Amitrol

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Amitrol
Allgemeines
Name Amitrol
Andere Namen
  • 3-Amino-1H-1,2,4-triazol (IUPAC)
  • 1,2,4-Triazol-3-ylamin
  • 3-AT
Summenformel C2H4N4
Kurzbeschreibung

farbloser, geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 61-82-5
EG-Nummer 200-521-5
ECHA-InfoCard 100.000.474
PubChem 1639
ChemSpider 1577
Wikidata Q423314
Eigenschaften
Molare Masse 84,08 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,14 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

159 °C[1]

Siedepunkt

Zersetzung beim Erhitzen[1]

Löslichkeit

gut in Wasser (280 g·l−1 bei 25 °C)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[2] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 361d​‐​373​‐​411
P: 201​‐​202​‐​260​‐​273​‐​280​‐​308+313[1]
MAK

DFG/Schweiz: 0,2 mg·m−3 (gemessen als einatembarer Staub)[1][3]

Toxikologische Daten

1100 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

76,8 kJ/mol[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Amitrol ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Triazole, die als Herbizid eingesetzt wird.

Gewinnung und Darstellung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Amitrol wird ausgehend von Guanidin gewonnen. Dieses reagiert mit Schwefelsäure zu Guanidiniumhydrogensulfat und weiter mit Salpetersäure zu Nitroguanidin. Das Nitroguanidin wird zu Aminoguanidin hydriert und mit Ameisensäure zu Amitrol cyclisiert.[5]

Synthese von Amitrol
Synthese von Amitrol

In den USA war Amitrol der Auslöser für den „Cranberry Scare“ von 1959. Das Herbizid war 1957 vom Department of Agriculture für den Einsatz auf Cranberry-Feldern zugelassen worden, unter der Auflage es nur nach der Ernte anzuwenden. Einige Farmer hielten sich offenbar nicht an diese Auflage, die Food and Drug Administration (FDA) beschlagnahmte 1957 einige Partien amitrolbelasteter Cranberries. Sie wurden in Kühlhäusern eingelagert, bis die Gefährlichkeit der Chemikalie geklärt war. Laut einer 1959 abgeschlossenen Langzeitstudie verursachte Amitrol bei Ratten Schilddrüsenkrebs. Ein 1958 erlassenes Gesetz schrieb vor, dass Lebensmittel keinerlei Spuren von im Tierversuch krebserregenden Substanzen enthalten dürften. Die FDA ließ die tiefgefrorenen Beeren daher vernichten. Am 9. November 1959, wenige Wochen vor Thanksgiving, empfahl der Gesundheitsminister Arthur S. Flemming keine Cranberries zu kaufen, bevor die FDA sämtliche Lagerbestände auf Amitrol geprüft habe. Sowohl die Cranberry-Produzenten als auch die Hersteller von Amitrol (American Cyanamid und Amchem) protestierten heftig, zumal im fraglichen Jahr keine belasteten Beeren gefunden worden waren.

Die Preise für Cranberries gingen dennoch stark zurück, große Supermarktketten stoppten den Verkauf und einige Restaurants nahmen die Beeren von ihren Speisekarten. Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, gab Landwirtschaftsminister Ezra Taft Benson bekannt, in seiner Familie würden zu Thanksgiving Cranberries serviert. Vizepräsident Richard Nixon aß bei einem Dinner vier Portionen Cranberries.

Die FDA schaffte es, rechtzeitig vor Thanksgiving sämtliche Bestände zu überprüfen. Daher legte sich die Aufregung schnell wieder und die Sache geriet in Vergessenheit. Die amerikanische Pflanzenschutzmittel-Industrie verstärkte als Konsequenz aus dem „cranberry scare“ ihre Öffentlichkeitsarbeit.[6]

Amitrol wird als Herbizid eingesetzt, insbesondere gegen breitblättrige Unkräuter. Nach der Behandlung bleichen die Chlorophylle in den Pflanzen aus.

Zusammen mit DCMU war Amitrol Bestandteil des Totalherbizids Ustinex.[7]

Die Wirkungsweise von Amitrol war lange umstritten. Heute geht man davon aus, dass die Synthese von Pigmenten, genauer gesagt die Lycopin-Cyclasen in der Carotinoid-Biosynthese, gehemmt wird.[8] Früher war auch eine Hemmung des Wurzelwachstums[9] oder der Histidin-Biosynthese im Gespräch.[10]

In einigen Staaten der EU bestand für Amitrol eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel, nicht jedoch in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.[11] Die EU-Mitgliedstaaten widerriefen bis zum 30. September 2016 die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Amitrol als Wirkstoff enthielten.[12]

Sicherheitshinweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Amitrol ist nur schwach giftig, wird jedoch als krebserregend eingeschätzt.

Weedazol.

  • FAO-Bewertung Amitrole (PDF-Datei; 172 kB, engl.)

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f g h i j Eintrag zu Amitrol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  2. Eintrag zu Amitrole im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  3. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 61-82-5 bzw. Amitrol), abgerufen am 2. November 2015.
  4. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-22.
  5. Thomas A. Unger: Pesticide Synthesis Handbook. William Andrew, 1996, ISBN 0-8155-1853-6, S. 683 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Thomas R. Dunlap: DDT: Scientists, Citizens and Public Policy. Princeton University Press, 1981, ISBN 0-691-04680-8, S. 107–108.
  7. Hans Steiner: Aktuelle Probleme im Integrierten Pflanzenschutz: Vorträge der 2. Sitzung des Arbeitskreises „Integrierten Pflanzenschutz“ der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft in Wilhelmsbad bei Hanau 6. – 7. November 1972. Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, 1975, ISBN 978-3-642-72311-7, S. 27 (Google Books).
  8. Jasmina Muraja-Ljubičić, Mercedes Wrischer, Nikola Ljubešić: Influence of the Herbicides Amitrole and Norflurazon on Greening of Illuminated Potato Microtubers. In: Zeitschrift für Naturforschung C. Band 54, Nr. 5-6, 1999, S. 333–336, doi:10.1515/znc-1999-5-607 (PDF).
  9. D. R. Heim, I. M. Larrinua: Primary Site of Action of Amitrole in Arabidopsis thaliana Involves Inhibition of Root Elongation but Not of Histidine or Pigment Biosynthesis. In: Plant Physiology. Band 91, Nummer 3, November 1989, S. 1226–1231, PMC 1062144 (freier Volltext) (PDF).
  10. Inhibitors of histidine biosynthesis (Memento vom 15. Juni 2013 im Internet Archive)
  11. Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu Amitrole (aminotriazole) in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, abgerufen am 12. März 2016.
  12. Durchführungsverordnung (EU) 2016/871 der Kommission vom 1. Juni 2016 zur Nichterneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Amitrol gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission.