Manchmal ist es notwendig, nur über eine Unterfolge einer Folge zu sprechen. Solche Unterfolgen werden in der Mathematik Teilfolge genannt. Dieser Name ist ganz intuitiv: Teilfolgen bezeichnen einen Teil einer Folge. Eine Teilfolge entsteht dadurch, dass in einer gegebenen Folge beliebige Folgenglieder entfernt werden. Beim Streichen der Folgenglieder müssen aber unendlich viele Folgenglieder übrig bleiben. Die übrig geliebenen Folgenglieder bilden dann eine Teilfolge der ursprünglichen Folge. Nehmen wir zum Beispiel die Folge :
Wir interessieren uns nun für die Teilfolge jedes zweiten Folgenglieds. Diese entsteht, indem wir alle Folgenglieder mit ungeradem Index streichen:
Wie können Teilfolgen notiert werden? Schauen wir uns zunächst die Indizes der Folgenglieder an, die in der Teilfolge enthalten sein sollen:
Jetzt suchen wir eine Folge , die diese Indizes beschreibt. Im obigen Beispiel betrachten wir alle geraden Indizes. Also ist :
Diese Folge setzen wir in ein. Dadurch entsteht die Teilfolge :
Zunächst bilden wir also die Folge der relevanten Indizes einer Teilfolge. Diese Teilfolge setzen wir dann in die Originalfolge für ein, sodass wir die Teilfolge erhalten.
In unserem Beispiel ist . Wir setzen also für in ein. So erhalten wir die Teilfolge .
Sei eine beliebige Folge. Jede Folge heißt Teilfolge von , wenn eine streng monoton steigende Folge natürlicher Zahlen ist.
Dieser Begriff ist wichtig für die Analysis, weil durch ihn Häufungspunkte charakterisiert werden können. Was Häufungspunkte genau sind, werden wir im nächsten Kapitel näher untersuchen.
Hinweis
Jede Folge ist eine Teilfolge von sich selbst. Wenn man nämlich wählt, dann ist . Für ist also die Teilfolge mit der ursprünglichen Folge identisch. Das zeigt, dass jede Folge eine Teilfolge von sich selbst ist.
Aufgabe (Teilfolgen)
Gib fünf unterschiedliche Teilfolgen der Folge an.
Lösung (Teilfolgen)
Die Folge besitzt unendlich viele Teilfolgen. Fünf davon sind
Für Teilfolgen gibt es den folgenden wichtigen Satz:
Satz (Konvergenz von Teilfolgen)
Sei eine Folge. konvergiert genau dann, wenn jede Teilfolge konvergiert. Der Grenzwert der Folge stimmt mit den Grenzwerten ihrer Teilfolgen überein.
Beweis (Konvergenz von Teilfolgen)
Um die Äquivalenz
zu beweisen, beweisen wir die zwei Implikationen:
Wenn konvergiert, konvergiert auch jede Teilfolge von .
Wenn jede Teilfolge von konvergiert, konvergiert .
Wir können den Beweis so führen, weil die Aussage äquivalent zu ist.
Beweisschritt: Konvergenz der Folge impliziert Konvergenz aller Teilfolgen gegen denselben Grenzwert.
Sei eine konvergente Folge mit Grenzwert . Wir müssen beweisen, dass alle Teilfolgen von auch konvergieren.
Sei also eine Teilfolge von . Wir wollen nun zeigen, dass auch gegen konvergiert. Sei gegeben. Da der Grenzwert von ist, existiert ein Index , sodass für alle die Ungleichung erfüllt ist.
Da nach Definition die Folge eine streng monoton steigende Folge ist, ist für alle . Damit ist für alle , denn aus und folgt . Somit ist für alle .
Insgesamt haben wir so bewiesen, dass es für alle ein mit für alle gibt. Nach Definition des Grenzwertes besitzt die Teilfolge den Grenzwert und konvergiert somit. Da die Teilfolge beliebig gewählt war, gilt dieser Beweisschritt für alle Teilfolgen von .
Beweisschritt: Konvergenz aller Teilfolgen impliziert Konvergenz der Folge.
Wir wissen, dass alle Teilfolgen von konvergieren. Nun ist aber die Folge eine Teilfolge von sich selbst. Also muss auch diese konvergieren.
Im ersten Beweisschritt haben wir gezeigt, dass der Grenzwert der konvergenten Teilfolgen dann mit dem Grenzwert von übereinstimmt.
Beispiel (Konvergenz von Teilfolgen)
Da eine Nullfolge ist, gilt auch für die beiden Grenzwerte
Hinweis
Aus obigem Satz folgt unmittelbar, dass eine konvergente Folge ihren Grenzwert nicht ändert, wenn man endlich viele Folgeglieder streicht. Durch Streichen von endlich vielen Folgegliedern entsteht nämlich eine Teilfolge von . Diese Teilfolge hat nach dem eben bewiesenen Satz denselben Grenzwert.
Aus dem obigen Satz folgt direkt:
Satz (Divergenz bei Divergenz einer Teilfolge)
Wenn eine Teilfolge divergiert, muss auch die ursprüngliche Folge divergieren.
Verständnisfrage: Warum folgt aus dem obigen Satz, dass die ursprüngliche Folge divergiert, wenn eine Teilfolge divergiert?
Wir wissen: Wenn eine Folge konvergiert, konvergiert auch jede Teilfolge. Würde eine konvergente Folge existieren, für die eine Teilfolge divergiert, erhielten wir also einen Widerspruch. Damit wissen wir, dass die ursprüngliche Folge divergieren muss, wenn eine Teilfolge von ihr divergiert.
Beispiel (Divergenz von Teilfolgen)
Betrachten wir die Folge mit . Diese hat die Folge als Teilfolge. Da eine unbeschränkte Folge ist, divergiert diese Teilfolge. Nach dem gerade bewiesenen Satz divergiert dann auch .
Die Folge ist also aus den beiden Teilfolgen und zusammengesetzt.
Wir stellen uns nun die Frage, wie die Konvergenz der Folge mit der Konvergenz der Folgen und zusammenhängt.
Damit konvergiert, müssen auf jeden Fall folgende beiden Bedingungen erfüllt sein:
Zum einen müssen die beiden Teilfolgen und konvergieren, weil wir schon wissen, dass Teilfolgen konvergenter Folgen konvergieren.
Zum anderen müssen und gegen denselben Grenzwert konvergieren. Damit nämlich konvergiert, müssen alle ihre Teilfolgen gegen denselben Grenzwert konvergieren.
Ist eine der beiden Bedingungen nicht erfüllt, so ist die Mischfolge divergent. Doch diese beiden Bedingungen sind nicht nur notwendig, sondern auch schon hinreichend für die Konvergenz der Mischfolge!
Dies werden wir nun beweisen. Der Grenzwert der Mischfolge stimmt dann mit dem Grenzwert der beiden Teilfolgen überein.
Satz (Konvergenz von Mischfolgen)
Seien und zwei Folgen und sei . Die Folge definiert durch
konvergiert genau dann gegen , wenn die Folgen und gegen konvergieren.
Beweis (Konvergenz von Mischfolgen)
Beweisschritt: Wenn gegen konvergiert, dann konvergieren auch die Folgen und gegen .
Mit und sind sowohl als auch Teilfolgen von . Da gegen konvergiert, konvergieren nach dem Satz über die Konvergenz von Teilfolgen auch alle Teilfolgen von gegen . Somit konvergieren auch und gegen .
Beweisschritt: Wenn die Folgen und gegen konvergieren, dann konvergiert auch gegen .
Weil sowohl als auch gegen konvergieren, gelten die beiden Aussagen:
Wegen und ist damit:
Sei nun beliebig. Nach den obigen Aussagen gibt es damit ein mit für alle . Außerdem gibt es ein mit für alle . Setzen wir nun . Sei beliebig. Wenn ungerade ist, dann ist für ein . Wegen ist und damit ist
Wenn gerade ist, dann ist für ein . Wegen ist und damit
Damit ist für alle . Dies beweist .
Verständnisfrage: Im obigen Beweis haben wir gewählt. Warum können wir nicht setzen?
Im obigen Beweis haben wir ausgenutzt, dass für alle ist. Dies bedeutet, dass ab dem Folgenglied für alle ungeraden Folgenglieder von die Ungleichung erfüllt ist. Analog können wir aus der Tatsache, dass für alle ist, schließen, dass ab dem Folgenglied für alle geraden Folgenglieder von die Ungleichung erfüllt ist. Um also zu beweisen, benötigen wir und . Deswegen wählen wir , damit aus sowohl als folgt.
Beispiel (Konvergenz von Mischfolgen)
Betrachte die Mischfolge mit . Dies ist eine Mischfolge, da
Damit ist zusammengesetzt aus den beiden Teilfolgen und . Nun ist
Beide Teilfolgen konvergieren gegen Null, und damit muss auch gegen Null konvergieren.