Krasnosnamensk (Kaliningrad)
Krasnosnamensk (russisch Краснознаменск, Bedeutung in etwa „Rotbannerstadt“), deutsch bis 1938 Lasdehnen (1938–1945 Haselberg, litauisch Lazdynai), ist eine Stadt mit 3419 Einwohnern (Stand 1. Oktober 2021)[1] im ehemaligen Ostpreußen, in der heutigen russischen Oblast Kaliningrad. Die Stadt ist Verwaltungszentrum der kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Krasnosnamensk im Rajon Krasnosnamensk.
Stadt
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Liste der Städte in Russland |
Geographische Lage
BearbeitenDie Ortschaft liegt im Nordosten der historischen Region Ostpreußen nahe der Grenze zu Litauen, etwa 42 Kilometer südöstlich von Tilsit (Sowetsk), 54 Kilometer nordöstlich von Insterburg (Tschernjachowsk) und 126 Kilometer ostnordöstlich von Königsberg (Kaliningrad). Durch den Ort fließt die Scheschuppe.
Die Stadt Krasnosnamensk (Lasdehnen/Haselberg)
BearbeitenGeschichte
BearbeitenDer Ort wird 1521 mit dem deutschen Namen „Haselpusch“ erstmals erwähnt. Der seit Beginn des 18. Jahrhunderts verwendete Name Lasdehnen leitet sich von dem litauischen Wort lazd(ynas) ab, das „Haselnuss“ bedeutet. Bereits 1578 war im Dorf eine Kirche vorhanden, die jedoch 1661 abbrannte. Der Nachfolgebau musste 1869 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Die heute noch vorhandene Kirche wurde in den Jahren 1874–1877 im neugotischen Stil errichtet.
Lasdehnen entwickelte sich zum wichtigsten Marktflecken an der unteren Scheschuppe. 1663 wurde eine Wassermühle in Betrieb genommen. Im Jahr 1785 war Lasdehnen ein Dorf mit einer Kirche, einem königlichen Amtsvorwerk, einer Wasser-Mahlmühle, einer Ross-Ölmühle und mit 48 Feuerstellen (Haushaltungen).[2] Im Jahr 1861 standen auf der Gemarkung des Dorfs, die eine Fläche von über 2.057 Morgen umfasste, 214 Gebäude.[3] Aus der Wassermühle entwickelte sich bis zum 20. Jahrhundert eine der größten Mühlen im Kreis Pillkallen.
Im Jahr 1945 gehörte Lasdehnen zum Landkreis Schloßberg (Ostpr.) im Regierungsbezirk Gumbinnen der Provinz Ostpreußen des Deutschen Reichs.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Haselberg im Sommer 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht unter ihre Verwaltung gestellt. Der Ort wurde 1944/45 im Gegensatz zur damaligen Kreisstadt Pillkallen kaum zerstört und übernahm seither deren Funktionen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gehört der Ort zur Russischen Föderation.
Amtsbezirk Lasdehnen/Haselberg (1874–1945)
BearbeitenZwischen 1874 und 1945 war Lasdehnen bzw. Haselberg Amtssitz und namensgebend für einen Amtsbezirk im Kreis Pillkallen (Kreis Schloßberg) und im Regierungsbezirk Gumbinnen der preußischen Provinz Ostpreußen[4]:
Name | Änderungsname 1938 bis 1946 |
Russischer Name | Bemerkungen |
---|---|---|---|
Lasdehnen | Haselberg (Ostpr.) | Krasnosnamensk | |
Neuhof-Lasdehnen | Altbaum | Smolenskoje | 1929 in den Amtsbezirk Jucknaten umgegliedert |
Sallehnen | Sallen | ||
Schilleningken | Ebertann | Chlebnikowo |
Stadtgemeinde Krasnosnamenskoje 2008–2015
BearbeitenDie Stadtgemeinde Krasnosnamenskoje (ru. Краснознаменское городское поселение, Krasnosnamenskoje gorodskoje posselenije) wurde am 30. Juni 2008 gegründet.[5] Neben dem Amtssitz Krasnosnamensk umfasste sie zwei Siedlungen. Im Jahre 2010 zählte sie 3893 Einwohner. Ende 2015 wurde die Stadtgemeinde aufgelöst und deren Orte in den neu gebildeten Stadtkreis Krasnosnamensk eingegliedert.
Zur städtischen Gemeinde gehörten:
Name | Deutscher Name | Änderungsname 1938 bis 1945 |
---|---|---|
Krasnosnamensk | Lasdehnen | Haselberg |
Chlebnikowo | Schilleningken | Ebertann |
Samarskoje | Bergershof |
Bevölkerungsentwicklung
Bearbeitenbis 1945
Jahr | Anzahl | Anmerkungen |
---|---|---|
1816 | 813 | [6] |
1861 | 978 | im Dezember,[3] |
1885 | 1.294 | [7] |
1912 | 1.578 | [8] |
1933 | 2.065 | [7] |
1939 | 2.070 | [7] |
seit 1945
Jahr | Einwohner |
---|---|
1959 | 2.843 |
1970 | 2.911 |
1979 | 3.392 |
1989 | 3.894 |
2002 | 3.751 |
2010 | 3.522 |
2021 | 3.419 |
Anmerkung: Volkszählungsdaten
Kirche
BearbeitenEvangelisch
BearbeitenEhemalige Pfarrkirche
BearbeitenDie einst evangelische Pfarrkirche steht auf einem zur Scheschuppe steil abfallenden Hügel in einiger Entfernung zum Stadtzentrum. Im Jahre 1578 war hier bereits eine Kirche vorhanden. Sie brannte 1661 ab. Ein Nachfolgebau musste 1869 wegen Baufälligkeit geschlossen werden. So entstand in den Jahren 1875 bis 1877 ein neugotischer Ziegelbau[9] mit Apsis und hohem Turm. Auch der Innenraum zeigte neugotischen Stil. Über dem mittleren Teil des Kirchenschiffes ist die Decke gewölbt.
Die Kirche wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zweckentfremdet und als Lagerhalle genutzt. Dadurch konnte sie wenigstens vor dem Verfall bewahrt werden. Heute ist die einst evangelische Kirche orthodoxes Gotteshaus.
Kirchengemeinde
BearbeitenDie evangelische Kirchengemeinde Lasdehnen wurde 1578 gegründet.[10] Sie zählte 1925 insgesamt 8061 Gemeindeglieder, die in einem ausgedehnten Kirchspiel mit mehr als 50 Ortschaften wohnten. An der Pfarrkirche waren vor 1945 in den letzten 70 Jahren zwei Geistliche tätig. Die Pfarrei gehörte zum Kirchenkreis Pillkallen (Schloßberg) innerhalb der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Infolge von Flucht und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung und der restriktiven Religionspolitik der Sowjetunion kam das kirchliche Leben in Krasnosnamensk zum Erliegen. Die heute nächstgelegene und neu entstandene evangelisch-lutherische Gemeinde ist die in Sabrodino (Lesgewangminnen, 1938 bis 1946 Lesgewangen), die zur Propstei Kaliningrad[11] (Königsberg) der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland gehört.
Katholisch
BearbeitenEin katholisches Gotteshaus hat es in Krasnosnamensk auch vor 1945 nicht gegeben. Der Ort gehörte bis 1945 zur Pfarrei in Bilderweitschen (1938 bis 1946: Bilderweiten, heute russisch: Lugowoje) im Bistum Ermland.
Orthodox
BearbeitenIn den 1990er Jahren bildete sich in Krasnosnamensk eine Gemeinde der russisch-orthodoxen Kirche. Sie übernahm die einstige evangelische Kirche und richtete sie in dem ihr eigenen Stil wieder her. Im Oktober 1992 erfolgte die Weihe der Kirche, die heute den Namen der Apostel Petrus und Paulus trägt. Die Gemeinde gehört zur Diözese Kaliningrad und Baltijsk der russisch-orthodoxen Kirche.
Sehenswürdigkeiten
BearbeitenNeben der neugotischen Kirche blieben einige weitere Bauten aus der Vorkriegszeit erhalten.
Wirtschaft und Infrastruktur
BearbeitenIn Krasnosnamensk gibt es kleine Betriebe der Forstwirtschaft und Lebensmittelindustrie (Käsefabrik).
Durch die Stadt führt die Regionalstraße R 508 von Kaliningrad über Snamensk (Wehlau) und Gussew (Gumbinnen) nach Neman (Ragnit), von der hier die R 511 durch den Ostteil des Rajons und weiter nach Nesterow (Stallupönen/Ebenrode) abzweigt.
Persönlichkeiten
BearbeitenSöhne und Töchter des Ortes
Bearbeiten- Alfred von Lyncker (1854–1919), deutscher General
- Gertrud Mortensen (1892–1992), deutsche Historikerin
- Max Hermann Bork (1899–1973), deutscher Offizier, Generalleutnant
- Franz Nolde (1909–1981), deutscher Maler
- Dietmar Pertsch (1929–2022), deutscher Autor, Literaturwissenschaftler, Mediendidaktiker und Seminardirektor
- Dietrich Beyrau (* 1942), deutscher Historiker, Universitätsprofessor
Mit dem Ort verbunden
Bearbeiten- Erich Sack (1887–1943) war ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Von 1926 bis zu seinem Tode im Konzentrationslager Dachau war er Pfarrer an der Kirche Lasdehnen.
Literatur
Bearbeiten- Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 132.
- August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, S. 519.
- Kühnast: Nachrichten über Grundbesitz, Viehstand, Bevölkerung und öffentliche Abgaben der Ortschaften in Littauen nach amtlichen Quellen. Band 2. Gumbinnen 1863, S. 491.
Weblinks
Bearbeiten- Amtsbezirk Haselberg (Ostpr.) (Rolf Jahke, 2014)
- GenWiki: Lasdehnen
- Krasnosnamensk auf mojgorod.ru (russisch)
- Krasnosnamensk bei prussia39.ru
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
- ↑ Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil I, Königsberg/Leipzig 1785, Volständige Topographie vom Litthauischen Cammer-Departement, S. 82.
- ↑ a b Kühnast: Nachrichten über Grundbesitz, Viehstand, Bevölkerung und öffentliche Abgaben der Ortschaften in Littauen nach amtlichen Quellen. Band 2, Gumbinnen 1863, S. 491.
- ↑ Rolf Jehke, Amtsbezirk Lasdehnen/Haselberg
- ↑ Durch das Закон Калининградской области от 30 июня 2008 г. № 256 «Об организации местного самоуправления на территории муниципального образования "Краснознаменский городской округ"» (Gesetz der Oblast Kaliningrad vom 30. Juni 2008, Nr. 256: Über die Organisation der lokalen Selbstverwaltung auf dem Gebiet der munizipalen Bildung "Stadtkreis Krasnosnamensk")
- ↑ Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preussischen Staats. Band 3: Kr–O, Halle 1822, S. 70, Ziffer 685
- ↑ a b c Michael Rademacher: Pillkallen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- ↑ Lasdehnen
- ↑ Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens. Band 2: Bilder ostpreussischer Kirchen. Göttingen 1968, S. 109, Abb. 479
- ↑ Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens. Band 3: Dokumente. Göttingen 1968, S. 485
- ↑ Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad ( vom 29. August 2011 im Internet Archive)