verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1 | |
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bewohnt. Auch Nubien, Kordofan, Taka und Abessinien sind spärlich bevölkert; erst die Gallaländer und die Negerländer am Weißen Nil zeigen dichtere Menschengürtel. Sehr spärlich ist die ganze Südspitze vom 10.° südl. Br. an bevölkert. Auf 1 qkm kommen in Nordafrika 1,6, in Nordostafrika 7, im mittlern Sudân 18,5, im westlichen Sudân 22 und in Südafrika 4 Menschen, endlich in ganz A., dessen Bevölkerung auf rund 210½ Mill. berechnet wird (s. unten), durchschnittlich 7 Menschen (vgl. auch die Karte „Bevölkerungsstatistik“).
So verschieden die Völker Afrikas auch sind, gewisse gemeinsame Grundzüge lassen sich bei den meisten erkennen, wenn auch diese vielfach variiert sind, so die Verzierungen des Körpers (Tättowierung), das Ausbrechen oder Spitzfeilen der Zähne, die Beschneidung, das Verzieren der Lippen und Ohren, die kindische Freude am Putz durch Schnüre von Glas- und Eisenperlen, Arm- und Beinringe, der Haupthaarputz u. a. Nur das kältere Gebirgsklima nötigt den Afrikaner zum Anlegen von Kleidern. Der Waffenluxus ist besonders im Sudân zu Hause, doch steuert ihm die allmähliche Verbreitung des Feuergewehrs. Der Hausbau ist nur im Sudân höher entwickelt. Gemeinhin bestehen die Häuser aus einfachen Lehmhütten (Tokuls).
Wo der Charakter der Neger in seiner Ursprünglichkeit sich erhalten findet, da ist er schnell leidenschaftlich zu erregen, aber ebenso rasch wieder zu besänftigen, kindlich, ja kindisch, ausgelassen fröhlich, bei großer Bedürfnislosigkeit meist träge, wenigstens nirgends den Wert der Zeit kennend. Ein andrer wird er durch die Not und den Druck, vor allem aber ist er durch den Sklavenhandel verderbt; dieser macht ihn nicht nur habsüchtig (der Vater verkauft wohl Mutter und Kind, um ein buntes Lendentuch oder eine Schnur Perlen einzutauschen), sondern auch grausam und tückisch. Überall bleibt ihm aber, die gedrücktesten Stämme vielleicht ausgenommen, seine ausgelassene Fröhlichkeit; mit Tanz, Gesang und Musik verbringt der Neger die Nächte, unbesorgt um den andern Tag, an dem er sich mit stumpfsinniger Gleichgültigkeit hinschlachten oder in die Sklaverei führen läßt. Was die Familienverhältnisse anlangt, so herrscht fast durch ganz A. Polygamie; meist zeugt die Zahl der Frauen für den Reichtum des Mannes, denn die Frau wird gekauft und ist meist Sklavin und Lasttier des Mannes, wenn es auch bei einigen Bantuvölkern Ausnahmen gibt, wo die Frauen eine bevorzugte Stellung einnehmen. Unter den Negervölkern gilt als verbreitetes Erbfolgegesetz, daß nach dem Tod eines Häuptlings nicht sein Sohn nachfolgt, sondern der Bruder oder der Schwestersohn des Verstorbenen. Die Sklaverei ist eine uralte Institution; die meisten Sklaven sind aber Kriegsgefangene, oder sie sind gestohlen, selten wegen Verbrechen verkauft. Diese große Unsicherheit der Existenz hat unter den Negern zur Blutbrüderschaft geführt, welche fast noch engere Bande zieht als die Familie.
Religion. Den wesentlichen Anteil an der blutgierigen Grausamkeit vieler Negervölker haben ihre religiösen, mit dem wunderlichsten Aberglauben vermischten Vorstellungen. Wo nicht der Islam und an einigen Punkten das Christentum Eingang gefunden haben, herrscht fast überall roher Fetischdienst mit Glauben an Zauberkünste und Hexerei. Einigen Völkern scheint jede religiöse Vorstellung, jede Ahnung von einer Fortdauer des Daseins zu fehlen, so den Buschmännern; dagegen schlachten die Kaffern den Geistern ihrer Vorfahren (Amahlozi), die sie unter der Gestalt unschuldiger Hausschlangen zu sehen glauben, Opfer. Diese Verehrung Verstorbener finden wir als einen hervorragenden gemeinsamen Zug des religiösen Lebens durch alle entwickelten Negervölker durchgehen, er spricht sich in der allgemein verbreiteten Sorge um die Leichname der Verstorbenen und deren Gräber aus. Verbunden mit dem Glauben an eine Fortdauer nach dem Tod, finden wir darin eine Erklärung vieler Züge der Grausamkeit, des Hinschlachtens von Sklaven, selbst der Frauen, des Mitgebens von Speise und Trank etc., damit der Gestorbene gleich nach dem Tod wieder königlich bedient werde. Tausende folgen so freiwillig und unfreiwillig dem gestorbenen König von Dahomé in den Tod. Zum Glauben an Einen Gott hat sich kein Negervolk aus sich erhoben, wohl aber die Galla; wo religiöser Glaube herrscht, da sind dessen Gegenstände gute und böse Geister, die unter der Gestalt von Tieren und Götzenbildern aller Art verehrt werden. Der Balonda verehrt die Kuh; Fetisch ist in Whydah die giftige Abgottsschlange (Vipera Idolum), in Abomê der Tiger (Leopard), bei den Aschanti das Krokodil. Man bringt mannigfache Opfer, selbst Menschenopfer. Die Verehrung geschieht bei den Marghi in heiligen Hainen, bei den Congonegern unter großen Bäumen, an der Sklavenküste selbst in Tempeln. Religiöse Feste werden bei vielen zur Zeit des Neumonds veranstaltet und mit Tanz und Musik begangen. Bei dem Schlangentempel von Whydah gibt es Priester und Priesterinnen zum Dienste des Fetisches. Die Priester sind zugleich Ärzte, Wahrsager und Zauberer, wenigstens Regenmacher. Kaffern und Hottentoten haben zwar keine eigentlichen Priester, aber sogen. Regenmacher, zu denen sie zur Zeit der Regenlosigkeit ihre Zuflucht nehmen. Jede Krankheit, jeder Todesfall wird der Hexerei übelwollender Feinde zugeschrieben und der Priester zu Rate gezogen, um den Zauber zu lösen oder den Thäter zu entdecken. Der Angeklagte muß sich dem Gottesurteil unterwerfen, indem er einen Gifttrank genießt; ist er reich, so gibt ihm der bestochene Priester einen unschädlichen, ist er arm, so ist er meist dem Tod verfallen. Diesem wilden, grausamen Heidentum gegenüber bewirkt der Islam einen mächtigen Fortschritt in der Gesittung und Bildung der Neger. Er mildert die Sitten und bringt mannigfache Elemente einer höhern Kultur unter die Schwarzen; von Tag zu Tag wächst sein Einfluß, nimmt die Zahl seiner Verehrer zu. Doch hat sich mitten im Sudân, wo schon lange der Mohammedanismus herrschend ist, noch mannigfacher Aberglaube erhalten; der Glaube an Talismane, an Erflehen von Regen ist allgemein verbreitet. Der Islam ist über den ganzen Norden des Kontinents, dann im Sudân und in Ostafrika verbreitet. Innerafrika ist noch im Heidentum versunken. Christen sind die Kopten in Ägypten und die Abessinier (Monophysiten). In Südafrika hat das Christentum noch nirgends durchgegriffen. Tiefer eingedrungen ist es in Madagaskar. Statistische Angaben s. bei der Karte „Bevölkerungsstatistik“.
Gewerbe und Handel. Alle Arten der Lebensweise, von der des Jagdvolks aufwärts, sind in A. vertreten. Die Jagdvölker stehen am tiefsten, haben die ärmste Sprache und nur im Fang der Tiere, im Auffinden eßbarer Wurzeln eine der tierischen gleiche Scharfsichtigkeit, keinen staatlichen Verband. Hierher gehören die Buschmänner und viele Völker des zentralen Kerns. Die nomadischen
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0166.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)