Ereignis (Wahrscheinlichkeitstheorie)

Teilmenge des Stichprobenraums

Ein Ereignis (auch Zufallsereignis) ist in der Wahrscheinlichkeitstheorie ein Teil einer Menge von Ergebnissen eines Zufallsexperiments, dem eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann. Beispielsweise wird das Ereignis „eine gerade Zahl zu würfeln“ der Teilmenge aus der Gesamtmenge aller möglichen Ergebnisse (dem Ergebnisraum) zugeordnet. Man spricht davon, dass ein Ereignis eintritt, wenn es das Ergebnis des Zufallsexperiments als Element enthält.

Das mit der Ergebnismenge identische Ereignis bezeichnet man als sicheres Ereignis, da es immer eintritt. Im Gegensatz dazu bezeichnet man das mit der leeren Menge identische Ereignis als unmögliches Ereignis: Es tritt niemals ein. Beim Beispiel des Würfelwurfs ist das sichere Ereignis die Menge und das unmögliche Ereignis die leere Menge .

Definition

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Ist   ein Wahrscheinlichkeitsraum, so wird ein   Ereignis genannt. Die Ereignisse eines Wahrscheinlichkeitsraum sind somit diejenigen Teilmengen der Ergebnismenge  , die in der σ-Algebra  , dem sogenannten Ereignissystem liegen.

Die Ereignisse   sind diejenigen Mengen, denen eine Wahrscheinlichkeit   durch ein Wahrscheinlichkeitsmaß zugeordnet ist. Im allgemeineren Rahmen der Maßtheorie heißen die Ereignisse auch messbare Mengen.

Beispiele

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Endliche Ergebnismenge

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Gegeben sei die Ergebnismenge

 ,

versehen mit dem Ereignissystem

 .

Dann sind zum Beispiel die Mengen   und die Mengen   Ereignisse, da sie im Ereignissystem enthalten sind. Die Menge   ist kein Ereignis. Sie ist zwar eine Teilmenge der Ergebnismenge, aber nicht im Ereignissystem enthalten. Da das Ereignissystem eine σ-Algebra ist, sind die Ergebnismenge   und die leere Menge   immer Ereignisse.

Diskrete Ergebnismenge

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Für beliebige diskrete Ergebnismengen  , also solche mit höchstens abzählbar unendlich vielen Elementen, setzt man meist die Potenzmenge   als Ereignissystem. Dann ist jede Teilmenge der Ergebnismenge ein Ereignis, da die Potenzmenge genau die Menge aller Teilmengen ist.

Reelle Ergebnismengen

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Für reelle Ergebnismengen setzt man meist die Borelsche σ-Algebra als Ereignissystem. Hier sind dann zum Beispiel alle offenen Intervalle, also Mengen der Form   mit  , Ereignisse. Tatsächlich sind diese Mengensysteme so groß, dass fast alles, was man sinnvoll definieren kann, ein Ereignis ist. Dennoch gibt es Mengen, die – bezogen auf die Borelsche σ-Algebra als Ereignissystem – keine Ereignisse sind, wie zum Beispiel die Vitali-Mengen.

Mengenoperationen mit Ereignissen

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Ist   ein Ergebnis eines Zufallsexperiments und   ein Ereignis, dann sagt man im Falle   auch: Das Ereignis   tritt ein.

Teilmengen und Gleichheit

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Falls ein Ereignis   eine Teilmenge eines weiteren Ereignisses   ist (notiert als  ), dann tritt mit dem Ereignis   stets auch das Ereignis   ein. Man sagt dann auch: Das Ereignis   zieht das Ereignis   nach sich. Für die Wahrscheinlichkeiten gilt in diesem Fall  . Das heißt: Zieht das Ereignis   das Ereignis   nach sich, dann ist die Wahrscheinlichkeit von   mindestens so groß wie die von  .

Es gilt   genau dann, wenn   und   gilt. Gleichheit von Ereignissen bedeutet also, dass das Ereignis   das Ereignis   in gleicher Weise nach sich zieht wie das Ereignis   das Ereignis  .

Schnittmenge und Disjunktheit

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Die Schnittmenge   zweier Ereignisse ist wieder ein Ereignis. Es tritt genau dann ein, wenn   und   beide eintreten.

Wenn   gilt, also das gemeinsame Eintreten von   und   unmöglich ist, dann sagt man, die zwei Ereignisse schließen einander aus. Die Ereignisse   und   werden dann auch disjunkt oder unvereinbar genannt.

Sind allgemeiner   Ereignisse, dann ist der Schnitt

 

das Ereignis, das genau dann eintritt, wenn alle   eintreten. Die Ereignisse heißen paarweise disjunkt, wenn   für alle   mit   gilt.

Vereinigung

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Auch die Vereinigungsmenge   zweier Ereignisse ist wieder ein Ereignis. Es tritt genau dann ein, wenn entweder   oder   oder beide Ereignisse eintreten. Anders ausgedrückt:   tritt ein, wenn mindestens eines der beiden Ereignisse   oder   eintritt.

Für die Wahrscheinlichkeit von Schnitt- und Vereinigungsmenge gilt stets die Formel

 

Speziell ist im Falle disjunkter Ereignisse  .

Sind allgemeiner   Ereignisse, dann ist die Vereinigung

 

das Ereignis, das genau dann eintritt, wenn mindestens eines der   eintritt.

Es gilt stets die sogenannte σ-Subadditivität

 

Im Falle paarweise disjunkter Ereignisse gilt hierbei Gleichheit.

Für die Wahrscheinlichkeit von beliebigen Vereinigungen endlich vieler Ereignisse gilt die Siebformel.

Komplement und Differenz

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Das komplementäre Ereignis   tritt genau dann ein, wenn das Ereignis   nicht eintritt. Es wird auch Gegenereignis genannt und mit   (alternativ auch mit  ) bezeichnet. Seine Wahrscheinlichkeit ist

 

Für die Komplemente von Schnitt- und Vereinigungsmengen gelten die de Morganschen Formeln

 
 

Speziell für zwei Ereignisse gilt   sowie  .

Die Differenzmenge   ist das Ereignis, das genau dann eintritt, wenn das Ereignis  , aber nicht gleichzeitig das Ereignis   eintritt. Es gilt

 

Für seine Wahrscheinlichkeit gilt  . Im Spezialfall   folgt  .

Symmetrische Differenz

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Eine weitere Mengenoperation ist die symmetrische Differenz

 

zweier Ereignisse   und  . Das Ereignis   tritt genau dann ein, wenn entweder   oder   eintritt (aber nicht beide), also wenn genau eines der beiden Ereignisse eintritt. Es gilt

 

Unabhängige Ereignisse

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Die zwei Ereignisse   und   heißen voneinander unabhängig, wenn

 

Unter Verwendung der Formel für die bedingte Wahrscheinlichkeit lässt sich das als

 

schreiben, vorausgesetzt  .

Allgemeiner heißt eine Familie   von Ereignissen unabhängig, wenn für jede endliche Teilmenge   gilt:

 

Die Ereignisse heißen paarweise unabhängig, wenn

 

für alle   gilt. Unabhängige Ereignisse sind paarweise unabhängig, die Umkehrung gilt jedoch im Allgemeinen nicht.

Spezielle Ereignisse

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Elementarereignis

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Mitunter werden die einelementigen Ereignisse   auch als Elementarereignisse bezeichnet.[1] Ist   höchstens abzählbar, dann lässt sich durch Festlegen der Wahrscheinlichkeiten   aller Elementarereignisse mit Hilfe von

 

die Wahrscheinlichkeit aller Ereignisse   bestimmen. Hierbei müssen die   so gewählt sein, dass   sowie

 

gilt.

Es ist allerdings zu beachten, dass mitunter in der Literatur die Ergebnisse   selbst Elementarereignisse genannt werden. Diese sind dann jedoch keine Ereignisse, denn es handelt sich nicht um Teilmengen von  .

Weiterhin muss für   die einelementige Menge   nicht unbedingt im Ereignisraum   liegen. Sie ist dann kein Ereignis.

Fast sicheres Ereignis

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Ein Ereignis   heißt fast sicher, falls   gilt.[2]

Fast unmögliches Ereignis

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Ein Ereignis   heißt fast unmöglich, falls   gilt.[2]

Atomares Ereignis

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Definition

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Bezogen auf ein System von Ereignissen   heißt ein Ereignis   atomares Ereignis, wenn es keine zwei Ereignisse   mit  ,  ,   gibt.[2]

Eigenschaften

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  • Jedes Elementarereignis, das in   enthalten ist, ist ein atomares Ereignis.
  • Nicht jedes atomare Ereignis ist ein Elementarereignis. Beispielsweise sind in der Ereignisalgebra
 
die Ereignisse   und   atomare Ereignisse, aber nur   ist auch ein Elementarereignis.

Definition

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Ein Ereignis   heißt Atom des Wahrscheinlichkeitsraums  , falls   gilt und falls für jedes Ereignis   mit   entweder   oder   gilt. Ein Wahrscheinlichkeitsraum heißt atomlos, wenn kein Ereignis ein Atom ist.[3]

Atomlose Wahrscheinlichkeitsräume sind von Interesse, da sie reelle Zufallsvariablen mit stetiger Verteilungsfunktion zulassen.[4] Insbesondere existiert eine Zufallsvariable mit einer stetigen Gleichverteilung auf dem Intervall  .[5]

Anwendung in der Wirtschaft

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Insbesondere im Finanzsektor spielt das wahrscheinlichkeitstheoretische Ereignis eine große Rolle. Fokussiert wird hier auf den Worst Case, also auf die Negativauslese von Ereignissen.

Wirtschaftszweig Markt Teilmarkt Ereignis
Kreditinstitute Bankenmarkt Kreditmarkt
Kreditderivatemarkt
Kreditereignis
Kreditereignis
Versicherungsunternehmen Versicherungsmarkt Schadenversicherung
Lebensversicherung
Schadensereignis
Tod der versicherten Person

Das Kreditereignis kann mit der betriebswirtschaftlichen Kennzahl der Ausfallwahrscheinlichkeit gemessen werden. Die Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose ist gemäß § 7 Nr. 36 VAG eine mathematische Funktion, die einer ausreichenden Zeitreihe von einander ausschließenden zukünftigen Ereignissen eine Eintrittswahrscheinlichkeit zuweist.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, S. 195, doi:10.1007/978-3-642-21026-6.
  2. a b c P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik. Berlin 1991, S. 95.
  3. Hans Föllmer, Alexander Schied: Stochastic Finance – An Introduction in Discrete Time. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-046344-6, S. 30, 547, doi:10.1515/9783110463453.
  4. Hans Föllmer, Alexander Schied: Stochastic Finance – An Introduction in Discrete Time. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-046344-6, Prop. A 31, S. 547, doi:10.1515/9783110463453.
  5. Hans Föllmer, Alexander Schied: Stochastic Finance – An Introduction in Discrete Time. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-046344-6, Lemma A 32, S. 548, doi:10.1515/9783110463453.
  6. Wolfgang Gerke (Hrsg.), Gerke Börsen Lexikon, 2002, S. 205
  7. Carmen Hugel, Haftung und Deckung, 2006, S. 17