Kutusowo (Kaliningrad, Osjorsk)
Kutusowo (russisch Кутузово, deutsch Kleszowen, 1936–1938 Kleschowen, 1938–1945 Kleschauen) ist ein Ort in der russischen Oblast Kaliningrad. Er gehört zur kommunalen Selbstverwaltungseinheit Munizipalkreis Osjorsk im Rajon Osjorsk.
Siedlung
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Geographische Lage
BearbeitenKutusowo liegt zehn Kilometer südöstlich der Rajonstadt Osjorsk (Darkehmen/Angerapp) und etwa zwei Kilometer nördlich der russisch-polnischen Grenze. Durch den Ort verläuft die Regionalstraße 27K-A43 (ex Reichsstraße 137) zur russisch-polnischen Staatsgrenze, wo es aber keinen Grenzübergang gibt.
Ein Bahnanschluss besteht nicht. Bis 1945 war das zwei Kilometer entfernte Wikischken (1938–1945 Wiecken, heute russisch Bagrationowo) die nächste Bahnstation an der Strecke von Insterburg über Goldap nach Lyck (heute polnisch: Ełk).[2]
Im südöstlich des Ortes gelegenen osero Wikowskoje (dt. Kleszowener See bzw. Kleschauer See) entspringt die Wiek (heute russisch: Wika), die später in die Angerapp (Angrapa) mündet.
Ortsname
BearbeitenDie Ortsbezeichnung Kutusowo kommt in Russland mehrfach vor. Sie erinnert an den russischen General Michail Illarionowitsch Kutusow (1745–1813), der die napoleonischen Truppen 1812 an der Beresina stoppte.
Geschichte
BearbeitenDer Gutsbezirk Kleszowen war seit 1874 Namensgeber eines Amtsbezirks im Kreis Darkehmen, zu dem er fortan gehörte.[3] Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Kleszowen nach der Schlacht bei Gumbinnen bis zur Schlacht an den Masurischen Seen von der Russischen Armee im August/September 1914 kurzzeitig besetzt und verwüstet.[4] Am 30. September 1928 wurde der Gutsbezirk Kleszowen in eine Landgemeinde umgewandelt, deren Name 1936 in „Kleschowen“ und am 3. Juni 1938 (mit amtlicher Bestätigung vom 16. Juli 1938) noch einmal in „Kleschauen“ verändert wurde.
Im Januar 1945 wurde der Ort von der Roten Armee besetzt. Die neue Polnische Provisorische Regierung ging zunächst davon aus, dass er mit dem gesamten Kreis Darkehmen (Angerapp) unter ihre Verwaltung fallen würde. Im Potsdamer Abkommen (Artikel VI) von August 1945 wurde die neue sowjetisch-polnische Grenze aber unabhängig von den alten Kreisgrenzen anvisiert, wodurch der Ort unter sowjetische Verwaltung kam. Im November 1947 erhielt er den russischen Namen Kutusowo und wurde gleichzeitig dem Dorfsowjet Bagrationowski selski Sowet in Rajon Osjorsk zugeordnet.[5] Die polnische Umbenennung des Ortes in Kleszczewo im Juni 1948[6] wurde nicht mehr wirksam. Von 2008 bis 2014 gehörte Kutusowo zur Landgemeinde Gawrilowskoje selskoje posselenije, von 2015 bis 2020 zum Stadtkreis Osjorsk und seither zum Munizipalkreis Osjorsk.
Einwohnerentwicklung
BearbeitenJahr | Einwohner[7] |
---|---|
1818[8] | 212 |
1863[8] | 283 |
1910 | 257 |
1925 | 242 |
1933 | 209 |
1939 | 163 |
2002 | 76 |
2010 | 54 |
Amtsbezirk Kleszowen/Kleschauen 1874–1945
BearbeitenAm 6. Mai 1874 wurde Kleszowen Sitz und namensgebendes Dorf eines Amtsbezirks im Kreis Darkehmen. Ihm gehörten ununterbrochen bis 1945 folgende Landgemeinden (LG) bzw. Gutsbezirke (GB) an:[3]
Name (bis 1938) | Name (1938–1945) | Name nach 1945 | Bemerkungen |
---|---|---|---|
Jodszuhnen (LG), ab 1936: Jodschuhnen |
Jodanen | ||
Kleszowen (GB), ab 1936: Kleschowen |
Kleschauen | Kutusowo | Seit 1928 Landgemeinde |
Kuddern (LG) | Kudern | Bagrjanowo | |
Tautschillen (LG) | Altentrift | Borowitschi | |
Uszballen (LG), ab 1936: Uschballen |
Langenrück | Użbale | |
Worellen (LG) | Runden | Nowoselzewo |
Von etwa 1900 bis 1928 gehörte auch der Gutsbezirk Kleszowen Mühle (heute russisch Waldaiskoje) zum Amtsbezirk Kleszowen. Am 12. Januar 1939 wurde der Amtsbezirk in Kleschauen umbenannt.
Kirche
BearbeitenKirchengemeinde
BearbeitenEine evangelische Kirchengemeinde mit einem weitläufigen Pfarrsprengel wurde im Jahre 1684 gegründet. Seit 1701 hat Kleszowen einen eigenen Geistlichen. Gehörte das Dorf früher zur Inspektion Gumbinnen (heute russisch: Gussew), so war es bis 1945 dann in den Kirchenkreis Darkehmen/Angerapp in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union eingegliedert.
In der Zeit der Sowjetunion waren alle kirchlichen Aktivitäten verboten. In den 1990er Jahren bildete sich im Nachbarort Gawrilowo (Gawaiten, 1938–1946 Herzogsrode) eine neue evangelische Gemeinde, die sich der – ebenfalls neugegründeten – Propstei Kaliningrad in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland zuordnete. Das zuständige Pfarramt ist das der Salzburger Kirche in Gussew (Gumbinnen)[9].
Kirchspiel
BearbeitenDas weitflächige Kirchspiel Kleszowen umfasste insgesamt 19 Ortschaften, in denen 1912 zusammen 2.654 Einwohner lebten und in sechs Schulen sieben Lehrer unterrichteten[10]. Heute durchtrennt die russisch-polnische Staatsgrenze das Gebiet des Kirchspiels, zu dem bis 1945 gehörten[11]:
Name (bis 1938) | Name (1938–1946) | Name (seit 1946)/Land |
---|---|---|
Abschermeningken | Almental | Obszarniki/Polen |
Astrawischken | Großzedmar | Serewo/Russland |
Auxkallen | Roßkamp | unbenannt/Russland |
Jagotschen | Gleisgarben | Jagoczany/Polen |
Jodszuhnen, ab 1936: Jodschuhnen |
Jodanen | unbenannt/Russland |
Klein Kolpacken | Kleinbachrode | Prochladnoje/Russland |
Kleszowen, ab 1936: Kleschowen |
Kleschauen | Kutusowo/Russland |
Kohlau | Kohlau | Kolzowo/Russland |
Krugken | Krucken | Kruki/Polen |
Kuddern | Kudern | Bagrjanowo/Russland |
Masutschen | Oberhofen | Mażucie/Polen |
Petrelskehmen | Peterkeim | Pietraszki/Polen |
Raudohnen | Raunen | Wolkowo/Russland |
Skallischkehmen | Großsteinau | Skaliszkiejmy/Polen |
Tautschillen | Altentrift | Borowitschi/Russland |
Uszballen, ab 1936: Uschballen |
Langenrück | Użbale/Polen |
Wantischken | Grünsiedel | Wjoschenskaja/Russland |
Wikischken | Wiecken | Bagrationowo/Russland |
Worellen | Runden | Nowoselzewo/Russland |
Pfarrer
BearbeitenVon 1701 bis 1945 amtierten in Kleszowen/Kleschauen 22 evangelische Geistliche[12]:
- Christoph Geystadt, 1701–1715
- Johann Jacob Pauli, 1715–1737
- Johann Friedrich Wengrovius, 1737–1749
- Paul Schröder, 1749–1765
- Johann Friedrich Pusch, 1765–1780
- Friedrich Michael Cibrovius, 1780–1800
- Bernhard August Förster, 1800–1802
- Johann Bernhard Wach, 1802–1818
- Johann Ernst Haak, 1819–1825
- Karl August Eduard Werner, 1825–1834
- Ernst Hermann Gustav Böhmer, 1834–1852
- Wilhelm Viktor Alexander Zippel, 1853–1867[13]
- C. F. Rudolf Wilimzig, 1868–1878
- Adolph Eduard Rudloff, 1879–1880
- Albert Leongard H. Wodaege, 1880–1888
- Heinrich Otto Walter Vossius, 1888–1904
- Gustav Bergius, 1904–1908
- Alexander Heinrich Paul Hoffmann, 1908–1912
- Anton Cäsar Doskocil, 1913–1921
- Alexander Wiedow, 1921–1926
- Helmut Liedtke, 1926–1936
- Günther Warm, 1939–1945
Kirchenbücher
BearbeitenEs sind zahlreiche Kirchenbücher erhalten und befinden sich im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg[14]:
- Taufen (1874–1944),
- Trauungen (1836–1944),
- Bestattungen (1858–1944),
- Konfirmationen (1858–1944),
- Kommunikanten (1937–1944),
sowie Gefallene 1914–1918.
Persönlichkeiten des Ortes
Bearbeiten- Emil von Sperber (1815–1880), Rittergutsbesitzer und Reichstagsabgeordneter
- Emil Victor von Sperber (1848–1903), Rittergutsbesitzer und Reichstagsabgeordneter
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
- ↑ Deutsche Reichsbahn Oberbetriebsleitung Ost, Berlin: Deutsches Kursbuch. Gesamtausgabe der Reichsbahn-Kursbücher. Ausgabe vom 21. Januar 1940 (Nachdruck 1988), Streckennummer 118s.
- ↑ a b Rolf Jehke, Amtsbezirk Kleschauen
- ↑ Anton Doskočil: Ostpreußens Kriegsnot in Bildern aus der Gemeinde Kleszowen, Kreis Darkehmen. Krause, Königsberg (Pr.) 1915.
- ↑ Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 ноября 1947 г. «О переименовании населённых пунктов Калининградской области» (Verordnung des Präsidiums des Obersten Rats der RSFSR "Über die Umbenennung der Orte der Oblast Kaliningrad" vom 17. November 1947)
- ↑ Durch die Rozporządzenie Ministrów: Administracji Publicznej i Ziem Odzyskanych z dnia 1 czerwca 1948 r. o przywróceniu i ustaleniu urzędowych nazw miejscowości (Verordnung des Ministeriums für die öffentliche Verwaltung und die wiedergewonnenen Gebiete vom 1. Juni 1948 über die Wiederherstellung und Bestimmung der offiziellen Ortsnamen)
- ↑ ab 1910 Volkszählungsdaten
- ↑ a b Jürgen Schlusnus, Ort Kleszowen
- ↑ Ev.-luth. Propstei Kaliningrad ( vom 29. August 2011 im Internet Archive)
- ↑ Jürgen Schlusnus, Kirchspiel Kleszowen
- ↑ Kirchspiel Kleszowen, Kreisgemeinschaft Darkehmen/Angerapp
- ↑ Friedwald Moeller: Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945. Hamburg 1968.
- ↑ A. Zippel († 1867) war Angehöriger des Corps Littuania.
- ↑ Christa Stache: Verzeichnis der Kirchenbücher im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin. Teil 1: Die östlichen Kirchenprovinzen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union. Berlin, 1992.