Borrelien

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Borrelien

Borrelia burgdorferi in 400-facher Vergrößerung.

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Spirochaetae
Klasse: Spirochaetes
Ordnung: Spirochaetales
Familie: Spirochaetaceae
Gattung: Borrelien
Wissenschaftlicher Name
Borrelia
Swellengrebel 1907

Borrelien (wissenschaftlicher Name Borrelia) bilden eine Gattung relativ großer, schraubenförmiger (auch spiralförmig), gramnegativer Bakterien aus der Gruppe der Spirochäten. Benannt wurden sie nach Amédée Borrel, einem Bakteriologen aus Straßburg (1867–1936). Die meisten Arten sind pathogen für Menschen oder Tiere. Die Lyme-Borreliose und das Rückfallfieber sind Beispiele für Infektionskrankheiten, die durch Borrelien verursacht werden.

Schematische Zeichnung einer Zelle von Borrelia burgdorferi

Erscheinungsbild

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Die Zellen sind wendelförmig, haben wenige (meist fünf bis sieben), relativ große Windungen und lassen sich im Unterschied zu anderen Spirochätengattungen mit üblichen Färbemitteln gut darstellen. In der Gram-Färbung erscheinen sie gramnegativ. Sie sind aktiv beweglich und zeigen die für Spirochäten typische, besondere Bewegungsweise. Die Zellen erscheinen mit einem Durchmesser von 0,2–0,5 µm und einer Länge von 8–30 µm dünn und lang.[1]

Formveränderung

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In-vitro-Studien weisen darauf hin, dass Borrelien in der Lage sind, ihre ursprüngliche längliche Gestalt unter Stress in eine Kugelform umzuwandeln. Zudem zeigen entsprechende Studien, dass Borrelien auch noch in weiteren Formvarianten vorkommen können, die unter den Oberbegriffen L-Formen oder Sphaeroplasten zusammengefasst werden.[2] Sphaeroplasten besitzen eine defizitäre Zellwand oder sind sogar zellwandlos. Es gibt des Weiteren Hinweise, dass diese Formen sowohl intrazellulär als auch extrazellulär vorkommen können und in der Lage sind, sich trotz ihrer zellwandlosen Form zu teilen und sich auch wieder in komplette Formen zurückzuentwickeln.[3]

Wachstum und Stoffwechsel

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Borrelia-Arten sind heterotroph. Ihr Stoffwechsel ist mikroaerophil, sie wachsen also bevorzugt bei einer Sauerstoffkonzentration, die deutlich geringer ist als die von normaler Luft.[1] Die Beschreibung und Identifizierung dieser Bakterien ist schwierig, da sie sich nicht mit den in der Mikrobiologie üblicherweise verwendeten Nährmedien kultivieren lassen. Sie reagieren empfindlich auf geringe Mengen von Detergenzien oder Gallensalzen, außerdem benötigen sie zahlreiche Wachstumsfaktoren, wie Aminosäuren, Peptone, Vitamine und N-Acetylglucosamin, ein Baustein der Mureinschicht in der bakteriellen Zellwand. Optimales Wachstum erfolgt bei einem pH-Wert von 7,6 im Nährmedium und einer Inkubation bei 34–37 °C.[4] Eine weitere Eigenheit der Gattung ist, dass sie ganz ohne Eisen auskommt und als Cofaktor für wichtige Enzyme stattdessen Mangan verwendet.[5]

Während die meisten Prokaryoten zirkuläre Chromosomen besitzen, haben Borrelien lineare DNA.[6] Der GC-Gehalt (der Anteil der Nukleinbasen Guanin und Cytosin) in der DNA von Borrelia-Arten ist niedrig, er liegt bei 27–30 Molprozent.[7] Viele Arten besitzen neben dem Bakterienchromosom noch mehrere Plasmide, bei Borrelia burgdorferi wurden 17 Plasmide nachgewiesen,[1] bei B. duttonii sind es neun bis elf, bei B. recurrentis fünf bis sechs.[8]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es äußerst schwierig, Borrelien in einem Nährmedium zu kultivieren. Einige erfolgreiche Versuche basierten auf der Verwendung der Flüssigkeit, die bei Aszites in der Bauchhöhle gebildet wird. Dieses Medium wurde später durch aus Tieren gewonnenem Blutserum ersetzt.[4] Erst in den 1980er Jahren gelang die Herstellung eines Nährmediums, mit dem einige Arten in vitro vermehrt werden konnten, so dass sie weiteren Untersuchungen zugänglich waren.[8] Das sogenannte BSK II Medium hat eine Zusammensetzung, wie sie für Nährmedien in der Zellkultur üblich ist. Es enthält neben zahlreichen Wachstumsfaktoren auch Gelatine und Kaninchenserum.[4]

Der Nachweis von Borrelien im Blut des Patienten erfolgt durch serologische Tests, bei denen als Antigene wirkende Strukturen der Bakterienzellen mit Hilfe von Antikörpern nachgewiesen werden. So erfolgt häufig ein Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA), mit dem Flagellin, ein Protein der Endoflagellen, nachgewiesen wird, oder ein Western Blot, auch Immunoblot genannt, zum Nachweis der Oberflächenproteine.[1] Weitere Verfahren im Rahmen der Diagnostik sind im Artikel Lyme-Borreliose beschrieben.

Reservoirwirte sind unter anderem kleine Nager wie beispielsweise Ratten und Mäuse, von denen sie dann mittels Vektoren, wie zum Beispiel Zecken, auf sehr unterschiedliche Lebewesen übertragen werden. Viele Tiere sind gegen die Borrelien immun, andere wie zum Beispiel Pferd und Hund oder auch der Mensch sind nicht immun.

Die Gattung Borrelia zählt zu der Familie der Spirochaetaceae in der Ordnung der Spirochaetales. Die Typusart ist Borrelia anserina. Die Gattung wurde 1907 von Nicolaas Hendrik Swellengrebel erstbeschrieben.[9] Wegen der schwierigen Kultivierung in Nährmedien ist bei vielen Borrelia-Arten kein Typusstamm in einer Sammlung von Mikroorganismen hinterlegt. Obwohl dies eine Regel des Bakteriologischen Codes ist, wurden in der auf dem neu organisierten Code basierenden Approved Lists of Bacterial Names (engl. für „anerkannte Listen der Bakteriennamen“) von 1980 die bis dahin beschriebenen Arten anerkannt. Es findet sich jeweils die Bemerkung, dass keine Kultur verfügbar sei.[10]

Dies ist mit Auswirkungen für die Systematik verbunden, da ein Typusstamm beschrieben und für weitere Untersuchungen hinterlegt sein muss, um bei der möglichen Entdeckung einer neuen Art Vergleiche mit vorhandenen Spezies durchführen zu können. Bei einigen Arten (z. B. B. duttonii, dem Erreger des mittelafrikanischen Rückfallfiebers) ist die Kultivierung des Typusstamms nachträglich erfolgt.[8] Bei nach 1980 erstbeschriebenen Arten müssen die Regeln des Bakteriologischen Codes eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, werden sie nicht als eigene Spezies anerkannt, sondern erhalten den Status Candidatus, dies ist bei „Candidatus Borrelia texasensis“ der Fall.[11] Seit den 1990er Jahren werden zunehmend phylogenetische Untersuchungen durchgeführt, um die Verwandtschaftsverhältnisse zu erforschen. Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass die als Borrelia burgdorferi sensu lato (lateinisch sensu lato, „im weiteren Sinne“) bezeichnete Gruppe aus nah miteinander verwandten Arten besteht.[7] Sie wurden zuvor teilweise als Genomgruppe (englisch genomic group) oder Genospezies (englisch genospecies) bezeichnet.

Innere Systematik

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Innerhalb der Gattung werden regelmäßig neue Arten beschrieben. Bis 2014 waren 39 Arten bekannt, bis 2020 hat sich die Anzahl auf 43 Arten erhöht:[9]

Wichtige Borrelienarten

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Daneben kommen regional verbreitet weitere Borrelien vor, die Erkrankungen ähnlich dem Rückfallfieber auslösen können.

Medizinische Bedeutung

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Verschiedene Borrelien sind als Krankheitserreger von Bedeutung. Bei den verursachten Krankheiten handelt es sich u. a. um die Lyme-Borreliose mit der Neuroborreliose als eine Manifestationsform, das Borrelien-Lymphozytom, das Rückfallfieber sowie die Lyme-Borreliose des Hundes.

Humanpathogene Borrelienarten

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Die häufigste in Deutschland/Europa vorkommende Borrelienart ist Borrelia burgdorferi. Während in den USA vor allem die Genospezies B. burgdorferi sensu stricto vorkommt, treten in Europa weitere für den Menschen gefährliche Spezies auf. Dies sind insbesondere B. garinii, B. afzelii, B. valaisiana, B. lusitaniae und B. spielmanii. Ob auch andere Spezies humanpathogen sind, ist noch ungeklärt.

Alle europäischen Borrelien-Genospezies wurden auch in Deutschland in Zecken gefunden. Studien weisen darauf hin, dass die einzelnen Genospezies schwerpunktmäßig für die jeweiligen Krankheitsmanifestationen verantwortlich sein könnten. Allerdings kann jede Spezies vom Grunde her auch jede Krankheitsmanifestation verursachen. Überschneidungen verschiedener Symptome sowie Kombinationen von verschiedenen Krankheitsmanifestationen sind möglich.

Neuere Studien weisen darauf hin, dass die verschiedenen Genospezies offensichtlich unterschiedlich komplement-sensitiv bzw. -resistent sind.

Geographische Verbreitung

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Die Verteilung der Genospezies von B. burgdorferi ist in Deutschland je nach Region unterschiedlich. Allerdings gibt es hierzu nur begrenztes Studienmaterial. Am häufigsten ist B. afzelii (etwa 30 %), gefolgt von B. garinii (etwa 20 %), B. valaisiana (etwa 13 %) und B. burgdorferi sensu stricto. (etwa 7 %). Nicht zuzuordnen sind etwa 10 % der Borrelien in Zecken.

In den USA kommt vorwiegend die Spezies B. burgdorferi sensu stricto vor, die auch in Europa vorhanden ist. Wegen der größeren Heterogenität der europäischen Genospezies sind die amerikanischen Studien zur Pathogenese, Diagnose und Behandlung sowie zur Impfstoff-Entwicklung nicht in allen Bereichen übertragbar.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock Mikrobiologie. Deutsche Übersetzung herausgegeben von Werner Goebel, 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg/Berlin 2000, ISBN 3-8274-0566-1, S. 349, 597–600, 971.
  2. V. P. Mursic u. a.: Formation and cultivation of Borrelia burgdorferi spheroplast-L-form variants. In: Infection. Band 24, Nr. 3, 1996, S. 218–226. PMID 8811359.
  3. Joachim Gruber: Neuroborreliose: Einige Hintergründe für Krankheitsverlauf und lange Behandlungdauer. In: Lyme-Borreliose-Informationen. 1. Februar 2008, abgerufen am 29. Juli 2014.
  4. a b c A. G. Barbour: Isolation and cultivation of Lyme disease spirochetes. In: The Yale journal of biology and medicine. Band 57, Nr. 4, Juli–August 1984, S. 521–525, ISSN 0044-0086. PMID 6393604. PMC 2589996 (freier Volltext).
  5. J. E. Posey, F. C. Gherardini: Lack of a role for iron in the Lyme disease pathogen. In: Science. Band 288. Jahrgang, Nr. 5471, Juni 2000, S. 1651–1653, PMID 10834845.
  6. Matthias Redenbach, Josef Altenbuchner: Warum haben einige Bakterien lineare Chromosomen und Plasmide? In: Biospektrum. Band 8, Nr. 2, 2002, S. 158–163. PDF (Memento des Originals vom 8. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/biospektrum.de
  7. a b G. Baranton, D. Postic u. a.: Delineation of Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia garinii sp. nov., and group VS461 associated with Lyme borreliosis. In: International journal of systematic bacteriology. Band 42, Nr. 3, Juli 1992, S. 378–383, ISSN 0020-7713. doi:10.1099/00207713-42-3-378. PMID 1380285.
  8. a b c S. J. Cutler, C. O. Akintunde u. a.: Successful in vitro cultivation of Borrelia duttonii and its comparison with Borrelia recurrentis. In: International journal of systematic bacteriology. Band 49, Nr. 4, Oktober 1999, S. 1793–1799, ISSN 0020-7713. doi:10.1099/00207713-49-4-1793. PMID 10555362.
  9. a b Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Genus Borrelia. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 6. Mai 2020.
  10. Approved Lists of Bacterial Names. In: V. B. D. Skerman, Vicki McGowan, P. H. A. Sneath (Hrsg.): International journal of systematic bacteriology. Band 30, Nr. 1, 1980, S. 225–420, doi:10.1099/00207713-30-1-225 (sgmjournals.org [PDF; 17,0 MB; abgerufen am 13. April 2014]). PDF, 17,0 MB (Memento des Originals vom 22. Januar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ijs.sgmjournals.org
  11. Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Some names included in the category Candidatus. In: LPSN. Abgerufen am 29. Juli 2014.
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Wiktionary: Borrelie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen