Lesesteinhaufen (englisch Clearance cairns; schwedisch Röjningsröse; norwegisch Rydningsrøys) wurden aus Lesesteinen aufgeschichtet, die bei der Bestellung der landwirtschaftlichen Nutzflächen störten, besonders durch Pflügen an die Oberfläche wanderten und von Hand abgesammelt (gelesen) wurden.

Lesesteinhaufen, Naturlehrpfad Netzen, Brandenburg
Offiziell beschilderter Lesesteinplatz auf der Schwäbischen Alb

Diese Ablagen erfolgten bisweilen über Generationen hinweg platzsparend an den der Äckerrändern, auf Wiesen und in Wälder und wurden zugleich als Flächenbegrenzung genutzt. Linear gesammelt ergeben sich Lesesteinriegel. In manchen Regionen wird von „Steinrücken“ gesprochen, die zum Teil bewachsen sein können und eine Flora beherbergen, die an das Kleinklima dieser trockenwarmen, gehölzarmen Standorte angepasst ist. Die „Pocheln“ in der Umgegend von Bad Dürkheim bestehen aus Kalksteinen des Tertiärs.[1]

Die Gletscher der verschiedenen Kaltzeiten, z. B. der Elster-, Saale- und Weichseleiszeit, sorgten für den Transport von Gesteinsfragmenten unterschiedlicher Größenordnung über weite Distanzen. Das Abschmelzen der Gletscher in den Warmzeiten lagerte das Geschiebe in großen Mengen ab, von Feldsteinen, die oft auch als Baumaterial genutzt wurden, bis zu Findlingen mit mehr als einem Kubikmeter Rauminhalt.

In Regionen, die nicht von Gletschern der Eiszeiten bedeckt waren, sind die Lesesteine Verwitterungsprodukte des anstehenden Gesteins.

Lebensraum

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Der Lesesteinhaufen findet sich häufig auf Endmoränen, beispielsweise in der Geest. Steinhaufen sind extrem trockene und warme Lebensräume. Sie bieten ähnliche Standortfaktoren wie Trockenmauern: Intensive Sonneneinstrahlung und geringes Wasserhaltevermögen, so dass sie von wärme- und trockenheitsliebenden Pflanzen besiedelt werden. Da die Steine die Sonnenwärme speichern und nachts abgeben, sind sie nachts warm und Ruhe- und Jagdplatz vieler Insekten und Kriechtiere. Steinrücken, die im Zuge der Sukzession mehr oder weniger bewachsen sind, sind mit den feuchteren Knick- oder Wallhecken im Norden Deutschlands und sonnenexponierten (natürlichen und teilweise anthropogenen) Schutthalden oder Schotterflächen der Mittelgebirge oder der Alpen verwandt. Die Kleinstrukturen bieten in ihren geschützten Hohlräumen und Nischen vielen Pflanzen Schutz und kleineren Tieren Unterschlupf.

Tierwelt

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Als typische Fauna sind anzutreffen:

Pflanzenwelt

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Als typische Flora sind anzutreffen:

 
Naturlehrpfad Netzen, Brandenburg

Gefährdung und Schutz

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Als wertvolles Biotop werden Lesesteinhaufen heute zunehmend geschützt. Im Biotopverbund mit einer Hecke wird ein räumlicher Kontakt zu weiteren Arten hergestellt und die wertvolle ökologische Wirkung noch verstärkt. Um eine Überwucherung zu verhindern, sollten sie nicht höher als einen Meter aufgeschichtet und mit kleineren Steinen abgeschlossen werden. Das Zerstören oder erhebliche bzw. nachhaltige Beeinträchtigen eines Lesesteinhaufens wird mit Geldbußen bis 10.000,– Euro (Bbg) bzw. bis 100.000,– Euro (MV) geahndet. (§ 73 Abs. 1 Nr. 9, 74 NatSchG BBg, § 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 NatSchAG M-V)

Nach der „Roten Liste BiotoptypenBaden-Württembergs sind Lesesteinhaufen „gefährdete Biotope“ nach Gefährdungskategorie 3 und werden naturschutzfachlich als Biotoptyp „von geringer bis mittlerer Bedeutung“ bewertet.[2]

Kulturdenkmal

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Lesesteinhaufen und Steinriegel sind häufig wichtige historische Quellen zur früheren Besiedlung einer Landschaft. Oft sind alte Feldfluren einer Wüstung unter Wald erhalten. Lesesteinhaufen sind dabei oft über Jahrhunderte gewachsen und zeigen altes Wirtschaftsland an. Sie sind auf Flächen entstanden, die überwiegend mit der Hacke bearbeitet wurden; sie können aber auch alte Weideflächen anzeigen, auf denen man zur Förderung des Graswuchses die Steine auf Haufen zusammengeworfen hat.

Siehe auch

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Literatur

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Commons: Lesesteinhaufen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Heiko Himmler: Die frühere Verbreitung der Xerotherm-Standorte um Herxheim am Berg, Kallstadt und Bad Dürkheim-Leistadt. Mitteilungen der Pollichia, Verein für Naturforschung und Landespflege e. V., 77, Bad Dürkheim 1990, S. 257–262.
  2. lubw.baden-wuerttemberg.de: Rote Liste der Biotoptypen Baden-Württemberg – Liste (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lubw.baden-wuerttemberg.de (PdF, Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 2002. S. 5, 23.00 Morphologische Sonderformen anthropogenen Ursprungs, 23.30)
  3. Digitalisat Kapitel „Steinrücken – die besonderen Biotope“ (PDF; 758 kB)