St.-James-Konferenz

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Die Londoner St.-James-Konferenz, auch round-table conference,[1] vom 7. Februar bis 17. März 1939,[2] benannt nach dem St James’s Palace in London, sollte unter der Moderation Großbritanniens die Situation in Palästina einer Lösung näher bringen.

Ausgangslage und Ergebnis

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Die Konferenz wurde vom britischen Kolonialminister Malcolm MacDonald[3] unter dem Eindruck[4] der sich verschärfenden zweiten Phase des Arabischen Aufstands einberufen und von Premierminister Neville Chamberlain[1] formell eröffnet. Der Historiker Dan Diner schreibt, der ursprünglich prozionistische[4] MacDonald sei zu dem Zeitpunkt bereits auf die proarabische[4] Position des War Office eingeschwenkt. Die Gespräche standen vor der Herausforderung, dass die arabische Delegation die Delegationsleitung der Gegenseite nicht im gleichen Raum sprechen wollte.[1][3] Die Briten versuchten aus der getrennten Verhandlung und ihrer Funktion im Rahmen einer Pendeldiplomatie Vorteile zu ziehen, indem sie beiden Seiten unterschiedliche Angebote unterbreiteten.[1]

Die jüdische Seite, insbesondere als Sprecher der Jewish Agency, und unter der Delegationsleitung von Chaim Weizmann,[2] war mit David Ben-Gurion[1] und Mosche Scharet[1] (damals noch Schertok) angereist. Mit Rufus Isaacs, 1. Marquess of Reading,[1] einem geadelten britischen Juden, und dem US-amerikanischen Rabbiner Stephen Wise,[1] waren zwei Vertreter der Diaspora dabei.

Arabische Politiker waren unter dem Vorsitz von Jamal al-Husseini[5] zu den Gesprächen angereist. Einige der palästinensischen Araber waren zuvor aus ihrer Verbannung auf den Seychellen[1] entlassen worden. Ein prominenter Verbannter, dem zu diesem Anlass die Rückreise von der Inselgruppe erlaubt wurde, war Husain al-Khalidi.[6] Dem nationalistischen Anführer Amin al-Husseini war die Teilnahme verboten worden,[1] auch wenn er nominell zum Delegationsleiter[1] erklärt worden war. Husseini konnte per Telekommunikation laufend alle Einzelheiten der Gespräche erfahren und Entscheidungen über die arabische Position hauptsächlich bestimmen,[1] musste jedoch auf britischen Druck in Beirut[1] bleiben. Der mit den Husseini verbundene Alfred Rock,[3] ein christlicher Grundbesitzer und Jaffas früherer Bürgermeister,[3] kam als Mitglied der Delegation ebenfalls nach London. Auch Vertreter der weitgehend entmachteten[1] Familie Naschaschibi,[2][3] welche häufig verhandlungsbereitere und tendenziell probritische Positionen einnahmen, waren zugegen.

Zusätzlich zu den Abgesandten des Jischuv und der palästinensischen Araber waren in St.-James erstmals[2] auch arabische Staaten beteiligt, namentlich der Saudi Faisal ibn Abd al-Aziz,[5][1] die Ägypter Erbprinz Abdel Mounim[5] und Ali Maher Pascha,[1] der irakische Premierminister Nuri as-Said,[5][1] Emir Hussein von Jemen[5] und der transjordanische Premierminister Tawfiq Abou al-Houda.[5] Die Briten hofften, dass sie mäßigend auf die Forderungen der palästinensischen Teilnehmer einwirken würden und dazu beitragen würden, die Palästina-Frage als Teil einer gesamtarabischen Politik mit entsprechendem Entgegenkommen zu sehen.[5] Indischen Muslimen,[4] die dies ebenfalls gewünscht hatten, wurde eine Teilnahme an der Konferenz verweigert.

Verhandlungsthemen und Ausgang

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Das Treffen endete am 17. März 1939 ergebnislos. Von jüdischer Seite wurden angesichts der besorgniserregenden Entwicklung in Deutschland höhere Einwanderungsquoten, zusätzliche jüdische Siedlungen und die Gründung legaler Verteidigungskräfte gefordert. Die jüdische Seite anerbot sich, britische Interessen in der Region verteidigen zu können.[1] Die Araber wiesen die Balfour-Deklaration zurück und verlangten, die jüdische Einwanderung und den Landkauf zu verbieten. Die britische Regierung sah sich am Vorabend des Zweiten Weltkrieges veranlasst, den Arabern gegenüber eine Versöhnungspolitik[1] zu betreiben und argumentierte mit der großen Bedeutung des regionalen Erdöls,[1] ihre Truppen sollten nicht durch neue Aufstände erhöht werden müssen.[1]

Britische Vorschläge an beide Seiten sahen Vetorechte in Grundsatzfragen und zur Einwanderung vor. MacDonald machte einen Vorschlag über die Verminderung der Einwanderung um 60–65 %[1] für die kommenden zehn[1] Jahre. Die anschließende Einwanderung sollte danach einem arabischen Veto[1] unterliegen. Diese Periode wurde von den Briten nachträglich auf fünf[1] Jahre verkürzt und es wurde ein einseitiges Unabhängigkeitsangebot[1] an die arabische Seite gemacht. Diese Meldung wurde der arabischen Presse bekannt, die sie in Palästina veröffentlichte.[1] Auch die Vertreter der arabischen Staaten hatten davon Kenntnis erhalten.[1] Die jüdische Seite erfuhr davon erst durch einen Fehler[1] der Briten in der Übermittlung der Regierungsvorschläge. Jüdische Extremisten[1] reagierten auf die auch für sie schockierenden Aussichten einer baldigen arabischen Unabhängigkeit mit mehreren Bombenanschlägen,[1] bei denen zahlreiche Araber starben.[1] Chaim Weizmann, dem in einer Abstimmung der Zionisten der Ausstieg aus den Verhandlungen nahegelegt wurde, gelang es mit der britischen Seite weitere „informal discussions“[1] anzubahnen.

Der jüdischen Seite legte MacDonald dar, dass dies einer jährlichen Einwanderung von 15.000[1] Personen entspräche. Faktisch erreichte diese allein im Jahr 1935 rund 62.000[1] Personen. Die arabische Seite wollte MacDonald mit dem Argument umstimmen, dass jüdisches Kapital[1] für den Aufbau Palästinas notwendig sei, was diese als ein altbackenes[1] Argument ablehnten. Vergeblich versuchte MacDonald die jüdische Seite davon zu überzeugen, dass die ihnen versehentlich zuhandengekommenen Vorschläge keineswegs Großbritanniens abschließenden Willen darstellten und versuchte sie für eine weitere Konferenz in fünf[1] Jahren zu gewinnen. Die arabische Seite hatte sich inzwischen bereits vollständig auf die in Aussicht gestellte Unabhängigkeit festgelegt und war noch weniger bereit, eine weitere Konferenz in fünf Jahren abzuhalten.[1] Die Gespräche darüber waren ab dem Wochenende des 24.–26. Februar 1939[1] vollständig blockiert. Husseini präsentierte indes seine Maximalforderung einer Unabhängigkeit innerhalb von drei[1] Jahren am Vorbild des Irak, gegen arabische Vermittlungsversuche zeigte er sich gleichgültig.[1]

Michael Cohen, Historiker und emeritierter Professor der dem traditionalistischen Teil der israelischen Gesellschaft nahe stehenden Bar-Ilan-Universität, bezeichnet die Schlusssitzung der Konferenz am 7. März 1939 als einen „Dialogue of the deaf“[1] (dt. Dialog der Tauben). Weizmann und Ben-Gurion gaben an, im Namen des jüdischen Volkes keine Kompromisse machen zu können.[1] Ali Maher Pascha lobte[1] zwar die Leistungen der Zionisten in Palästina, meinte aber, es gäbe keine Möglichkeit, die Zahl des bisher 400.000 Juden im Land noch zu erhöhen.[1] Jede weitere Unterredung am nächsten Tag lehnten beide Seiten ab.[1] Am 15. und 17.[1] März lehnten sie auch das abschließende Angebot der britischen Regierung ab. Die Briten führten danach Verhandlungen mit arabischen Staaten in London, und in Kairo durch Botschafter Miles Lampson,[1] dort auch mit Amin al-Husseini. Es folgte das Weißbuch von 1939, das in wesentlichen Teilen in Kairo entstand.[1]

  • Allon Gal: David Ben-Gurion and the American Alignment for a Jewish state. Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis 1991, ISBN 0-253-32534-X, S. 48 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Commons: St.-James-Konferenz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax Michael Joseph Cohen: Britain’s Moment in Palestine – Retrospect and Perspectives, 1917–48. In: Efraim Karsh, Series Editor (Hrsg.): Israeli History, Politics and Society Series. Band 55. Routledge (Taylor & Francis Group), London/New York 2014, ISBN 978-0-415-72985-7, 297–301 und Fußnote 25, S. 305.
  2. a b c d Amnon Cohen, préface de Michel Abitbol et Abdou Filali-Ansary: Juifs et musulmans en Palestine et en Israël – Des origines à nos jours. In: Collection Texto. 2. Auflage. Éditions Tallandier, Paris 2021, ISBN 979-1-02104776-1, S. 138 f.
  3. a b c d e Nathan Weinstock: Terre promise, trop promise – Genèse du conflit israélo-palestinien (1882–1948). Hrsg.: Alexandra Laignel-Lavastine. Éditions Odile Jacob, Paris 2011, ISBN 978-2-7381-2684-9, S. 218, 267.
  4. a b c d Dan Diner: Ein anderer Krieg – Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg, 1935–1942. 3. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt (Penguin Random House), München 2021, ISBN 978-3-421-05406-7, S. 76.
  5. a b c d e f g Bichara Khader: L’Europe et la Palestine : des croisades à nos jours. In: Jean-Paul Chagnollaud (Hrsg.): Collection Comprendre le Moyen-Orient. Éditions L’Harmattan/Éditions Bruylant (Bruylant-Academia)/Éditions Fides et Labor, Paris-Montréal/Bruxelles/Genève 1999, ISBN 978-2-7384-8609-7, S. 167 f.
  6. Rashid Khalidi: Der hundertjährige Krieg um Palästina. Eine Geschichte von Siedlerkolonialismus und Widerstand. Deutsch von Lucien Leitess. Unionsverlag, Zürich 2024, ISBN 978-3-293-00603-4, S. 64.