McMurdo-Station

US-amerikanische Forschungsstation in der Antarktis

Koordinaten: 77° 50′ 46,8″ S, 166° 40′ 5,6″ O

Lage der Station auf der Ross-Insel (kleines Bild) in der Antarktis
Die Ross-Insel mit der Station auf der Hut-Point-Halbinsel (unten)

Die McMurdo-Station ist die größte Forschungs- und Logistikstation in der Antarktis und wird vom United States Antarctic Program (USAP) der US-Regierung betrieben. Die ganzjährig genutzte Einrichtung wurde 1955/56 auf der Ross-Insel an der Küste des McMurdo-Sunds für das Internationale Geophysikalische Jahr[1] errichtet und besteht heute aus mehr als 85 Gebäuden. Die Bewohner der Station mit dem Spitznamen MacTown nennen sich selbst „McMurdoites“, „McMurdites“ oder auch „Mactownites“.[2]

Die auf der Hut-Point-Halbinsel (englisch Hut Point Peninsula) an der Südspitze der Ross-Insel (Kap Armitage) gelegene Station betreibt Forschung im McMurdo-Sund (mit dem McMurdo-Schelfeis) und am Vulkan Mount Erebus.

 
US-Außenminister John Kerry betrachtet Meereslebewesen in einem Aquarium im Crary Lab (2016)

McMurdo ist Ausgangspunkt für Feldforschung im Transantarktischen Gebirge, zum Beispiel den Trockentälern und dem Ross-Schelfeis.

Forschung

Bearbeiten

Im November 1991 wurde das Albert P. Crary Science and Engineering Center (Crary Lab) eingeweiht. In den Räumlichkeiten (ca. 4.320 m²) stehen zur Erforschung der antarktischen Biologie, der polaren Atmosphäre und zur Vertiefung der Geowissenschaften Analysegeräte bereit. Es umfasst das Environmental Monitoring and Enforcement Laboratory (EMEL), das Snow and Ice Mechanics Laboratory (SIML) und das Antarctic Meteorological Research Center sowie ein Aquarium.

Im Dezember 2004 startete das Experiment „BESS-Polar“ (Balloon-borne Experiment with Superconducting Spectrometer), ein Vorhaben US-amerikanischer und japanischer Wissenschaftler zur Messung kosmischer Strahlung, insbesondere um Antiprotonen nachzuweisen.

Im Sommer ist McMurdo in der Regel schneefrei und die übliche Winterbesetzung von 250 Personen steigt auf bis zu 1100 Personen.

Geschichte

Bearbeiten

Im Dezember 2018 verstarben zwei Techniker der Forschungsstation.[3] 2023 entsandte die US-Administration Ermittler zur McMurdo-Station, nachdem es zu einer Häufung von Berichten über sexuelle Belästigung und Übergriffe gekommen war.[4]

Ende April 2024 veröffentlichten sechs Bewohner ein Foto von ihnen vor dem Schild der McMurdo-Station, wobei sie die palästinensische Flagge und diverse Plakate mit Slogans trugen, um gegen die Aktivität der israelischen Armee im Krieg in Israel und Gaza zu demonstrieren. Der Beitrag wurde zum Social-Media-Phänomen.[5]

Infrastruktur

Bearbeiten

Die McMurdo-Station verfügt über Werkstätten, Geschäfte, eine eigene Zeitung (Antarctic Sun),[6] einen Fernsehsender, ein Feuerwehrhaus (Antarctic Fire Department)[7] und das Albert P. Crary Science and Engineering Center (‚Crary Lab‘) für geowissenschaftliche und biologische Forschung, das gebaut wurde, um veraltete Laborgebäude zu ersetzen, die bereits 1959 errichtet wurden.

Es gibt ein Treibhaus, in dem Frischgemüse angebaut wird. Die Chapel of the Snows ist eine von verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften genutzte überkonfessionelle Kapelle.

Zur Trinkwasserversorgung aus Ozeanwasser steht eine Umkehrosmose-Anlage mit dreistufiger Partikelfilterung und Chlorung zur Desinfektion bereit, die ein Speichervolumen bis zu 750 m³ (200.000 Gallonen) für die Besatzung bewirtschaftet. Eine Kläranlage reinigt bis zu 200 m³ pro Tag, wobei im Winter der Klärbedarf auf ein Fünftel sinkt. Der Klärschlamm wird entwässert und per Versorgungsschiff entsorgt, das geklärte Wasser fließt zurück in den McMurdo-Sund.

Die Energieversorgung wird mit 6 BHKW-Modulen (7800 kW) und 3 Windturbinen (Enercon E-33, je 330 kW) sichergestellt. Die Spitzenlast liegt bei 2 MW, die Grundlast nachts bei 1,2 MW. McMurdo ist elektrisch mit der benachbarten Scott Base verbunden. Die Abwärme der Dieselmotoren wird über ein frostsicheres Wärmenetz (Glykol, ca. 1 m³/min) auf die Gebäude von McMurdo verteilt.[8] Zwischen 2024 und 2026 soll die McMurdo gemeinsam mit der Scott Base drei weitere Windturbine vom Typ DW54X mit einer Leistung von je 1 MW erhalten, sodass künftig mehr als „90 Prozent des jährlichen Strombedarfs durch Windenergie erzeugt werden“ sollen.[9]

In McMurdo wurde von 1962 bis 1972 der einzige Kernreaktor der Antarktis betrieben (PM-3A Nukey Poo) im Rahmen des Army Nuclear Power Program. Der Reaktor wurde nach der Abschaltung in die USA zurückgebracht, zusammen mit rund 11.000 Kubikmetern kontaminiertem Untergrund.

McMurdo ist logistischer Ausgangspunkt für die Amundsen-Scott-Südpolstation am Südpol, aber auch für die russische Wostok-Station. McMurdo hat den südlichsten Hafen der Erde, nur der natürliche Eishafen der bis 1987 bestehenden Bucht der Wale lag noch weiter südlich.

Die McMurdo-Station verfügt auf dem Meereis über einen Flugplatz (Airstrip) auch für große Transportflugzeuge mit regelmäßigen Flugverbindungen im Sommer nach Christchurch in Neuseeland. Im Notfall kann die Station auch im Winter angeflogen werden.[10]

Eine drei Kilometer lange Straße verbindet McMurdo mit der neuseeländischen Scott Base. Von McMurdo führt eine etwa 1500 Kilometer lange Straßenverbindung, die South Pole Traverse, zur Amundsen-Scott-Südpolstation am Südpol. Es gibt mehrere Bodentransportmittel für Straße oder Gelände (Off-Road) für Fracht oder Personen, darunter der Terra Bus ‘Ivan’.

McMurdo wird abhängig von der Jahreszeit von drei Flugplätzen bedient:

 
Klimadiagramm von McMurdo

Im Jahr 2000 betrug im Jahresmittel die Temperatur von McMurdo minus 17 Grad Celsius, die Niederschlagsmenge 212 Millimeter. Die Station liegt auf 24 Meter Höhe über dem Meeresspiegel.[11]

Literatur und Film

Bearbeiten
  • Im Roman Ice Station von Matthew Reilly wird die Station erwähnt. Sie soll als Rückzugspunkt von amerikanischen Truppen dienen.
  • Im Roman The Last Ship nutzt die Besatzung eines Schiffes nach einem Atomkrieg die Vorräte der Station, um anschließend auf die Suche nach weiteren Überlebenden zu gehen.
  • Die Handlung des Science-Fiction-Romans Antarctica von Kim Stanley Robinson aus dem Jahre 1997 spielt großteils in der McMurdo-Station.[12]
  • Die McMurdo-Station spielt in der Serie Stargate – Kommando SG-1 mehrmals eine wichtige Rolle. In der ersten Staffel der Serie wird 80 km entfernt von dieser Station das zweite „Stargate“ auf der Erde gefunden. Später, in der siebten Staffel, wird unweit davon ein Antiker-Außenposten entdeckt. Zudem ist dort zu jener Zeit auch die Jäger-Staffel der fiktiven F-302-Kampfflugzeuge stationiert. Im Pilotfilm zur Serie Stargate Atlantis ist McMurdo logistischer Dreh- und Angelpunkt für die Suche nach der „Verlorenen Stadt Atlantis“. In der alternativen Zeitlinie des Films Stargate: Continuum wird das Stargate-Zentrum nahe McMurdo erbaut, statt im Cheyenne Mountain, da das erste Stargate aus Ägypten bei dem Transport nach Amerika im Atlantik verloren gegangen ist. Die Inbetriebnahme des zweiten Stargates wird jedoch durch einen Goauld-Angriff verhindert, die die McMurdo-Station vollständig zerstören.
  • Im Film The Thing von John Carpenter wird die Station mehrfach erwähnt, als der Funker Windows vergebens versucht, einen Vorfall zu melden. Aus nicht bekannten Gründen kann er dabei niemanden erreichen.
  • Im Film Dark Star – Finsterer Stern (1974) von John Carpenter wird die Station ebenfalls mehrfach erwähnt. Sie dient dem Scout-Schiff Dark Star als Flugkontrolle auf der Erde.
Bearbeiten
Commons: McMurdo-Station – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. usap.gov McMurdo Station Web Cams des USAP
  2. Bernadette Hince: The Antarctic dictionary: a complete guide to Antarctic English. Csiro Publishing, Collingwood 2000, ISBN 0-9577471-1-X, S. 227.
  3. Techniker sterben in Antarktis-Forschungsstation: Tod im ewigen Eis. In: Stuttgarter Nachrichten. Abgerufen am 16. Mai 2024.
  4. Investigators are being sent to US research base on Antarctica to look into sexual violence concerns. In: Associated Press. 3. November 2023, abgerufen am 16. Mai 2024 (englisch).
  5. Matthew Impelli Writer: Israel protests reach Antarctica. In: Newsweek. 1. Mai 2024, abgerufen am 16. Mai 2024 (englisch).
  6. Antarctic Sun
  7. Antarctic Fire Department
  8. Betty Trummel: Power Up: What Keeps McMurdo Going? In: Science Roadshow. 26. Januar 2013, abgerufen am 22. August 2019.
  9. Neue Windräder für die Antarktis: So funktioniert es. In: Futurezone.at. 15. April 2023, abgerufen am 16. Mai 2024.
  10. Felix Stoffels: A319 fliegt Rettungsmission in der Antarktis. In: aeroTELEGRAPH. 21. März 2020, abgerufen am 16. Mai 2024 (Schweizer Hochdeutsch).
  11. Klimadiagramm McMurdo
  12. L.D. Meagher: Like the continent, 'Antarctica' is not for the faint hearted. In: CNN. TBS, 2. Juli 1998, abgerufen am 8. August 2016 (englisch).