Waggerl, Karl Heinrich

Lebensdaten
1897 – 1973
Geburtsort
Bad Gastein
Sterbeort
Schwarzach im Pongau
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Photograph ; Maler ; Buchbinder
Konfession
katholisch
Namensvarianten

  • Waggerl, Karl (eigentlich)
  • Waggerl, Karl Heinrich
  • Waggerl, Karl (eigentlich)
  • waggerl, karl
  • Waggerl, Carl Heinrich
  • Waggerl, Carl (eigentlich)

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Zitierweise

Waggerl, Karl Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138145.html [16.11.2024].

CC0

  • Waggerl, Karl Heinrich (seit etwa 1913 mit Bezug auf Goethes „Faust“ und Gottfried Kellers „Der grüne Heinrich“, eigentlich Karl)

    Schriftsteller, Photograph, Maler, Buchbinder, * 10.12.1897 Bad Gastein, (Verkehrsunfall) 4. 11. 1973 Schwarzach im Pongau, Wagrain. (katholisch)

  • Genealogie

    V Johann (1862–1925), Knecht, Tagelöhner, Gelegenheitsarb., Bergführer, seit 1901 Postbote u. Zimmermann, 1904 Gde.diener, außerehel. S d. Rosina W. (* 1834), aus B. G.;
    M Margareth Zehentner (1865–1952), unehel. T d. Josef Gaßner (1839–81) u. d. Anna Zehentner (* 1846);
    Ur-Gvv Mat(t)häus W. (* 1798), Kleinhäusler in B. G., Ur-Gvm Ferdinand Schweighart (* 1811), Ur-Gmm Maria Zehentner (* 1807), Kellnerin, ungelernte Näherin, Störschneiderin;
    2 B, 1 Schw Elisabeth Schwabl (1905–78), 1 Halb-B Johann Zehentner (1889–1967), Finanzbeamter in Salzburg, 1 Halb-Schw Maria Zehentner (1886–1981);
    Salzburg 1920 Edith Pitter (Ps. Dita Waggerl) (1897–1990), aus Salzburg, Schriftst.;
    kinderlos;
    Verwandter Anton Faistauer (1887–1930), Maler (s. NDB IV).

  • Biographie

    W.s Kindheit und Jugend in Bad Gastein waren geprägt von materieller Not (Fröhliche Armut, 1948) sowie fehlender Zärtlichkeit und körperlicher Züchtigung durch die Mutter. An den geliebten Vater erinnerte sich W. später als Mann von „seelischer Größe“ (Wagrainer Tagebuch, 1936; Wagrainer Bilderbuch, 1973). Nach der Gasteiner Volksschule (1904–11) besuchte W. die Bürgerschule und 1913 / 14 die Lehrerbildungsanstalt Salzburg. Klassenvorstand war der Historiker, Rasseforscher und „Schönerianer“ Heinrich Ploy (1881–1916), Schulkameraden waren der spätere Schriftsteller und Leiter des NS-Schulwesens Salzburgs Karl Springenschmid (1897–1981) und Kajetan Mühlmann (1898–1958), später Kunsthistoriker und -räuber im Dienst des NS-Staats. Prägend für W. wurde| u. a. die Lektüre der „Fackel“ und Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“. 1917 erwarb er die Lehrbefähigung für Volksschulen und diente danach als Soldat an der ital. Front als Offizier. Während seiner Kriegsgefangenschaft 1918 / 19 las er Matthias Claudius, Friedrich Nietzsche, Fritz Reuter, Ernest Renan, Arthur Schopenhauer, Ernst Haeckel sowie Wilhelm Bölsche und unternahm erste schriftstellerische Versuche. 1919 wurde W. Lehrer in Schwarzach, 1920 in Wagrain. Eine chronische Lungenkrankheit erforderte längere Sanatoriumsaufenthalte in St. Veit und führte 1923 zur Frühpensionierung.

    Seit 1923 lebte W. als freier Schriftsteller, Photograph, Aquarellist und Buchbinder in Wagrain und publizierte erste literarische Arbeiten, z. T. in renommierten Zeitschriften wie „Jugend“, „Deutsche Rundschau“, „Die Kultur“, „Weltstimmen“ und „Dame“. In seinen Texten standen v. a. ohnmächtige Außenseiter-, meist Männerschicksale in einer Welt unkontrollierbaren Vernichtungswillens bzw. des Nihilismus im Mittelpunkt. Den Beginn von W.s Schriftstellerkarriere markierte die Veröffentlichung des Romans „Brot“ 1930 im Insel-Verlag. Der Bauern- und Siedlerroman ist Knut Hamsuns „Segen der Erde“ (1917) verpflichtet und – im Unterschied zu Hamsun – eine kritiklose Huldigung archaischer bäuerlicher „Natürlichkeit“ und „gesunder Kraft“ als Inbegriff ewiger Naturordnung. Er enthält alle Elemente antimoderner Ideologie und interpretiert die moderne Zivilisation als Inbegriff des Dekadenten.

    W.s weitere Romane (Schweres Blut, 1931; Das Jahr des Herrn, 1934; Mütter, 1935) sind ernst bis heiter getönte Variationen desselben Grundkonzepts. Mit ihnen begeisterte W. eine breite Leserschaft.

    Seit 1933 avancierte W. zur festen Größe des Literaturbetriebs in Österreich und später im „Dritten Reich“. Er veröffentlichte den antisemitischen Beitrag „Dichtung und Journalismus“ in Heinz Kindermanns „Des deutschen Dichters Sendung in der Gegenwart“ (1933), unterstützte 1934 die NS-Literaturpolitik im „Börsenblatt des Deutschen Buchhandels“ und war seit 1936 Mitglied des getarnten nationalsozialistischen „Bundes der deutschen Schriftsteller Österreichs“ (Mitgl. d. NSDAP 1938). Außerdem übernahm er Aufgaben in der Reichsschrifttumskammer im Gau Salzburg und publizierte u. a. im „Völkischen Beobachter“ und in der „Krakauer Zeitung“. Anläßlich des Autobahnbaus verfaßte er 1941 als Auftragswerk die Propagandaschrift „Pfingstidyll an der Reichsautobahn“. Seit 1941 war W. als Hauptmann im Stv. Generalkommando XVIII der Wehrmacht für die Kulturarbeit zuständig. 1940 / 41 amtierte er als kommissarischer Bürgermeister von Wagrain.

    W. nahm am Dt. Dichtertreffen zur Eröffnung der „Kriegsbuchwoche“ 1941 in Weimar teil, war Mitglied des NS-„Salzburger Dichterkreises“ und setzte sich zuletzt literarisch für die Heimat-Front-Bewegung ein (Feierabend, 1944).

    Noch während W.s Entnazifizierung (kurzfristige Internierung, Fragebogen des CIC und beschönigende bis falsche Antworten W.s) wurde sein Werk vom Salzburger Otto Müller Verlag übernommen und damit die sukzessive und weitgehend problemlose Integration in die österr. Kultur der Zweiten Republik eingeleitet. Seit 1946 unternahm W. erneut zahlreiche Lese- und Vortragsreisen. Abgesehen von dem autobiographischen „Fröhliche Armut“ (1948) erschöpfte sich sein Schaffen in konservativer Kulturkritik, beschaulichen Miniaturen (Liebe Dinge, 1956), Gelegenheitsarbeiten, Sentenzen und Sprüchen, Blumengedichten, Landschafts- und Stadtbeschreibungen sowie humorigen, populär gewordenen Advent- und Weihnachtsgeschichten. Seine Auftritte beim „Salzburger Adventsingen“ von Tobi Reiser (1907–73), der vor 1945 für das volksmusikalische Leben im Gau Salzburg hauptverantwortlich war, wurden legendär und prägten das Bild des Autors nachhaltig.

    W.s künstlerische Begabung war nicht nur eine literarische. Für einige Zeit war ihm sogar unklar, ob er sich beruflich der Malerei oder der Dichtung zuwenden sollte. W. war auch Zeichner, Aquarellist (vgl. Salzburg, geliebtes Land, 1972), fertigte Radierungen und Scherenschnitte an, trieb Metall und war ein begeisterter Buchbinder mit künstlerischem Anspruch (die Bibel, Lichtenberg, Weininger, Balzac, Barbusse, Börne, Hamsun u. v. m.). Herausragend ist seine künstlerische Photographie seit den 1920er Jahren, womit er sich auf der Höhe der Photographie seiner Zeit befand (vgl. Frauenmantel, Fotogrr., Text v. B. Hell, 1993).

  • Auszeichnungen

    |Preis d. Julius-Reich-Stiftung (1930);
    Gr. Österr. Staatspreis (Würdigungspreis 1934);
    Österr. Verdienstkreuz f. Kunst u. Wiss. (1936);
    NS-Kulturpreis d. Gauhauptstadt Salzburg (1943);
    Wappenring d. Stadt Salzburg (1956);
    Adalbert-Stifter-Medaille (1957);
    Ehrenring d. Landes Salzburg (1957);
    Ehrenbürger d. Stadt Salzburg (1967);
    Österr. Ehrenzeichen f. Wiss. u. Kunst (1967);
    korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. schönen Künste (1968) u. d. Humboldt-Ges. (1968);
    Ehrensenator d. Univ. Salzburg (1973).

  • Werke

    Weitere W Die Entfesselten, 1925;
    Meine Gestalten, 1926;
    Stoßseufzer, 1932;
    Du u. Angela, 1933;
    Ein Wort f. d. Buchhändler, 1934;
    Salzburgerland, Jugendland, 1936;
    Landstreicher, 1937;
    Joseph Mohr, d. Dichter d. Liedes „Stille Nacht, hl. Nacht“, 1937;
    Bekenntnisbuch österr. Dichter, 1938;
    Kal.gesch., 1940;
    Aus d. Kindheit, Freundschaft mit Büchern, 1941;
    Eine Lanze f. mich, 1942;
    Berge, Burgen u. Basteien, 1942;
    Lob d. Kitsches in d. Lit., 1944;
    Die Pfingstreise, 1946;
    Dichter sprechen zu Zeitproblemen, 1947;
    Heiteres Herbarium, 1950;
    Wagrainer Gesch.buch (Wagrainer Tageb., Kal.gesch., Das Wiesenbuch), 1950;
    Kleines Erdenrund, Ein Buch mit d. Dichter u. über ihn, 1951;
    Das Lebenshaus, Eine innere Biogr., 1951;
    Das ist d. stillste Zeit im J., 1956;
    Die grünen Freunde, 1957;
    Kleine Münze, 1957;
    Der Leibsorger, 1958;
    … und Friede d. Menschen, Ein Krippenbuch, 1959;
    Die Kunst d. Müßiggangs, 1959;
    Ein Festspiel will gefeiert sein, 1959 / 60;
    Lob d. Wiese, 1960;
    Über d. Frauen, 1961;
    Die Traumschachtel, 1962;
    Otto Müller z. Dank, 1962;
    Und es begab sich …, 1963;
    Liebhabereien, 1966;
    Blick in d. Werkstatt, 1967;
    Schöne Sachen, 1967;
    Der ländl. Lebenskr., 1968;
    Kraut u. Unkraut, 1968;
    Ein Mensch wie ich, 1970;
    Drei Wünsche, Zwei Spiele, 1973;
    Alles Wahre ist einfach, Ein Brevier, 1979;
    W-Ausgg.: Ges. Werke, 5 Bde., 1951 / 52;
    Vagabund an d. Leine, 1962;
    K. H. W. genauer betrachtet, 1967;
    Sämtl. Werke, 2 Bde., 1970;
    Briefe, 1976;
    Nach-Lese-Buch, Eine Ausw., 1967;
    Das W.-Lesebuch, 1984;
    Bibliogr.: Kleine Bibliogr. d. Werke K. H. W.s, 1967;
    Nachlaß: K.-H.-W.-Haus, Wagrain.

  • Literatur

    |A. Kantorowicz, K. H. W., Brot, in: Die lit. Welt 6, 1930, H. 40, S. 5;
    L. Biermer, Der Dichter K. H. W., in: Völk. Beobachter, Reichsausg. v. 29. 8. 1932;
    dies., in: Die Neue Lit., Juni 1935, H. 6, S. 322;
    M. Dietrich, in: Hochland 30, 1932 / 33, H. 11, S. 471–73;
    H. Arens, K. H. W., Der Mensch u. Dichter, Mit Photogrr. u. Scherenschnitten d. Dichters, 1934 (P);
    R. Bayr, K. H. W., Der Dichter u. sein Werk, 1947;
    V. Matejka, Unangenehme Notizen über Bücher u. Mörder, in: Österr. Tageb. 1947, Nr. 22, S. 6;
    I. Schüler, Der Einfluß Knut Hamsuns auf K. H. W., Diss. Innsbruck 1951;
    E. Hartl, Der Erzähler K. H. W., in: Wort in d. Zeit 3, 1957, H. 12, S. 705–11;
    J. J. Mulligan, The Foundations of Humor in K. H. W., in: The German Quarterly 1961, H. 34. S. 449–54;
    H. Vogelsang, K. H. W., Aphoristiker d. idyll. Welt, in: Österr. in Gesch. u. Lit. 8, 1964, S. 443–45;
    H.-P. Treiber, Die Romankunst K. H. W.s, Diss. Wien 1973;
    L. Wolff, Die Rolle d. Erzählers im Werk K. H. W.s, Diss. Salzburg 1973;
    G. Schweizer, Bauernroman u. Faschismus, Zur Ideol.kritik e. lit. Gattung, 1976;
    F. Aspetsberger, Lit. Leben im Austrofaschismus, Der Staatspreis, 1980;
    K. Springenschmid, Servus Heiner! Erinnerungen an K. H. W., 1979 (P);
    G. Schinke, K. H. W., Mensch u. Werk, 1985;
    O. Amann, Das andere Gesicht, Stud. z. frühen Erzählprosa v. K. H. W., 1986;
    K. Müller, Zäsuren ohne Folgen, Das lange Leben d. lit. Antimoderne Österr.s seit d. 1930er J., 1990;
    ders., K. H. W., Eine Biogr. mit Bildern, Texten u. Dok., 1997 (W, L, Qu, P);
    ders., (Hg.): „Nichts Komplizierteres heutzutage als e. einfacher Mensch“, Btrr. d. Internat. K.-H.-W.-Symposions 1997, 1999;
    S. Kößling u. J. Sobotka, „Unordnung ist ihm verhaßt, alles Fremde u. Abenteuerliche“, Über K. H. W. u. sein Werk, in: Dichtung im Dritten Reich? Zur Lit. in Dtld. 1933–1945, hg. v. Ch. Caemmerer u. W. Delabar, 1996, S. 119–34;
    E. Pichler, K. H. W., Eine Biogr., 1997 (P);
    W. Delabar, „Was tun?“ Romane am Ende d. Weimarer Rep., 1999;
    H. Orlowski, Das Feuilleton d. „Krakauer Ztg.“ (1939–1945) u. d. Weimarer Klassik, in: Das Dritte Weimar, hg. v. L. Ehrlich u. a., 1999, S. 89–102;
    O. P. Zier, Hl. W., dichte f. uns!, in: Dichter über Dichter, hg. v. W. Pilar, 1999, S. 210–16;
    J.-P Jatho, Der Gießener Goethe-Bund, Eine Bestandsaufnahme z. öff. Lit.betrieb in Weimarer Rep. u. NS-Zeit, 2004;
    G. Lovric´, Ideologisierung d. Heimat im dt.sprachigen u. kroat. Heimatroman d. Zw.kriegszeit am Bsp. v. K. H. W.s „Brot“ u. Mile Budaks „Ognjište“, in: Zagreber germanist. Btrr. 19, 2010, S. 65–82;
    Kulturlex. Drittes Reich;
    Lit. in Nazi-Dtld. (P);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Killy;
    Österr. Personenlex.;
    LThK³;
    Munzinger.

  • Porträts

    |Selbstbildnis, um 1920, Abb. in: L. Krisch, Der Bad Gasteiner K. H. W., 1996, u. dass., 21. 10. 1924, Abb. in: G. Schinke, K. W. 1985;
    Zeichnung v. O. Gulbransson, Abb. in: Pegasus auf Reisen, hg. v. H. Grothe, 1942, u. in: K. Springenschmid, Servus Heiner!, 1979, u. in: E. Pichler, K. H. W., 1997, S. 223;
    Terrakottabüste (Photogr.) v. H. Heger, Abb. in: K. Müller, K. H. W., 1997, S. 156;
    Kunstpostkarte v. E. Exner, 1979;
    Bronzeskulptur auf Marmorsockel v. L. Rauschhuber, 1939;
    Porträtbüste, Denkmal in St. Johann im Pongau.

  • Autor/in

    Karl Müller
  • Zitierweise

    Müller, Karl, "Waggerl, Karl Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 201-203 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138145.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA