Evangelische Theologie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Evangelische Theologie ist eine Wissenschaft. Sie gliedert sich in die Unterdisziplinen Altes Testament, Neues Testament, Kirchengeschichte, Systematische Theologie (Dogmatik und Ethik) sowie Praktische Theologie. Manchmal werden auch Missionstheologie, Kirchenrecht und andere Teildisziplinen hinzugezählt. „Evangelisch“ ist hierbei Selbstbezeichnung der Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind. Evangelische Theologie bezieht sich in besonderer Weise auf das Evangelium bzw. die Bibel und auf die Bekenntnisschriften, wobei der Kanon der lutherischen Bekenntnisschriften abgeschlossen ist (BSLK), während in den Kirchen reformierter Tradition weltweit immer wieder neue Bekenntnistexte formuliert werden, auf die reformierte Theologen sich in ihrer Argumentation beziehen können.

Die theologische Forschung sucht in ihrem Reflektieren auch den Dialog mit den anderen Wissenschaften.

Eine wesentliche Funktion der theologischen Ausbildung liegt in der Vorbereitung auf kirchliche Tätigkeiten.

Universität Wittenberg, 19. Jahrhundert

Die evangelische Theologie befasst sich in ihren Teildisziplinen einerseits mit historischen Fragen und wendet dabei die Methoden der Geschichtswissenschaft und anderer historischer Wissenschaften an, andererseits mit der Exegese der Bibel, wozu Methoden aus der Literaturwissenschaft verwendet werden. Außerdem begleitet sie kritisch und reflektierend das heutige Leben der Kirche (Praktische Theologie), dabei bezieht sie Kenntnisse der Psychologie, Soziologie, Pädagogik und anderer Humanwissenschaften in ihre Theoriebildung mit ein. Des Weiteren mit den Grundfragen des christlichen Glaubens und der Moral und Ethik; als Systematische Theologie steht sie dabei auch im ständigen Dialog mit der Philosophie und den Naturwissenschaften. Hierbei steht ein konsequentes und wissenschaftliches Arbeiten mit anerkannten Methodiken im Mittelpunkt. Die evangelische Theologie dient der Kirche als Organisation, indem sie angehenden Pfarrern das nötige theoretische Wissen für ihre Arbeit vermittelt. Gerade unter letzterem Aspekt steht sie den Kirchen auch als korrigierende Instanz gegenüber und ist keinem Lehramt verpflichtet. Das ist einer der Gründe, weshalb sie ihren Ort an den staatlichen Universitäten findet. Die Dozenten sollen von den jeweiligen Kirchen unabhängig sein.

Bedeutende Theologen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige evangelische Theologen haben das Bild der evangelischen Theologie besonders geprägt, etwa August Hermann Francke, Albrecht Ritschl, Ernst Troeltsch, Friedrich Schleiermacher, Johann Hinrich Wichern, Friedrich Gogarten, Adolf von Harnack, Theodor Zahn, Albert Schweitzer, Adolf Schlatter, Paul Tillich, Karl Barth, Emil Brunner, Rudolf Bultmann, Dietrich Bonhoeffer, Helmut Thielicke, Kurt Aland, Dorothee Sölle, John Stott.

Grundtexte der neueren evangelischen Theologie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bestimmte Texte sind im Laufe der evangelischen Theologie besonders wirksam geworden. Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl bedeutender Texte, sortiert nach Theologen in Reihenfolge ihres Geburtsjahres. Die Textauswahl ist in Anlehnung an Wilfried Härle vorgenommen.[1]

Namen Wichtige Texte
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834) Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799)
Kurze Darstellung des theologischen Studiums (21830)
Der christliche Glaube. Band 1 (21830/31)
David Friedrich Strauß (1808–1874) Das Leben Jesu (1835/36)
Der alte und der neue Glaube (1872)
Sören Kierkegaard (1813–1855) Furcht und Zittern (1843)

Die Krankheit zum Tode (1849)

Albrecht Ritschl (1822–1889) Unterricht in der christlichen Religion (1875)
Martin Kähler (1835–1912) Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus (1892)
Johann Georg Wilhelm Herrmann (1846–1922) Unser Glaube an Gott (1912)
Adolf von Harnack (1851–1930) Das Wesen des Christentums (1899/1900)
Ernst Peter Wilhelm Troeltsch (1865–1923) Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902)
Albert Schweitzer (1875–1965) Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung (1913)
Rudolf Otto (1869–1937) Das Heilige (1917)
Friedrich Gogarten (1887–1967) Zwischen den Zeiten (1921)

Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit (1953)

Rudolf Bultmann (1884–1976) Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? (1925)
Neues Testament und Mythologie (1941)
Werner August Friedrich Immanuel Elert (1885–1954) Gesetz und Evangelium (1948)
Karl Barth (1886–1968) Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie (1922)
Die Lehre vom Wort Gottes – Prolegomena zur kirchlichen Dogmatik (1932)
Die Menschlichkeit Gottes (1956)
Karl Barth u. a. Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der deutschen evangelischen Kirche (Barmer Theologische Erklärung 1934)
Paul Tillich (1886–1965) Systematische Theologie, Band 1 (1951)
Paul Althaus (1888–1966) Die christliche Wahrheit (1947)
Emanuel Hirsch (1888–1972) Weltbewusstsein und Glaubensgeheimnis (1967)
Emil Brunner (1889–1966) Unser Glaube: eine christliche Unterweisung (1939)
Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) Nachfolge (1937)
Widerstand und Ergebung (1944)
Erwin Metzke (1906–1956) Sakrament und Metaphysik (1948)
Helmut Gollwitzer (1908–1993) Revolution als theologisches Problem (1970)
Gerhard Ebeling (1912–2001) Das Wesen des christlichen Glaubens (1959)
Wolfhart Pannenberg (1928–2014) Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung (1961)
John Hick (1922–2012) Verifikation im Jenseits (1963)
John B. Cobb (* 1925) / David Ray Griffin (1939–2022) Prozess-Theologie (1976)
Jürgen Moltmann (1926–2024) Der Gott der Hoffnung (1967)
Politische Theologie (1984)
Dietrich Ritschl (1929–2018) „Story“ als Rohmaterial der Theologie (1976)
Dorothee Sölle (1929–2003) Atheistisch an Gott glauben? (1968)
Eberhard Jüngel (1934–2021) Die Welt als Möglichkeit und Wirklichkeit (1969)
Der menschliche Mensch (1985)
- Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie) (1973)
Falk Wagner (1939–1998) Die Wirklichkeit Gottes als Geist (1977)
Walter Altmann (* 1944) Bekehrung, Befreiung und Rechtfertigung (1983)
Rosemary Radford Ruether (1936–2022) Kann ein männlicher Erlöser Frauen erlösen? (1983)
Eilert Herms (* 1940) Offenbarung (1985)
Wolfgang Huber (* 1942) Gute Theologie (2004)
Ingolf Ulrich Dalferth (* 1948) Volles Grab, leerer Glaube? Zum Streit um die Auferweckung des Gekreuzigten (1998)

Die Regelstudienzeit des Studiums der evangelischen Theologie umfasst je nach Bundesland und Landeskirche 9 bis 10 Semester. Hinzu kommen je nach Bedarf 2 Semester für das Erlernen der Sprachen Althebräisch und Altgriechisch. Neben Hebraicum und Graecum (eine der beiden Sprachen beim M.A. sowie kombinierten BA und MA mit Theologie im Hauptfach, mit Theologie im Nebenfach keine der beiden) ist für das Studium das Latinum erforderlich, für dessen Erlernen jedoch in der Regel kein Semester hinzugefügt wird.
In der Regel wird während des Studiums auch ein Philosophicum und ein Biblicum abgelegt.

Der Studiengang Evangelische Theologie kann mit dem ersten kirchlichen Examen oder dem Diplom abgeschlossen werden. Daneben ist auch ein Magister- / BA-MA-Studium möglich. Der dem Studium verwandte Lehramtsstudiengang heißt „Evangelische Religionslehre“ und schließt mit der ersten Staatsprüfung ab.

Das Grundstudium umfasst vier bis fünf Semester – zzgl. „Sprachsemester“ –, in denen der Schwerpunkt auf den Biblischen Wissenschaften und der Kirchen- und Dogmengeschichte liegt. Das Grundstudium schließt mit der Zwischenprüfung bzw. Diplomvorprüfung ab, die in der Regel aus einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung sowie einer sechswöchigen Hausarbeit besteht.

Im viersemestrigen Hauptstudium werden die Fächer etwa gleichmäßig behandelt, jedoch steht es den Studierenden frei, selbst Schwerpunkte zu setzen.

Im Diplom- bzw. Examensstudiengang wird die Regelstudienzeit noch um ein weiteres Semester zur Prüfungsvorbereitung ergänzt. Voraussetzung für den Abschluss des Studiums (außer M.A.) ist die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche, die der ACK angehört.

Nach dem Abschluss mit dem Diplom, erstem kirchlichem Examen, M.A. (Hauptfach) oder Master sind Promotion zum Dr. theol. und Habilitation möglich.

Geschichte der evangelisch-theologischen Schulen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

16. Jahrhundert

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die evangelische Theologie knüpft nicht nur an die Dogmen und Symbole (wie z. B. dem Glaubensbekenntnis) der Alten Kirche an, sondern ist auch geprägt vom Werdegang der großen Reformatoren. Zu nennen sind besonders Martin Luther, Ulrich Zwingli, Philipp Melanchthon, Johannes Calvin.

Insbesondere ist die Rechtfertigung aus dem Glauben (sola fide) ein zentrales evangelisches Thema. Außerdem hat die Reformation etwaige Mängel der Scholastik stärker gewichtet und den Schwerpunkt der Theologie auf die Schrift und das „was Christum treibet“ verlagert (sola scriptura).

Die westliche Kirche spaltet sich im sogenannten konfessionellen Zeitalter in das Luthertum, den Calvinismus und den römischen Katholizismus, wobei der Anglikanismus als „via media“, in der sowohl katholische als auch evangelische Inhalte, Formen und Überzeugungen von Bedeutung sind, „in der Mitte stehend“, zwischen den beiden Polen Tradition und Schrift moderat vermittelnd, eine Sonder- bzw. Mischform darstellt. 1648 endet im Westfälischen Frieden der Dreißigjährige Krieg.

17. und 18. Jahrhundert

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Zeit des Pietismus und der Aufklärung wurden die reformatorischen Ansätze einer grundsätzlichen Kritik unterworfen. Grundsätzliche Konfliktfelder ergaben sich durch die inzwischen selbstbewusst vorgetragenen Anfragen an die Theologie. Von führenden Philosophen der Aufklärung wurden beispielsweise die Fundamente des Glaubensbekenntnisses und der Bibel als alleiniger Quelle göttlicher Offenbarung in Frage gestellt.

Dass sowohl Georg Wilhelm Friedrich Hegel als auch Friedrich Schleiermacher an der neu gegründeten Universität von Berlin lehrten, hat die evangelische Theologie ebenso geprägt, wie die Proklamation der preußischen unierten Kirche des Königs Friedrich Wilhelm III. (Preußen). Im Umbruch der Theologie nach dem Ersten Weltkrieg entsteht unter anderem die Dialektische Theologie.

Universitäten und Hohe Schulen im Zeitalter des Konfessionalismus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wichtigsten protestantischen Ausbildungsstätten (Universitäten) für den deutschsprachigen Raum waren bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen der lutherischen und reformierten Konfession getrennt. Sie lagen teilweise – besonders für die Ausbildung reformierter Theologen – im Bereich der heutigen Niederlande oder im angrenzenden „Ausland“. Lutherische Universitäten gab es auch in Skandinavien. Eine eigenständige Entwicklung im Bereich der protestantischen Theologie nahmen die englischen und schottischen Hochschulen. Ein Studium von Protestanten an katholischen Universitäten war – auch an den nichttheologischen Fakultäten – durch Immatrikulationseid oder Doktoreid nach einer Bulle von Papst Pius IV. (1564) bis auf wenige Ausnahmen (Padua, Bourges, Orléans, Angers, Ingolstadt) ausgeschlossen. 1732 wurde den theologischen Kandidaten in Brandenburg-Preußen das Studium in der Schweiz, England und Holland, das König Friedrich Wilhelm I. für partikularistisch hielt, verboten. Ab 1749 galt das Verbot auch in der neupreußischen Provinz Ostfriesland, aus deren Bereich zuvor viele Theologen in den Niederlanden studiert hatten.

An Hohen Schulen oder Akademischen Gymnasien (Gymnasium Illustre, Archigymnasium, Gelehrtenschule, Akademie) wurden der Stoff der universitären Artistenfakultät vermittelt und propädeutische theologische Vorlesungen gehalten. Diese Lehranstalten hatten im Unterschied zu den Universitäten nicht das kaiserliche Privileg, akademische Grade zu verleihen.

Unterrichts- und Wissenschaftssprache an allen Ausbildungsstätten war bis in das 18. Jahrhundert hinein Latein. Promotionsschriften wurden noch im 19. Jahrhundert in lateinischer Sprache veröffentlicht.

Utraquisten und Brüderunität

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unitarisch und sozinianisch

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neugründung von wissenschaftlichen theologischen Ausbildungsstätten im deutschsprachigen Raum nach dem Ende des Alten Reiches

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Ende des Alten Reiches spielten die traditionellen innerprotestantischen konfessionellen Gegensätze bei der Gründung von neuen Ausbildungsstätten für Berufe im kirchlichen Bereich eine untergeordnete Rolle. Es kam zu folgenden Neugründungen von Universitäten und theologischen Seminaren (ohne Fakultäten und Fachbereiche mit einem Schwerpunkt auf der Ausbildung für Evangelischen Religionsunterricht):

Hochschulen mit Promotions- und Habilitationsrecht

Hochschulen für angewandte Wissenschaften in landeskirchlicher, freikirchlicher oder freier Trägerschaft

  • Heinz Zahrnt: Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert. Piper, München 2002, ISBN 3-492-20890-8.
  • Hermann Fischer: Systematische Theologie, Konzeptionen und Probleme im 20. Jahrhundert (Grundkurs Theologie; Bd. 6). Kohlhammer, Stuttgart 1992, ISBN 3-17-010027-0.
  • Hermann Fischer: Protestantische Theologie im 20. Jahrhundert, Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-015754-X.
  • Theologische Ausbildung in der EKD. Dokumente und Texte aus der Arbeit der Gemischten Kommission für die Reform des Theologiestudiums / Fachkommission I (Pfarramt, Diplom und Magister Theologiae) 2005–2013, hg. von Michael Beintker und Michael Wöller unter Mitarbeit von Michael Beyer und Alexander Dölecke, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2014, ISBN 978-3-374-03755-1.
  • Roman Heiligenthal, Thomas Martin Schneider (Hrsg.): Einführung in das Studium der Evangelischen Theologie. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-018045-2.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Wilfried Härle: Grundtexte der neueren evangelischen Theologie. 2. Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2012.