Dammschnitt
Ein Dammschnitt (oder eine Episiotomie, auch Scheidendammschnitt oder Perineotomie genannt) ist das Einschneiden des Dammes in Richtung After der Frau oder anderer weiblicher Säugetiere bei der Geburt, um die Geburtsdauer gegen Ende der vaginalen Entbindung zu verkürzen und damit der Gefahr der Asphyxie des Ungeborenen zu begegnen, beispielsweise im Falle einer Steißgeburt, sowie zur Vermeidung einer drohenden Hautzerreißung. Dammschnitte werden üblicherweise während einer Presswehe mit einer Schere gesetzt. Bei der vorausgehenden Presswehe kann ein Lokalanästhetikum injiziert werden, so dass die Frau den Schnitt nicht spürt. Die Wunde wird nach der Geburt unter örtlicher Betäubung genäht.
Indikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Dammschnitt in der Austreibungsphase (2. Wehenstadium) stellt eine häufige Maßnahme bei der Geburt dar. Mögliche Indikationen sind:[1][2]
- Frühgeborene
- Entbindung aus Beckenendlage
- Anzeichen auf fetalen Stress
- Genitalverstümmelungen, denn Narbengewebe kann sich nicht dehnen und die Öffnung wäre somit ggf. zu klein
Ausführung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dammschnitte werden in drei verschiedene Richtungen ausgeführt:
- Die medianen Episiotomie wird entlang der Mittellinie, der Raphe perinei (Perineum) auf den After zu geschnitten. Die Wunde hat gegenüber den anderen Varianten die besten Heilungsaussichten. Es kann jedoch vorkommen, dass bei einer weiteren Überdehnung der Schnitt zum After weiterreißt, was zu Inkontinenz führen kann.
- Die mediolaterale Episiotomie wird ausgehend vom Mittelpunkt im 45°-Winkel vorgenommen und kann wegen der fehlenden Begrenzung durch den After länger geführt werden, was zu einem höheren Raumgewinn führt.
- Die laterale Episiotomie wird im 45°-Winkel ausgeführt, jedoch etwa 2 cm von der Mitte versetzt. Wegen der erheblichen Zerstörung umgebenden Gewebes und langer, schmerzhafter Heilung wird diese nicht mehr durchgeführt.
Vor- und Nachteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Dammschnitt wird als geboten angesehen, um einen langen Geburtsvorgang zu verkürzen, beispielsweise im Falle einer Steißgeburt oder bei vaginal-operativen Geburten wie Vakuum- oder Zangengeburt. Der Dammschnitt verringert die Druckbelastung auf den Kopf des Kindes. Im Bedarfsfall kann man den Schnitt auch ohne Gefahr für den Schließmuskel am After verlängern. Mit einem Dammschnitt kann man einem tiefen Dammriss vorbeugen.
Ein Nutzen für die Neugeborenen und als Bestandteil des Damm- und Beckenschutzes ist nur für bestimmte Indikationen durch klinische Studien belegt. Notlagen des Ungeborenen im Geburtskanal, ein sehr hoher straffer Damm, vaginal operative Geburtsbeendigung oder eine Frühgeburt sind häufige medizinische Gründe.
Ein Nutzen eines Routinedammschnittes für die Mutter konnte nicht nachgewiesen werden. Die WHO sieht keine Rechtfertigung für einen routinemäßig durchgeführten Dammschnitt. Nach einer Studie gibt es keine Belege, dass ein Routinedammschnitt die Häufigkeit von Beschwerden nach der Geburt verringern kann (“Evidence does not support maternal benefits traditionally ascribed to routine episiotomy.”). Dagegen wird auf den Nachteil hingewiesen, dass bei nicht durchgeführter Episiotomie ggf. überhaupt keine oder geringere Geburtsverletzungen aufgetreten wären. (“In fact, outcomes with episiotomy can be considered worse since some proportion of women who would have had lesser injury instead had a surgical incision.”). Ein Dammschnitt ohne medizinische Erfordernis hat, wenn überhaupt, nur geringen Nutzen. Ein Dammschnitt kann unter Umständen nach der Geburt selten auch schwere Beeinträchtigungen im Scheiden- und Afterbereich nach sich ziehen. Manche Gynäkologen messen dem Dammschnitt eine präventive Wirkung hinsichtlich der Gefahr einer späteren Gebärmuttersenkung oder Scheidensenkung (Descensus genitalis) bei, dies konnte bisher allerdings durch keine der hierzu durchgeführten Studien belegt werden. Dem Risiko solcher Geburtsfolgen wirkt man heute durch Beckenbodentraining und Rückbildungsgymnastik entgegen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- K. Hartmann, M. Viswanathan, R. Palmieri, G. Gartlehner, J. Thorp Jr, K. N. Lohr: Outcomes of routine episiotomy: a systematic review. In: JAMA. Band 293, Nummer 17, 4. Mai 2005, S. 2141–2148, PMID 15870418.
- C. Dannecker, C. Anthuber, H. Hepp: Die Episiotomie. Grenzen, Indikationen und Nutzen. In: Der Gynäkologe. 12/2000. doi:10.1007/s001290050655.
- G. Nitsche: Einfluss der restriktiven Indikationsstellung zur Episiotomie bei drohender Dammruptur auf Harnkontinenz, Dyspareunie und auf urodynamische Parameter bei Primiparae 6-12 Monate postpartal. Eine prospektive und randomisierte Studie. Dissertation. 2005. (Link).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- WHO, Regional Office for Europe: Joint Interregional Conference on Appropriate Technology for Birth. (Link)
- Wiebke Rögener: Unfug im Kreißsaal In: Süddeutsche Zeitung vom 25. Oktober 2007. Link ( vom 4. April 2008 im Internet Archive)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Sönke Müller: Memorix Notfallmedizin (= Memorix.). 9., aktualisierte Auflage, Thieme, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-13-139939-7.
- ↑ Intrapartum care for healthy women and babies | Guidance and guidelines | NICE. Abgerufen am 4. Februar 2019.