Grafikfähiger Taschenrechner

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TI-89, Grafikrechner mit CAS

Ein grafikfähiger Taschenrechner (kurz Grafikrechner oder GTR) ist eine tragbare Rechenmaschine, die in der Regel ein höher auflösendes Display als konventionelle Taschenrechner aufweist und mehrzeilige Ein- und Ausgaben sowie die Darstellung von einfachen Grafiken (zum Beispiel Funktionsgraphen oder Diagramme) unterstützt. Einige Modelle sind inzwischen mit einem hintergrundbeleuchteten Farbdisplay ausgestattet. Im Regelfall sind Grafikrechner darüber hinaus programmierbar. Seit einigen Jahren bereits sind höherwertige Modelle mit Flash-ROM-Speichern ausgestattet, wodurch ihr Betriebssystem aktualisiert und zusätzliche Software aufgespielt werden kann.

Grafikrechner werden im Regelfall, d. h. von den Herstellern und hinsichtlich Prüfungsvorschriften von den Kultusministerien, in die folgenden Gruppen eingeteilt:

  • Numerisch-grafische Taschenrechner bzw. Grafikrechner im engeren Sinne (kurz: GTR) arbeiten rein numerisch, d. h., die Lösungen von Gleichungen, Ableitungen von Funktionen usw. werden allein mit numerischen Verfahren bestimmt und als Näherungswerte innerhalb der Rechengenauigkeit des Rechners ausgegeben.
  • Symbolisch-grafische Taschenrechner (kurz: SGTR) oder Computeralgebra-Taschencomputer (kurz: CA-TC) rechnen hingegen symbolisch, können also algebraisch Gleichungen lösen, Ableitungsfunktionen bestimmen, Stammfunktionen ermitteln usw. Klassisches Beispiel: TI-92.
  • Neueste Modelle wie z. B. TI-Nspire CAS bieten über die Computeralgebra-Funktionalität hinaus auch noch dynamische Geometrie, Tabellenkalkulation, dynamische Statistik, mathematisch aktive Worksheets und Schnittstellen zu Messwerterfassungssystemen.

Hersteller und bekannte Modelle

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Hersteller Modelle ohne CAS (GTR) Modelle mit CAS (SGTR)
Casio Casio CG 20, Casio 9860G II, Casio 9750 G II Classpad 330 Plus, Casio FX 2.0 Plus
Hewlett-Packard HP 39GII HP Prime
Sharp EL-9900G SII keine
Texas Instruments TI-Nspire (CX), TI-84 Plus TI-89 Titanium, Voyage 200, TI-Nspire (CX)CAS

Grafikrechner in der Schule in Deutschland

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Der erste Grafikrechner, der Casio fx-7000G, wurde 1985 produziert. In Deutschland werden verschiedene Aspekte des Einsatzes von Grafikrechnern im Unterricht seit 1991 evaluiert. Eine erste große Evaluation wurde von 1991 bis 1996 in Sachsen-Anhalt durchgeführt.[1]

Aktuelle Modellversuche, die aufgrund der großen Zahl teilnehmender Schüler (über 1.000) und der langen Dauer (über fünf Jahre) bedeutsam sind, sind z. B. CALiMERO[2] in Niedersachsen oder M3-Modellversuch Medienintegration im Mathematikunterricht[3][4] in Bayern.

Curriculare Situation und Zulassung in Unterricht und Prüfung in Deutschland

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Im Rahmen der pädagogischen Freiheit obliegt es der jeweiligen Lehrkraft, über den Einsatz von Grafikrechnern im Unterricht zu entscheiden. In den Lehrplänen vieler Bundesländer sind Grafikrechner als Hilfsmittel explizit genannt, teilweise ist ihre Verwendung verbindlich vorgeschrieben wie z. B. in Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Sachsen.

In Nordrhein-Westfalen ist der Einsatz von Grafikrechnern ab dem Schuljahr 2014/15 in der gymnasialen Oberstufe verpflichtend.[5]

Hinsichtlich des Einsatzes in Prüfungen gibt es zumindest für zentral gestellte Prüfungen, z. B. Abitur, bundeslandspezifische Regelungen.[6]

In Baden-Württemberg ist der Einsatz von Grafikrechnern ab dem Abitur 2017 (berufliche Gymnasien) bzw. 2019 (allgemeinbildende Gymnasien) verboten.[7]

Didaktisch-methodische Überlegungen

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In zahlreichen nationalen und internationalen Studien[8] wurden die Einflüsse von Grafikrechnern mit oder ohne Computeralgebra auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler untersucht. In diesen Studien wurden auch verschiedene Gelingensbedingungen für den Einsatz von GTR in Unterricht und Prüfung genannt.[9]

Neben den Möglichkeiten der Veranschaulichung mathematischer Zusammenhänge (Stichwort: The Power of Visualization)[10] werden in der Literatur u. a. folgende didaktische Ideen diskutiert:

  • Whitebox-Blackbox-Prinzip und Blackbox-Whitebox-Prinzip:[11] Im Unterricht wechseln sich Phasen der Verwendung eines Hilfsmittels ab. In der Blackbox-Phase wird eine gegebene Funktion des Hilfsmittels verwendet, ohne diese zu hinterfragen. In der Whitebox-Phase wird diese spezifische Funktion untersucht. Beispiel: Whitebox-Phase = Entwicklung eines Begriffes oder Algorithmus; Blackbox-Phase = Anwendung der zuvor entwickelten Konzepte und Algorithmen auf praktische Probleme oder zur Entwicklung höher mathematischer Kompetenzen.
  • Gerüstmethode:[12] Schüler können sich auf das Erlernen fortgeschrittener mathematischer Kompetenzen konzentrieren, insbesondere auch dann, wenn einige der vorausgesetzten Fertigkeiten noch nicht oder nicht ausreichend beherrscht werden.
  • Modul-Prinzip oder Baustein-Prinzip:[13] Zusammenfügen von Wissenseinheiten zur kognitiven Entlastung z. B. von Routineaufgaben.
  • Window-Shuttle-Technik:[14] Erreichung eines tieferen Verständnisses durch den Wechsel zwischen verschiedenen prototypischen Darstellungen.
  • Rule of the Three:[15] Jedes mathematische Problem sollte gleichberechtigt grafisch, numerisch und analytisch betrachtet werden.
  • Multiple Repräsentationen:[16] Erweiterung der Rule of the Three und Zusammenführung mit der Window-Shuttle-Technik um geometrische, sprachliche und gegebenenfalls weitere Dimensionen.
  • Drei-Säulen-Modell:[17] Der Grafikrechner als Rechen-, Lehr- und Lernwerkzeug.

Kontroverse Diskussion um die verpflichtende Einführung der GTR in NRW

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In Nordrhein-Westfalen hat der Erlass „Gebrauch von graphikfähigen Taschenrechnern im Mathematikunterricht der gymnasialen Oberstufe und des Beruflichen Gymnasiums“ vom 27. Juni 2012 zu einer kontroversen Diskussion geführt.[18]

Als Reaktion auf die vielfache Kritik des Erlasses ist am 10. April 2014 ein Ergänzungserlass „Gebrauch eines Computer-Algebra-Systems (CAS) auf Tablets, Laptops und Computern im Mathematikunterricht und in Prüfungen der gymnasialen Oberstufe und des Beruflichen Gymnasiums“ veröffentlicht worden.

Derzeit (Stand Februar 2015) besteht in Nordrhein-Westfalen seit dem Ergänzungserlass[19] vom 10. April 2014 die paradoxe Situation, dass unter den im Ergänzungserlass genannten Bedingungen in der gymnasialen Oberstufe Tablets mit CAS-Software an Schulen erlaubt sind, aber Tablets, die dem klassischen GTR entsprechen, nicht zugelassen sind. An Weiterbildungs- und Berufskollegs sind Tablets sowohl mit CAS- als auch mit GTR-Software erlaubt, sofern die Bestimmungen des Ergänzungserlasses eingehalten werden.

Einzelnachweise

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  1. Journal für Mathematikdidaktik, 1995, S. 193–232
  2. CALiMERO (Memento vom 1. April 2007 im Internet Archive) Website der begleitenden Universität
  3. M3-Modellversuch Medienintegration im Mathematikunterricht Website der begleitenden Universität
  4. M3-Modellversuch Medienintegration im Mathematikunterricht@1@2Vorlage:Toter Link/m3-bayern.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven) Website des Projektes
  5. Verbindliche Einführung grafikfähiger Taschenrechner (Memento vom 14. Juni 2014 im Internet Archive) Website zur Einführung von GTR in NRW
  6. Zentralabitur mit CAS – Stand und Perspektiven (Memento vom 28. Januar 2016 im Internet Archive), T3 Deutschland, 2008
  7. Renate Allgöwer: Verbot zum Abitur bleibt bestehen, Stuttgarter Zeitung, 31. August 2016, abgerufen am 9. Februar 2017
  8. B. Barzel: Expertise zum Einsatz von Computeralgebrasystemen (CAS) im Mathematikunterricht in Thüringen. (PDF; 1,16 MB) S. 22–49
  9. B. Barzel: Expertise zum Einsatz von Computeralgebrasystemen (CAS) im Mathematikunterricht in Thüringen. (PDF; 1,16 MB) S. 50–59
  10. B. Waits, F. Demana: Graphing Calculator Intensive Calculus: A First Step in Calculus Reform for All Students. (Memento vom 20. Juli 2011 im Internet Archive)
  11. B. Buchberger: Why Should Students Learn Integration Rules? RISC-Linz Technical Report no. 89-7.0. Linz, Austria: University of Linz
  12. B. Kutzler: Technologie und das Yin & Yang des Lehrens und Lernens von Mathematik. ISBN 978-3-901769-84-9
  13. H. Heugl, W. Klinger, J. Lechner: Mathematiklehren und -lernen mit Computeralgebra-Systemen. (PDF; 2,43 MB) S. 148 ff.
  14. H. Heugl, W. Klinger, J. Lechner: Mathematiklehren und -lernen mit Computeralgebra-Systemen. (PDF; 2,43 MB) S. 162 ff.
  15. H. Knechtel, W. Weiskirch et al.: Computeralgebrasysteme im Mathematikunterricht des Sekundarbereichs II. (PDF; 5,71 MB) NLI-Berichte 64
  16. K.Stacey: Didaktische Landkarte zur Beschreibung von technologiegestütztem Lehren.@1@2Vorlage:Toter Link/www.sharinginspiration.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven) (PDF; 692,4 kB)
  17. E. Bichler: Explorative Studie zum langfristigen Taschencomputereinsatz im Mathematikunterricht. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-5306-4.
  18. Neue Runde im NRW-Edel-Rechnerstreit. news4teachers.de
  19. Ergänzungserlass zur verbindlichen Einführung von graphikfähigen Taschenrechnern im Hinblick auf die Nutzung von Computer-Algebra-Systemen. (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive) schulministerium.nrw.de