Ludwig Reiners

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Das Grab von Ludwig Reiners und seiner Ehefrau Hilde auf dem Waldfriedhof (München)

Ludwig Reiners (* 21. Januar 1896 in Ratibor; † 10. August 1957 in München) war ein deutscher Kaufmann und Schriftsteller.[1][2]

Reiners war der Sohn eines Zigarrenfabrikanten. Auf dem Gymnasium in Ratibor legte er 1914 sein Abitur ab und nahm danach als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Nach Kriegsende studierte er an den Universitäten in Breslau und München Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre. 1920 wurde er in Würzburg mit einer Arbeit über die wirtschaftlichen Maßnahmen der Münchner Räterepublik promoviert und durfte fortan die akademischen Titel Dr. jur. Dr. rer. pol. führen.

1921 begann Reiners in der Stellung des Börsenvertreters der Deutschen Bank eine Laufbahn als Kaufmann und wurde später Direktionsassistent in der Schwerindustrie bei den Deutschen Werken sowie Holzhändler auf dem Balkan als Prokurist eines Schweizer Holzkonzerns. 1939 beschäftigte er den jungen Ducci Mesirca, den späteren Geschäftsführer von Schloss Elmau.[3] Zuletzt war er über 25 Jahre – auch während des Zweiten Weltkrieges, aber unterbrochen durch eine Zeit als Landarbeiter nach der Kapitulation 1945 – Verkaufsdirektor der Münchner Garnfabrik Richard Jung.[1][2] 1957 starb er nach kurzer schwerer Krankheit.

Reiners wuchs gleichermaßen im Bannkreis Preußens wie der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihrer Atmosphäre auf, die er in seiner Darstellung über Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkrieges In Europa gehen die Lichter aus schildert.

Mit der Mitgliedsnummer 1.725.612 wurde Reiners 1933 in die NSDAP aufgenommen.[4]

In der Zeit der Weltwirtschaftskrise begann er, wirtschaftswissenschaftliche Lehrbücher und Einzeluntersuchungen zu veröffentlichen (Die wirkliche Wirtschaft, eine Einführung in die Volkswirtschaftslehre in Frage und Antwort, 1930). Daran schlossen sich Bücher über innerliche Fragen, die deutsche Literatur und die Geschichte Englands und Deutschlands.

Nach dem Krieg brachte Reiners schnell nacheinander den größten Teil seiner Bücher auf den Markt. Ferner schrieb er f��r den Stilduden ein Vorwort.

Mit seiner ersten Frau Lotte hatte er einen Sohn und eine Tochter. Er war mit ihr bis zu ihrem Tod 1947 verheiratet. 1951 heiratete er die 26-jährige Malerin Hilde Wielandt, die beiden hatten drei Söhne.[1]

1943 erschien Reiners’ Buch Deutsche Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. Es enthält nicht nur ein Panoptikum des guten und schlechten Stils, sondern Reiners stellt dem Leser auch Aufgaben, etwa zur Beschreibung von Gegenständen oder Rückübersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche. Aus der 30. Auflage (1922) von Eduard Engels gleichnamigem Buch[5] übernahm Reiners die Struktur, lange wörtliche Passagen und zahlreiche Beispiele; er stellte sogar Engels persönliche Erlebnisse als eigene dar. Das Ausmaß dieser Übernahmen wird aus Reiners’ Quellenangabe nicht klar, die unter „Anmerkungen“ wörtlich lautet: „Einige Beispiele, namentlich für missglückte Sätze, sind nachstehenden Büchern entnommen.“ Es folgt eine Liste von 23 Werken, u. a. Engels Deutsche Stilkunst.

Stefan Stirnemann bezeichnete deshalb Reiners’ Buch als Plagiat und schrieb dazu:[6][7][4]

„Reiners übernahm von Eduard Engel bewußt und nach Plan die Auffassung von Stil und Stillehre, die Begriffe und zahllose Beispiele aus schöner und Fachliteratur. Darüber hinaus stahl er ihm treffende Beobachtungen und kräftige Sätze und äffte recht eigentlich Engels Haltung nach: die überlegene Haltung des Kenners. […] Möglich war der Betrug nur im Dritten Reich. Einerseits waren Engels Schriften ohne Rechtsschutz, andererseits durfte Reiners annehmen, daß sie, in Fraktur gedruckt, umso schneller vergessen würden, da der ‚Führer‘ 1941 die Umstellung auf Antiqua verfügt hatte. Er konnte also zuversichtlich das erfolgreiche Buch Eduard Engels – das Wort drängt sich auf: arisieren.“

Der mit Reiners befreundete Dichter Eugen Roth empfahl Reiners’ Buch. Er lobte Reiners für seinen „Reichtum an Wissen“, für den „überlegene[n] Witz seines Vortrages“, für sein „ausgezeichnetes Buch“. Jedoch nannte er ihn auch einen „Feierabend- und Sonntagsschreiber“, dessen Stilkunst „aus mindestens so vielen eigenen wie fremden Quellen gespeist“ sei.

Der Spiegel widmete am 22. August 1956 Reiners seine Titelgeschichte, sein Foto war auf der Titelseite.[8]

Weitere Veröffentlichungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seiner Abhandlung Steht es in den Sternen? – Eine wissenschaftliche Untersuchung über Wahrheit und Irrtum der Astrologie von 1951 sammelte Reiners alles, was sich gegen Sinn und Wahrheit der Astrologie sagen lässt.[1] Auf Ludwig Reiners geht wahrscheinlich auch der manchmal Rudolf Kippenhahn zugeschriebene Ausspruch „Die Sterne lügen nicht – sie schweigen!“ zurück.[9]

In Europa gehen die Lichter aus ist eine Chronik der Fehler, die zum Ersten Weltkrieg und zur Niederlage der Mittelmächte und zur Auflösung des Deutschen Kaiserreiches führten.[1]

Friedrich ist eine Biografie des preußischen Königs Friedrich II., die sein Leben von der Jugend bis zu seinem Tod darstellt.[1]

Überdies schrieb Reiners eine Biografie Otto von Bismarcks, wobei er viele Originalzitate einarbeitete. Bevor Reiners starb, konnte er nur zwei Bände vollenden, Bismarcks Aufstieg 1815–64 (1956) und Bismarck gründet das Reich 1864–1871 (1957), so dass die Biografie unvollendet blieb.[10]

Bekannt ist vor allem Reiners’ Anthologie Der ewige Brunnen, für die Reiners nach eigener Aussage die Gedichte ausgesucht hat, „die ein normaler Mensch gern liest“.[1] Die Jubiläumsausgabe 2005 ist von Albert von Schirnding grundlegend überarbeitet worden, wobei ungefähr ein Viertel der enthaltenen Gedichte ausgetauscht wurden.[11] Eine Neuausgabe erfolgte 2023 durch Dirk von Petersdorff, der etwa die Hälfte der Gedichte ersetzt und die Sammlung ins 21. Jahrhundert bis hin zu Element of Crime fortgeführt hat.[12]

  • Die wirkliche Wirtschaft. 2 Bände. 1932/33.
  • Fontane oder Die Kunst zu leben. 1939.
  • Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 1943, verbesserte Neuauflage Beck, München 1951, ISBN 3-406-34985-4.
  • Sorgenfibel oder: Über die Kunst, durch Einsicht und Übung seiner Sorgen Meister zu werden. Beck, München 1948 (Becksche Reihe) ISBN 3-406-32981-0.
  • Fibel für Liebende – zugleich eine Anleitung, verheiratet und doch glücklich zu sein. 1950.
  • Roman der Staatskunst. Leben und Leistung der Lords. C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1951, ISBN 3-406-02128-X.
  • Steht es in den Sternen? Eine wissenschaftliche Untersuchung über Wahrheit und Irrtum der Astrologie. 1951.
  • Der sichere Weg zum guten Deutsch. Eine Stilfibel. C. H. Beck, München 1951 (von 1959 an erschienen unter dem Titel Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch).
  • Friedrich. C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1952, ISBN 3-423-10599-2 (Werk zu Friedrich II. von Preußen, genannt der Große).
  • Wir alle können besser leben. 1953.
  • Fräulein, bitte zum Diktat. Paul List Verlag, München 1953, ISBN 3-471-60014-0.
  • In Europa gehen die Lichter aus. Der Untergang des Wilhelminischen Reiches. dtv 1699, München 1981 (Erstausgabe: Beck, München 1954), ISBN 3-423-01699-X.
    • auf Englisch 1955 erschienen (The lamps went out in Europe, Meridian Books)
  • Der ewige Brunnen. Ein Volksbuch deutscher Dichtung. C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1955, ISBN 978-3-406-53638-0 (Jubiläumsausgabe, aktualisiert u. erweitert v. Albert von Schirnding, München 2005[13]).
  • Die Kunst der Rede und des Gesprächs. Paul List Verlag, München 1955, ISBN 3-7720-0221-8.
  • Die Sache mit der Wirtschaft. Briefe eines Unternehmers an seinen Sohn. 1956, ISBN 3-471-60082-5.
  • Wer hat das nur gesagt? 1956 (Zitatenlexikon).
  • Bismarcks Aufstieg 1815–64. C.H. Beck, München 1956, ISBN 3-423-01573-X.
  • Bismarck gründet das Reich, 1864–1871. C.H. Beck, München 1957, ISBN 3-423-01574-8.
  • Verdienen wir zu wenig? 1957.
  • Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch. C. H. Beck, München 1959 (erstmals 1951 erschienen unter dem Titel Der sichere Weg zum guten Deutsch. Eine Stilfibel).
  • Reiners, Ludwig. In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Band 8: Poethen–Schlüter. De Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-094025-1, S. 287 (books.google.de – eingeschränkte Ansicht).
  • Heidi Reuschel: Tradition oder Plagiat? Die „Stilkunst“ von Ludwig Reiners und die „Stilkunst“ von Eduard Engel im Vergleich (= Bamberger Beiträge zur Linguistik Band 9). University of Bamberg Press, Bamberg 2014, ISBN 978-3-86309-284-9 (Dissertation Universität Bamberg 2014, 512 Seiten, nbn-resolving.de).
  • Zweierlei Garn. DER SPIEGEL 34/1956 (entspricht Zum Schreiben ist der Sonntag da auf der Titelseite des Spiegels)
  • Martin Doerry: Plagiate - Kräftig arisiert. Der Spiegel, 20. April 2019, S. 114–115.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f g Zweierlei Garn. In: Der Spiegel. Nr. 34, 1956, S. 32 (online22. August 1956).
  2. a b Ludwig Reiners im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Nachruf Ducci Mesirca
  4. a b Zum Thema umfassend die Dissertation von Heidi Reuschel: Tradition oder Plagiat? Die ‚Stilkunst‘ von Ludwig Reiners und die ‚Stilkunst‘ von Eduard Engel im Vergleich, Bamberger Beiträge zur Linguistik 9, Bamberg 2014 (abgerufen am 15. November 2015); aus dem Vorwort des Doktorvaters Helmut Glück, Seite 15: „Der Gegenstand dieses Buches ist ein böser Plagiatsvorwurf, der immer wieder erhoben (und mitunter ungeprüft nachgebetet), aber bisher nicht gründlich untersucht wurde.“
  5. Digitalisat bei archive.org
  6. Stefan Stirnemann: Ein Betrüger als Klassiker. Eduard Engels „Deutsche Stilkunst“ und Ludwig Reiners (Memento vom 3. September 2006 im Internet Archive) (PDF-Datei, 75 kB), Kritische Ausgabe 12, 2004, S. 48–50. – Vgl. auch Stirnemanns Artikel „Diebstahl am ‚höchsten Seelengut‘. Das nationalsozialistische Plagiat einer ‚Deutschen Stilkunst‘ hält sich bis heute in den Regalen der Buchhandlungen“, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Nr. 194, 23. August 2014, S. 28.
  7. Stefan Stirnemann: Deutsche Stilkunst – das gestohlene Lebenswerk. In: Eduard Engel: Deutsche Stilkunst. Nach der 31. Auflage von 1931. Mit einem Vorwort bereichert von Stefan Stirnemann. Zwei Bände. Die andere Bibliothek, Berlin 2016, ISBN 978-3-8477-0379-2.
  8. Zum Schreiben ist der Sonntag da, Der Spiegel, 22. August 1956.
  9. Franz Krojer: Die Sterne lügen nicht,- sie schweigen - Rudolf Kippenhahn?, in: Stromata, München 2020, S. 42, online verfügbar
  10. Reiners, Ludwig. In: Ostdeutsche Biografie (Kulturportal West-Ost)
  11. Süddeutsche Zeitung: Alle Stimmungen des Daseins, rezensiert von Jörg Drews am 29-11-2005
  12. Börsenblatt: "Songtexte sind oft die erste Berührung mit Lyrik" Interview mit Dirk von Petersdorff vom 13-01-2023
  13. Für jede Gelegenheit ein passendes Gedicht Deutschlandradio Kultur vom 10. Februar 2006