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Depressiver Realismus ist die 1979 von Lauren Alloy und Lyn Yvonne Abramson entwickelte Hypothese,[1] dass depressive Personen realistischere Schlussfolgerungen ziehen als nicht-depressive Personen.[2] Obwohl depressive Menschen gemeinhin als Personen angesehen werden, die eine negative kognitive Verzerrung haben, die zu wiederkehrenden, negativen automatischen Gedanken, maladaptivem Verhalten und dysfunktionalen Weltanschauungen führt,[3][4][5] argumentiert der Depressive Realismus nicht nur, dass diese Negativität eine genauere Einschätzung der Welt widerspiegeln könnte, sondern auch, dass die Einschätzungen nicht-depressiver Personen positiv verzerrt sind.[1]

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Allerdings ist die Bezeichnung „depressiver Realismus“ problematisch, denn die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Depressionen ist schlechter als die von Menschen ohne Depression.[6]

Belege dafür

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Wenn Teilnehmer gebeten wurden, einen Knopf zu drücken und zu bewerten, wie viel Kontrolle sie ihrer Meinung nach darüber hatten, ob ein Licht anging oder nicht, gaben depressive Personen genauere Einschätzungen ihrer Kontrolle ab als nicht-depressive Personen.[7] Unter Teilnehmern, die eine Aufgabe ausführen und ihre Leistung ohne jegliches Feedback bewerten sollten, gaben depressive Personen genauere Selbsteinschätzungen ab als nicht-depressive Personen.[8][9][10][11] Wenn Teilnehmer eine Reihe von Aufgaben ausführen, nach jeder Aufgabe Feedback zu ihrer Leistung erhalten und anschließend ihre Gesamtleistung selbst einschätzen sollten, waren depressive Personen wiederum eher in der Lage, eine genaue Selbsteinschätzung abzugeben als nicht-depressive Personen.[12][13][14][15][16][17] Als Teilnehmer gebeten wurden, ihre Leistung sowohl unmittelbar nach einer Aufgabe als auch zu einem späteren Zeitpunkt zu bewerten, machten depressive Personen sowohl direkt als auch nach einer Zeitspanne realistische Einschätzungen.[18]

In einer funktionellen Magnetresonanztomographie-Studie des Gehirns zeigte sich, dass depressive Patienten bei der kausalen Zuschreibung positiver und negativer sozialer Ereignisse genauer waren als nicht-depressive Teilnehmer, die eine positive Verzerrung aufwiesen.[19] Dieser Unterschied spiegelte sich auch in der unterschiedlichen Aktivierung des fronto-temporalen Netzwerks wider: Höhere Aktivierung bei nicht-depressiven Teilnehmern bei nicht selbstwertdienlichen Zuschreibungen und bei depressiven Patienten bei selbstwertdienlichen Zuschreibungen sowie eine verringerte Kopplung der dorsomedialen präfrontalen Cortex-Samenregion mit limbischen Arealen bei selbstwertdienlichen Zuschreibungen der depressiven Patienten.

Belege dagegen

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Als die Teilnehmer gebeten wurden, sowohl ihre eigene Leistung als auch die Leistung anderer zu bewerten, zeigten nicht-depressive Personen eine positive Verzerrung bei der Bewertung ihrer selbst, jedoch keine Verzerrung bei der Bewertung anderer. Depressive Personen hingegen zeigten keine Verzerrung bei der Bewertung ihrer selbst, aber eine positive Verzerrung bei der Bewertung anderer.[20][21][22]

Bei der Bewertung der Gedanken von Teilnehmern in öffentlichen versus privaten Situationen waren die Gedanken von nicht-depressiven Personen in der Öffentlichkeit optimistischer als in privaten Kontexten, während depressive Personen in der Öffentlichkeit weniger optimistisch waren.[23][24][25][26]

Als die Teilnehmer gebeten wurden, ihre Leistung unmittelbar nach einer Aufgabe und nach einiger Zeit zu bewerten, waren depressive Personen genauer, wenn sie sich unmittelbar nach der Aufgabe bewerteten, jedoch negativer, nachdem Zeit vergangen war. Nicht-depressive Personen hingegen waren sowohl unmittelbar nach der Aufgabe als auch nach einiger Zeit positiv.[12][16]

Obwohl depressive Personen genaue Einschätzungen darüber treffen, in welchen Situationen sie tatsächlich keine Kontrolle haben, überträgt sich diese Einschätzung auch auf Situationen, in denen sie tatsächlich Kontrolle haben, was darauf hindeutet, dass die Perspektive der depressiven Personen insgesamt nicht genauer ist.[27]

Eine Studie deutete darauf hin, dass depressive Personen in realen Situationen tatsächlich weniger genau und übermäßiges Selbstvertrauen in ihren Vorhersagen sind als ihre nicht-depressiven Kollegen.[28] Die attributionale Genauigkeit der Teilnehmer könnte zudem eher mit ihrem allgemeinen Attributionsstil als mit dem Vorhandensein und der Schwere ihrer depressiven Symptome zusammenhängen.[29]

Kritik an den Belegen

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Einige haben argumentiert, dass die Belege nicht überzeugender sind, weil kein Standard für Realität existiert, die Diagnosen fragwürdig sind und die Ergebnisse möglicherweise nicht auf die reale Welt anwendbar sind.[30] Da viele Studien auf Selbstberichten über depressive Symptome basieren und bekannt ist, dass Selbstberichte verzerrt sind, könnte die Diagnose von Depressionen in diesen Studien ungültig sein, was die Verwendung anderer objektiver Messgrößen erforderlich macht. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten dieser Studien Designs verwenden, die nicht unbedingt reale Phänomene annähern, ist die externe Validität der Theorie des Depressiven Realismus unklar.[30] Es besteht auch die Sorge, dass der Depressive Realismus-Effekt lediglich ein Nebenprodukt davon ist, dass die depressive Person sich in einer Situation befindet, die mit ihrer negativen Verzerrung übereinstimmt.[7][31][32]

Literatur

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  • Rachel Adelson: Probing the puzzling workings of 'depressive realism'. In: APA Monitor. 36. Jahrgang, Nr. 4, April 2005, S. 30 (englisch, apa.org).
  • Cummins, R.A., Nistico, H.: Maintaining life satisfaction: The role of positive cognitive bias. In: Journal of Happiness Studies. 3. Jahrgang, 2002, S. 37–69, doi:10.1023/A:1015678915305 (englisch).
  • Shelley E. Taylor, David A. Armor: Positive Illusions and Coping with Adversity. In: Journal of Personality. 64. Jahrgang, Nr. 4, Dezember 1996, S. 873–898, doi:10.1111/j.1467-6494.1996.tb00947.x, PMID 8956516 (englisch).
  • Ben Hayden: Depressive Realism May Not Be Real. Psychology Today, 2011; (englisch).

Einzelnachweise

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  1. a b Alloy, L.B., Abramson, L.Y.: Depressive realism: four theoretical perspectives. 1988 (englisch).
  2. Andrew M. Coleman: A Dictionary of Psychology. Oxford University Press, Oxford 2015, ISBN 978-0-19-105784-7, S. 199 (google.de [abgerufen am 1. Januar 2025]).
  3. Beck, A.T.: Depression: Clinical, experimental, and theoretical aspects. Band 32. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 1967 (englisch).
  4. Aaron T. Beck (Hrsg.): Cognitive Therapy of Depression. Guilford Press, New York 1979, ISBN 978-0-89862-919-4 (englisch, google.com).
  5. Beck, A.T., Brown, G., Steer, R.A., Eidelson, J.I., Riskind, J.H.: Differentiating anxiety and depression: a test of the cognitive content-specificity hypothesis. In: Journal of Abnormal Psychology. 96. Jahrgang, Nr. 3, 1987, S. 179–183, doi:10.1037/0021-843x.96.3.179, PMID 3680754 (englisch).
  6. Michael W. Eysenck , Marc Brysbaert: Fundamentals of Cognition. Taylor & Francis, 2023, ISBN 978-1-00-091953-0 (google.de [abgerufen am 1. Januar 2025] Ebook).
  7. a b Alloy, L.B., Abramson, L.Y.: Judgment of contingency in depressed and nondepressed students: Sadder but wiser? In: Journal of Experimental Psychology: General. 108. Jahrgang, Nr. 4, 1979, S. 441–485, doi:10.1037/0096-3445.108.4.441, PMID 528910 (englisch).
  8. Alloy, L.B., Abramson, L.Y., Kossman, D.A.: Affect, conditioning, and cognition: Essays on the determinants of behavior. Hrsg.: F.R. Brush, J.B. Overmeir. Erlbaum, Hillsdale, NJ 1985, The judgment of predictability in depressed and nondepressed college students, S. 229–246 (englisch).
  9. Alloy, L.B., Abramson, L.Y., Viscusi, D.: Induced mood and the illusion of control. In: Journal of Personality and Social Psychology. 41. Jahrgang, Nr. 6, 1981, S. 1129–1140, doi:10.1037/0022-3514.41.6.1129 (englisch).
  10. Musson, R.F., Alloy, L.B.: Depression, self-consciousness, and judgments of control: A test of the self-focused attention hypothesis. In: Unpublished. 1989 (englisch).
  11. Vasquez, C.V.: Judgment of contingency: Cognitive biases in depressed and nondepressed subjects. In: Journal of Personality and Social Psychology. 52. Jahrgang, Nr. 2, 1987, S. 419–431, doi:10.1037/0022-3514.52.2.419, PMID 3559899 (englisch).
  12. a b DeMonbreun, B.G., Craighead, W.E.: Distortion of perception and recall of positive and neutral feedback in depression. In: Cognitive Therapy and Research. 1. Jahrgang, Nr. 4, 1977, S. 311–329, doi:10.1007/bf01663996 (englisch).
  13. Dennard, D.O., Hokanson, J.E.: Performance on two cognitive tasks by dysphoric and nondysphoric students. In: Cognitive Therapy and Research. 10. Jahrgang, Nr. 3, 1986, S. 377–386, doi:10.1007/bf01173473 (englisch).
  14. Gotlib, I.H.: Perception and recall of interpersonal feedback: Negative bias in depression. In: Cognitive Therapy and Research. 7. Jahrgang, Nr. 5, 1983, S. 399–412, doi:10.1007/bf01187168 (englisch).
  15. Lobitz, W.C., Post, R.D.: Parameters of self-reinforcement and depression. In: Journal of Abnormal Psychology. 88. Jahrgang, Nr. 1, 1979, S. 33–41, doi:10.1037/0021-843x.88.1.33, PMID 422802 (englisch).
  16. a b Nelson, R.E., Craighead, W.E.: Selective recall of positive and negative feedback, self-control behaviors and depression. In: Journal of Abnormal Psychology. 86. Jahrgang, Nr. 4, 1977, S. 379–388, doi:10.1037/0021-843x.86.4.379, PMID 903490 (englisch).
  17. Rozensky, R.H., Rehm, L.P., Pry, G., Roth, D.: Depression and self-reinforcement behavior in hospitalized patients. In: Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry. 8. Jahrgang, 1977, S. 35–38, doi:10.1016/0005-7916(77)90102-1 (englisch).
  18. Wenzlaff, R.M., Berman, J. S.: Judgmental accuracy in depression (= The Meeting of the American Psychological Association). Los Angeles August 1985 (englisch).
  19. Eva-Maria Seidel, Theodore D. Satterthwaite, Simon B. Eickhoff, Frank Schneider, Ruben C. Gur, Daniel H. Wolf, Ute Habel, Birgit Derntl: Neural correlates of depressive realism — An fMRI study on causal attribution in depression. In: Journal of Affective Disorders. 138. Jahrgang, Nr. 3, 2012, S. 268–276, doi:10.1016/j.jad.2012.01.041, PMID 22377511, PMC 3565123 (freier Volltext) – (englisch).
  20. Gotlib, I.H., Meltzer, S.J.: Depression and the perception of social skill in dyadic interaction. In: Cognitive Therapy and Research. 11. Jahrgang, 1987, S. 41–54, doi:10.1007/bf01183131 (englisch).
  21. Javna, C.D.: Depressed and nondepressed college students' interpretations of and memory for feedback about self and others. In: Unpublished Doctoral Dissertation. The Ohio State University, Columbus, OH 1981 (englisch).
  22. Pyszczynski, T., Holt, K., Greenberg, J.: Depression, self-focused attention, and expectancies for positive and negative future life events for self and others. In: Journal of Personality and Social Psychology. 52. Jahrgang, Nr. 5, 1987, S. 994–1001, doi:10.1037/0022-3514.52.5.994, PMID 3585706 (englisch).
  23. Benassi, V.A., Mahler, H.I.M.: Contingency judgments by depressed college students: Sadder but not always wiser. In: Journal of Personality and Social Psychology. 49. Jahrgang, Nr. 5, 1985, S. 1323–1329, doi:10.1037/0022-3514.49.5.1323, PMID 4078679 (englisch).
  24. Sacco, W.P., Hokanson, J.E.: Expectations of success and anagram performance of depressives in a public and private setting. In: Journal of Abnormal Psychology. 87. Jahrgang, Nr. 1, 1978, S. 122–130, doi:10.1037/0021-843x.87.1.122, PMID 649845 (englisch).
  25. Sacco, W. P., Hokanson, J. E.: Depression and self-reinforcement in a public and private setting. In: Journal of Personality and Social Psychology. 42. Jahrgang, Nr. 2, 1982, S. 377–385, doi:10.1037/0022-3514.42.2.377, PMID 7057358 (englisch).
  26. Strack, S., Coyne, J.C.: Social confirmation of dysphoria: Shared and private reactions. In: Journal of Personality and Social Psychology. 44. Jahrgang, Nr. 4, 1983, S. 798–806, doi:10.1037/0022-3514.44.4.798, PMID 6842366 (englisch).
  27. Dykman, B.M., Abramson, L.Y., Alloy, L.B., Hartlage, S.: Processing of ambiguous and unambiguous feedback by depressed and nondepressed college students: Schematic biases and their implications for depressive realism. In: Journal of Personality and Social Psychology. 56. Jahrgang, Nr. 3, 1989, S. 431–445, doi:10.1037/0022-3514.56.3.431, PMID 2926638 (englisch).
  28. Dunning D, Story AL: Depression, realism, and the overconfidence effect: are the sadder wiser when predicting future actions and events? In: Journal of Personality and Social Psychology. 61. Jahrgang, Nr. 4, 1991, S. 521–532, doi:10.1037/0022-3514.61.4.521, PMID 1960645 (englisch, radford.edu (Memento des Originals vom 19. November 2011 im Internet Archive) [abgerufen am 2. Januar 2011]).
  29. Michael Thomas Moore, David Fresco: Depressive realism and attributional style: implications for individuals at risk for depression. In: Behavior Therapy. 38. Jahrgang, Nr. 2, 2007, S. 144–154, doi:10.1016/j.beth.2006.06.003, PMID 17499081 (englisch, kent.edu [PDF]).
  30. a b Michael Thomas Moore, David Fresco: Depressive Realism: A Meta-Analytic Review. In: Clinical Psychology Review. 32. Jahrgang, Nr. 1, 2012, S. 496–509, doi:10.1016/j.cpr.2012.05.004, PMID 22717337 (englisch).
  31. Langer, E.J.: The illusion of control. In: Journal of Personality and Social Psychology. 32. Jahrgang, Nr. 2, 1975, S. 311–328, doi:10.1037/0022-3514.32.2.311 (englisch).
  32. Msetfi RM, Murphy RA, Simpson J, Kornbrot DE: Depressive realism and outcome density bias in contingency judgments: the effect of the context and intertrial interval. In: Journal of Experimental Psychology. General. 134. Jahrgang, Nr. 1, 2005, S. 10–22, doi:10.1037/0096-3445.134.1.10, PMID 15702960 (englisch, lancs.ac.uk (Memento des Originals vom 29. Juni 2011 im Internet Archive)).