Schachbrettstein
Schachbrettsteine mit ihren meist hellen und dunklen Feldern sind ein seltener Bauschmuck an den Außenwänden mittelalterlicher spätromanischer und frühgotischer Feldsteinkirchen. Sie wurden bevorzugt im Eingangsbereich oder an Mauerecken von Apsis, Chor, Schiff und Turm gut sichtbar angebracht. Die dänischen und deutschen Kirchen mit Schachbrettsteinen stammen aus der gleichen Zeit und in beiden Bereichen muss davon ausgegangen werden, dass die Steine mit dem Kirchenbau assoziiert wurden. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass in beiden Bereichen keine Korrelation zwischen dem Auftreten des gleichen Phänomens besteht.
Vorkommen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ebenso wie andere Brettspieldiagramme, beispielsweise Mühle oder Alquerque, findet sich das gerasterte Schachbrettdiagramm häufig im sakralen Kontext mittelalterlicher Kirchenbauten, wo es im allegorischen Sinn für das Gute und Harmonische steht, z. B. in Frankreich und Italien.[1] Steine mit Schachbrettmustern an Feldsteinkirchen konzentrieren sich dagegen auf zwei europäische Regionen: Jütland in Dänemark sowie der Oderraum im heutigen Deutschland und Polen.[2] Weitere Exemplare kommen in Norwegen, Schweden und auf Bornholm vor.[3]
Deutschland und Polen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anzutreffen sind die Steine vor allem an 50 Kirchen beispielsweise der Uckermark: Dobberzin, Gerswalde bei Templin, Schmargendorf bei Angermünde, Schönermark, Serwest bei Angermünde, Weselitz bei Prenzlau (heute Gemeinde Uckerfelde), aber auch Retzin (Gemeinde Ramin) und Plöwen im vorpommerschen Teil der Uckermark. In der Niederlausitz: Frankena bei Doberlug-Kirchhain, Werenzhain bei Doberlug-Kirchhain, Pritzen (heute Gemeinde Altdöbern), zwischen Spree- und Havelgebiet: Herzberg (Rietz-Neuendorf), in Neuendorf im Sande, heute Gemeinde Steinhöfel bei Fürstenwalde, Stradow (Spremberg) sowie westlich von Berlin in der Dorfkirche von Groß Glienicke (Stadt Potsdam).
In Märkisch-Oderland finden sich Schachbrettsteine unter anderem an der ehemaligen Zisterzienserinnenkirche von Altfriedland[4], an den Feldsteinkirchen Hönow, (die Dorfkirche in Grunow weist die ungewöhnliche Zahl von sieben Schachbrettsteinen auf), Mallnow, Ihlow und Friedersdorf. Im Landkreis Oder-Spree gibt es derartige Steine in Tempelberg und am Dom St. Marien zu Fürstenwalde.
Auch östlich der Oder im heutigen Polen sind derartige Steine zu finden, z. B. in Radów, Gosław, Dolsko, Godków, Lubiechów Górny, Kowalów.
Dänemark
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Nordjütland gibt es 48 Kirchen mit insgesamt 67 Schachbrettsteinen (dänisch Skakbrætsten) z. B. an der Bejstrup, Bislev, Farsø, Grønning, Mejlby, Nørbæk, Nørretranders und Skallerup (mit je 3 Steinen), Skarp Salling, Sønderhå (mit 4 Steinen), Spørring, Svenstrup, Tilst, Vivild (mit 3 Steinen), Kirchenruine von Randrup und der Ørum Kirke. Auf Bornholm findet sich einer in der Sankt Pouls Kirke. Elf Kirchen haben mehrere Schachbrettsteine.[5] Es gibt keine Beispiele aus Südjütland, Fünen und Seeland. An der Verteilung ist auffallend, dass die ältesten Kirchen mit Schachbrettsteinen in Jütland vorkommen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Phänomen in Dänemark seinen Anfang nahm und von dort durch Bauhütten in die übrigen Regionen ausstrahlte.[6]
Deutungsversuche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Vergesellschaftung von Schachbrettsteinen mit Diagrammen anderer Brettspiele sowie mit Emblemen von Ritterorden legt nahe, dass ihre Verwendung in der zeitgenössischen Metaphorik des Schachspiels begründet ist, das in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor allem durch den Ritterstand verbreitet wurde. Weitere Charakteristika der Ornamentsteine erklären sich ebenfalls im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Schachlogik, beispielsweise ihre bevorzugte Position im Gebäudeeckverband, ihre Verwendung in Kirchen mit Marien- und Christus-Patrozinien sowie ihre Verbindung mit volkstümlichen Teufelslegenden.[6]
Eine andere Erklärung geht davon aus, dass sie als eine Art Wappen der Askanier oder der Zisterzienser zu verstehen seien, da einige Kirchen in deren Machtbereich entstanden und vermutlich aus diesem Grunde entsprechend gekennzeichnet waren. Die Kirchen stammen zumeist aus der Zeit der Osterweiterung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als das Gebiet von den aus dem Westen kommenden Askaniern in Besitz genommen und christianisiert wurde. Diese Deutung erklärt jedoch nicht ihr Vorkommen im skandinavischen Raum.
Eine weitere These kommt zu dem Schluss, es könnte sich um Zunftzeichen der Maurer, Zimmerleute und Steinmetze handeln, die bei den Bauten tätig wurden. Doch dafür ist die Herstellung derartiger Muster viel zu aufwendig.
Die Steine sind anscheinend auch keine Schmuckelemente, denn dazu ist der Ort ihrer Anbringung (Ecken und Winkel) ungeeignet.
Schachbrettmuster gehören im weitesten Sinne zu den Netz- oder Gitterformen, die in ihrer Gesamtheit als unheilabwehrend (apotropäisch) verstanden werden können. Diese Interpretation wird untermauert durch die ausschließliche Anbringung der Steine an Außenwänden. Als Zeichensteine kommen geometrische Ritzungen bereits seit der Vorzeit vor.
Legende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine andere Deutung bezieht sich auf eine Legende: Der Teufel spielte Schach mit dem Herrn um den Bau der Kirchen und die armen Seelen. Als er verlor, bekam das Schachbrett zur Erinnerung seinen Platz beim Bau der Kirche in Form dieser Steine. Schwarz und weiß stünden somit für Gut und Böse, Leben und Tod, Anfang und Ende.[7]
Sonstiges
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weiterhin gibt es Steine mit Rhombenmuster, welche dem Damebrett des Mittelalters entsprechen, aber auch Zacken-, Linien- und Kreuzmuster, wie das Jerusalemer Kreuz der Templer und Zeichensteine.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bönisch, Eberhard (2010): Ornament oder Sinnbild? Schachbrettmuster an Feldsteinkirchen, in: Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e. V.: Offene Kirchen 2010. Brandenburgische Kirchen laden ein, S. 8–11 ISBN 3-928918-47-8 (online bei www.altekirchen.de)
- Bönisch, Rudolf (1994): Schachbrettsteine und anderer Bauschmuck an den ältesten Feldsteinkirchen der Niederlausitz, in: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte; 23, Theiss-Verlag, Stuttgart, S. 249–265 ISBN 3-8062-1094-2
- Kerstin Geßner/ Annett Dittrich: Spiel mit dem Teufel. Die Schachbrettsteine von Altfriedland und die Allegorese von Brettspielen an spätromanisch-frühgotischen Sakralbauten in Mittel- und Nordeuropa. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 2021/22. S. 9–26 (academia.edu).
- Wilhelm Jung, Willy Spatz und Theodor Goecke (Bearb.) (1913): Die Kunstdenkmäler des Kreises Weststernberg, in: Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg Band IV, Teil 3, Berlin, Vossische Buchhandlung
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Schachbrettsteine an Feldsteinkirchen. Abgerufen am 3. September 2024.
- Schachbrettsteine In Brandenburg. Abgerufen am 3. September 2024.
- Skakbrætsten i middelalderkirker - en uløst gåde. Abgerufen am 3. September 2024 (dänisch).
- Theo Engeser und Konstanze Stehr: Ornamentik. In: Mittelalterliche Dorfkirchen im Teltow (südl. Berlin und Brandenburg). Abgerufen am 3. September 2024.
- Szachownice katalog (Katalog von Schachbrettornamenten). In: architektura.pomorze.pl. Abgerufen am 3. September 2024 (polnisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Category:San Lorenzo (Genoa) - Exterior – Wikimedia Commons. Abgerufen am 24. September 2023.
- ↑ Schachbrettsteine an Feldsteinkirchen. Abgerufen am 24. September 2023.
- ↑ Skakbrætsten i middelalderkirker - en uløst gåde. Abgerufen am 24. September 2023.
- ↑ Kerstin Gessner: Wiederentdeckt. Die vergessenen Schachbrettsteine an der ehemaligen Klosterkirche von Altfriedland. In: Jahrbuch Märkisch-Oderland. 1. Januar 2022 (academia.edu [abgerufen am 24. September 2023]).
- ↑ Skakbrætsten.
- ↑ a b Kerstin Gessner: Spiel mit dem Teufel. Die Schachbrettsteine von Altfriedland und die Allegorese von Brettspielen an spätromanisch-frühgotischen Sakralbauten in Mittel- und Nordeuropa. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 2021/22, S. 9--26. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. 1. Januar 2021 (academia.edu [abgerufen am 24. September 2023]).
- ↑ Kirchengemeinde Groß Glienecke