-Jelecki, M. Santak, D. Forcic: Variability of hemagglutinin-neuraminidase and nucleocapsid protein of vaccine and wild-type mumps virus strains. In: Infect Genet Evol., 2008, Band 8, Heft 5, S. 603–613. doi:10.1016/j.meegid.2008.04.007. PMID 18508415.
  20. Mumps – Vaccination. In: cdc.gov. 29. Mai 2015, abgerufen am 23. November 2017 (englisch).
  21. U. Kulkarni-Kale et al.: Mapping antigenic diversity and strain specificity of mumps virus: a bioinformatics approach. In: Virology, 2007, Band 359, Heft 2, S. 436–446. PMID 17081582.
  22. a b M. Şantak, C. Örvell, T. K. Gulija: Identification of conformational neutralization sites on the fusion protein of mumps virus. In: Journal of General Virology, 2015, 96, S. 982, doi:10.1099/vir.0.000059. PMID 25614584.
  23. E Jane Homan, Robert D Bremel: Are cases of mumps in vaccinated patients attributable to mismatches in both vaccine T-cell and B-cell epitopes? In: Human Vaccines & Immunotherapeutics, 2014, 10, S. 290; doi:10.4161/hv.27139. PMID 24275080.
  24. G. Amexis, N. Fineschi, K. Chumakov: Correlation of genetic variability with safety of mumps vaccine Urabe AM9 strain. In: Virology, 2001, Band 287, Heft 1, S. 234–41; doi:10.1006/viro.2001.1009. PMID 11504558.
  25. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut:Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung. In: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin. Nr. 2, 9. Januar 2020, S. 3–22 (rki.de [PDF]).