Fanny Birkenruth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Dezember 2024 um 19:01 Uhr durch Lutheraner (Diskussion | Beiträge) (Leben: sprachlich). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dieser Artikel wurde am 4. Dezember 2024 auf den Seiten der Qualitätssicherung eingetragen. Bitte hilf mit, ihn zu verbessern, und beteilige dich bitte an der Diskussion!
Folgendes muss noch verbessert werden: Vollprogramm --🌙 Mondtaler (Diskussion) 18:18, 4. Dez. 2024 (CET)

Fanny Birkenruth, geb. Freundlich (* 21. März 1841 in Wittelshofen; † 6. Mai 1912 in Rom) entstammte dem fränkischen Landjudentum und war eine akkulturierte, in allen Künsten gebildete Privatière. Sie wirkte in Kreisen von Literaten, Künstlern und Feministinnen im Rom der Jahrhundertwende.

Leben

Sie wurde als Fanny Freundlich als Tochter des wohlhabenden Stoffhändlers, Hajum Meier Freundlich und seiner 2.Ehefrau Hannchen Seller, in die orthodox jüdische Großfamilie der Freundlichs (Friendlys in den USA) im Dorf Wittelshofen geboren. Die Eltern hatten 5 Kinder. Früh bewegte sie sich in liberalen jüdischen Kreisen Fürths. Im Zuge der ab 1861 gesetzlichen Gleichstellung verlässt sie 19-jährig das ghettoisierte Landleben. Nach der heimlichen Geburt einer unehelichen Tochter, die sie unter falschem Namen in Pflege gibt, heiratete sie ein Jahr später den 36 Jahre älteren, vermögenden Antiquitätenhändler Abraham Birkenruth und bewegte sich von da an in gehoben kultivierten, assimilierten Kreisen Kassels. Nach dem frühen Tod A. Birkenruths zog die erst 32-Jährige, finanziell unabhängige Witwe, in die Kulturmetropole Dresden. Ihre Tochter beließ sie in Pflege und im Glauben, sie sei ihre Tante.

Sie stand mit kulturschaffenden, emanzipierten Frauen ihrer Zeit in intellektuellem Kontakt, besonders mit der Musikschriftstellerin, Marie Lipsius, alias La Mara und dem Zirkel um die Bayreuther Festspiele. 1882 ließ sie sich in Rom in der 13, Via Gregoriana nieder. Als Privatière verkehrte sie in deutsch-römischen Kulturkreisen und im literarischen Salon der Schriftstellerin Malwida von Meysenbug, der sie als enge Vertraute bis zum Tod beistand, als ihre „Eccelenza - ihr Finanzminister.“ [3] [4] Auf dem protestantischen Friedhof Roms, dem „Cimitero acattolico“, liegen die prächtigen Grabmonumente der beiden Freundinnen nebeneinander.

In ihren letzten Lebensjahren ließ sich Fanny Birkenruth protestantisch taufen und engagierte sich im Evangelischen Frauenverein der protestantischen Gemeinde Roms zu Frauenrecht und Frauenfürsorge. Sie stand in regem Austausch mit namhaften internationalen Frauenrechtlerinnen wie der österreichischen Schriftstellerin Marie Herzfeld, der schwedischen Reformpädagogin Ellen Key, der Wagner Sängerin Emilie Heim in Zürich und war eng befreundet mit Adeline Stinnes, der Witwe des Großindustriellen Hugo Herrman Stinnes, bei der sie in Mühlheim während ihrer Deutschland-Besuche residierte.

Am 6. Mai 1912 starb sie im deutschen evangelischen Krankenhaus, der Casa Tarpea, am Kapitol in Rom.

Rezeption

Fanny Birkenruth, eine „selten ausgeprägte Persönlichkeit“[5], lebte als Wegbereiterin weiblicher jüdischer Akkulturation den Traum einer gebildeten, sozialengagierten Privatière und Förderin der Frauenfürsorge um 1900 in Rom. Familiär zahlte sie durch die gesellschaftlich erzwungene Verleugnung ihrer unehelichen Tochter einen hohen Preis. Entfremdet von ihren Nachkommen, starb sie mit diesen unversöhnt in Rom. Die Identität des unehelichen Vaters, eines jüdischen Cousins auf US-amerikanischem Heimaturlaub, hatte sie nie preisgegeben. Dieses Geheimnis rettete 80 Jahre später ihre assimilierten Nachfahren vor der Shoah. Da der jüdische Vater nie aktenkundig wurde, erfnd die Enkelgeneration einen „deutschblütigen Erzeuger“ und US-Auswanderer[6]. Mit Hilfe der US-Friendly-Verwandten gelang ein fingiertes Affidavit, welches das NS-Reichssippenamt 1941 „bis zum Beweis des Gegenteils“[7] akzeptierte und die Nachkommen bewahrte.[8]

Literatur

1. Brenner, Michael, Eisenstein Daniela F. (Hrsg.): Die Juden in Franken, Oldenbourg Verlag München, 2012

2. Brooks-Friendly, Natalie: The Friendly Family. The Descendants of the Freundlichs of Bavaria, Newbury Street Press, Boston, Machusetts, 1998.

3. Joachim Radkau: Malwida von Meysenbug : Revolutionärin, Dichterin, Freundin: eine Frau im 19. Jahrhundert, München Hanser, 2022, ISBN 978-3-446-27282-8. S.48

4. Heyde, Franziska: Fanny Birkenruth geb. Freundlich - Wahrheiten entfalten sich. Selbstverlag Murnau  2023. VLB - ISBN 978-3-000-7386-2-3

Einzelnachweise

[1] https://www.familysearch.org/search/catalog/687365 The Friendly family:The descendants of the Freundlichs of Bavaria by Natalie Brooks Friendly

[2] https://www.blz.bayern.de/die-juden-in-franken_p_208.html Michael Brenner & Daniela F. Eisenstein (Hrsg.)

Die Juden in Franken.

[3] Nachlass Malwida von Meysenbug Nr. 191 Fanny Birkenruth

https://www.archive.nrw.de/landesarchiv-nrw/landesarchiv-nrw-abteilung-ostwestfalen-lippe-detmold

[4] Lippisches Literaturarchiv  

[5] Franziska Heyde: Das Leben der Fanny Birkenruth geb. Freundlich. Wahrheiten entfalten sich. Selbstverlag Murnau 2023.  VLB: ISBN 978-3-00-073862-3  S.81 „Erinnerungen zu Fanny Birkenruth“ von Pf. Schubert, Botschaftsprediger der evangelischen Christuskirche Ro

[6] Abstammungsbescheid vom 30.10.1941 des Reichssippenamts Berlin

[7] Ebenda

[8] Franziska Heyde: Das Leben der Fanny Birkenruth geb. Freundlich. Wahrheiten entfalten sich. Selbstverlag Murnau 2023.  VLB: ISBN 978-3-00-073862-3   S. 88 ff