Anosmie
Anosmie (griechisch ἀν- an- [Verneinungspartikel, Alpha privativum]; ὀσμή osmē ‚Geruch‘) ist eine Riechstörung, die das Fehlen oder den Verlust (Riechverlust) des Geruchssinns bezeichnet.
Ursachen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Fehlen der Riechwahrnehmung kann verschiedene Ursachen haben. Störungen können im Bereich des olfaktorischen und des nasal-trigeminalen Systems vorliegen, je nachdem, ob der Nervus olfactorius (1. Hirnnerv) oder der Nervus trigeminus (5. Hirnnerv) betroffen ist.
Weitere Ursachen für das Fehlen des Geruchssinns können Virusinfektionen (zum Beispiel besonders bei COVID-19[1]), eine chronische Sinusitis, Obstruktionen der Riechwege durch Schwellung der Schleimhäute infolge einer Allergie, die Nebenwirkung von Medikamenten, Hirntumore, eine Depression sowie Schädel-Hirn-Traumata mit Abrissverletzung der Riechnerven sein. Eine Anosmie kann auch im Rahmen einer dissoziativen Störung (Dissoziation) auftreten. Symptomatisch tritt eine Anosmie bei Menschen mit dem Kallmann-Syndrom[2] auf.
Eine Anosmie tritt seltener auch als Frühsymptom neurodegenerativer Erkrankungen wie dem Morbus Parkinson auf. In seltenen Fällen ist die Anosmie auch angeboren.
Diagnose
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit einer Riechprüfung (Olfaktometrie) kann der Ort der Störung festgestellt werden. Bei der Riechprüfung wird der Nervus trigeminus beispielsweise mit Essigsäure gereizt. Relativ selektive Reizstoffe für den Nervus olfactorius sind Schwefelwasserstoff, Vanille oder Rosenduft (Phenylethylalkohol). Beide Nerven zusammen werden durch Kampfer, Menthol, Pfefferminze angeregt. Bei angeborener Anosmie wird die Störung oftmals erst spät diagnostiziert, da den betroffenen Menschen ihr Unvermögen, Gerüche oder bestimmte Geschmäcke wahrzunehmen, anfangs nicht auffällt.
Auswirkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Auswirkungen des Riechverlustes werden von Außenstehenden oft nicht erkannt oder als unwichtig herabgespielt. Der Geruchssinn wird im Vergleich zu anderen Sinnen als nebensächlich empfunden, die Folgen seines Fehlens nicht zur Genüge zur Kenntnis genommen.
Psychische Belastungen aufgrund plötzlicher Anosmie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Plötzliche Anosmie ist mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität verbunden. Sie kann ein Hinweis auf ernsthafte Erkrankungen (wie bei der Alzheimer-Krankheit) sein und geht einher mit zum Teil erheblichen psychischen Belastungen. Psychische Folgen umfassen Depressionen und fortwährende Angst vor unangenehmem Eigengeruch, da selbst nicht wahrgenommene Körpergerüche zu gesellschaftlicher Ausgrenzung des Betroffenen führen können.
Menschen mit angeborener Anosmie erleiden hiervon allenfalls die chronische Befürchtung von Eigengeruch, da sie das unbekannte Geruchserlebnis nicht vermissen.
Generelle Probleme durch Anosmie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für den Geschmack von Speisen und Getränken ist zum überwiegenden Teil der Geruchssinn verantwortlich, Menschen ohne diesen sind auf die fünf Grundgeschmäcke (süß, sauer, salzig, bitter, umami) beschränkt. Dies kann zu Fehl- oder Unterernährung führen. Die Motivation, etwas zu essen, kann bei plötzlichem Auftreten zurückgehen, oder es wird in beiden Fällen (angeboren und erworben) verstärkt salzige oder fettige Nahrung verspeist, um das Grundgeschmackserlebnis zu genießen oder zu intensivieren. Eine Studie aus dem Jahr 2024 legt nahe, dass es auch Auswirkungen auf die Atmung gibt.[3]
Spezielle Risiken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Betroffenen können durch die mangelnde Wahrnehmung von Warnsignalen sogar in Lebensgefahr geraten. Durch die Nichtwahrnehmung von Fäulnisgerüchen kann es zum Verzehr verdorbener Speisen kommen, was zu einer Lebensmittelvergiftung führen kann. Lebensgefährliche Brände oder austretende Heizgase können zu spät bemerkt werden. Es ist jedoch möglich, starke Gerüche zu „schmecken“, was ausgiebiges Training voraussetzt.
Behandlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Behandlung der Anosmie richtet sich nach der Ursache der Störung. Für die durch eine Virusinfektion auftretende Anosmie, die auch bleibend sein kann, ist ein Therapieansatz die intranasale Gabe von Vitamin A.[4] Da sich das Riechen üben lässt, kann ein gut etabliertes Riechtraining (mit den Duftnoten „Rose“, „Zitrone“, „Eukalyptus“ und „Gewürznelke“) die Erholungsgeschwindigkeit verdoppeln bis verdreifachen.[5]
Anosmie in der Kultur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Im spanischen Roman Nunca sabrás a qué huele Bagdad, in deutscher Übersetzung Du wirst niemals erfahren, wonach Bagdad riecht, geht es um angeborene Anosmie.[6]
- Im Roman Whispers of the Dead, in deutscher Sprache Leichenblässe, von Simon Beckett leidet der darin vorkommende Serienmörder an Anosmie.
- In der 6-teiligen Fernsehserie Parfum ist die Ermittlerin Nadja Simon von Anosmie betroffen.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hyposmie, der teilweise Verlust des Riechsinns
- Parosmie, eine Wahrnehmungsstörung, bei der bekannte Düfte plötzlich anders riechen.
- Ageusie, Verlust des Geschmacksinns
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter Kohl: Wie riecht Leben? Bericht aus einer Welt ohne Gerüche. Zsolnay-Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-552-05475-2.
- Kapitel Chemische Sinne, In: Thomas Braun et al.: Kurzlehrbuch Physiologie. Elsevier, Urban und Fischer, München 2006, ISBN 3-437-41777-0.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Position paper on olfactory dysfunction: https://www.rhinologyjournal.com/Documents/Supplements/supplement_26.pdf
- ↑ https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/alr.22820
- ↑ Eintrag zu Kallmann-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ heise online: Menschen ohne Geruchssinn atmen anders. 5. November 2024, abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ Covid-19: Steroide und Vitamin A | PZ – Pharmazeutische Zeitung. In: pharmazeutische-zeitung.de. 17. November 2020, abgerufen am 16. März 2024.
- ↑ Riechtraining nach COVID-19 beschleunigt die Erholung des ausgefallenen Geruchssinns. In: aerzteblatt.de. 11. Mai 2021, abgerufen am 18. Februar 2024.
- ↑ Universidad Autónoma de Barcelona, 2010; deutsche Ausgabe übersetzt von Ursula Wolf, BoD 2023.