Weismann, August

Lebensdaten
1834 – 1914
Geburtsort
Frankfurt/ Main
Sterbeort
Freiburg (Breisgau)
Beruf/Funktion
Evolutionsbiologe ; Genetiker ; Zoologe ; Arzt
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118766406 | OGND | VIAF: 32059588
Namensvarianten

  • Weismann, Friedrich Leopold August
  • Weismann, August
  • Weismann, Friedrich Leopold August
  • Weismann, A.
  • Weismann, August Friedrich Leopold
  • Weismann, Auguste

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Zitierweise

Weismann, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118766406.html [16.11.2024].

CC0

  • Weismann, Friedrich Leopold August

    Evolutionsbiologe, Genetiker, Zoologe, * 17.1.1834 Frankfurt/ Main, 5.11.1914 Freiburg (Breisgau), Freiburg (Breisgau), Hauptfriedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    Aus oberösterr. Emigrantenfam., d. n. Württ. einwanderte;
    V Johann (Jean) Konrad August (1804–80), Gymn.prof. f. alte Sprachen u. dt. Lit., S d. Immanuel Gottlob Friedrich (1773–1852), aus Württ.,|Kaufm. in Frankfurt/M.;
    M Elisabeth (Elise) (1803–50), Malerin, T d. Christian Leopold Lübbren (1767–1851), 1796 Oberger.sekr., 1799 Syndikus, 1824 2. Bgm. d. Stadt Stade (s. NND 29, 1851);
    1) Genua 1867 Marie (Mary) (1848–86), aus Lindau/ Bodensee, T d. Gustav Adolf Gruber, Kaufm. in Genua, u. d. Julie Schönleber, 2) Zandam b. Amsterdam 1895 1901 / 03 Wilhelmine (Mina) Jesse;
    1 S aus 1) Julius (1879–1950, Anna Hecker, 1871–1953), Komp., Pianist, Dirigent in München (s. Bad. Biogrr. NF IV; MGG³; BMLO), 5 T aus 1) (1 früh †) u. a. Theresia (Therese) (1868 / 69–1927, Ernst Rudolf Schepp, 1857–1901, 1894 Landrat in Siegen), Hedwig (* 1870), Berta (* 1873);
    Schwager

    August Gruber (1853–1938), Protozool., Assistent v. W. ao. Prof. f. Zool. in Freiburg (Br.), Vorstand d. Freiburger Kunstver., GHR, Mitgl. d. Leopoldina, Schwägerin Mathilde (Tilla) Gruber ( Robert Wiedersheim, 1848–1923, o. Prof. u. Dir. d. Anatom. u. vgl.-anatom. Inst. in Freiburg, Br., s. DBJ V, S. 382–86 u. Tl.; Complete DSB).

  • Biographie

    Nach dem Abitur in Frankfurt/M. 1852 begann W. ein Medizinstudium in Göttingen, u. a. bei Jacob Henle (1809–85), Rudolf Wagner (1805–64), dem Chemiker Friedrich Wöhler (1800–82) und dem Physiker Wilhelm Weber (1804–91), das er 1856 mit einer Dissertation über den Ursprung der Hippursäure im Harn der Pflanzenfresser abschloß. Bis 1857 nahm er eine Stelle als Assistenzarzt in Rostock an und war zudem Assistent am Institut für Chemie unter Franz Ferdinand Schulze (1815–73). Ende 1858 ließ er sich als Praktischer Arzt in Frankfurt/M. nieder und legte das Staatsexamen ab. 1859 diente er als Oberarzt im bad. Heer und hörte 1860 / 61 Vorlesungen bei Rudolf Leuckart (1822–98) in Gießen, bevor er bis 1863 eine Stelle als Leibarzt des österr. Ehzg. Stephan (1817–67) auf Schloß Schaumburg annahm. 1863 habilitierte sich W. mit der Schrift „Über die Entstehung des vollendeten Insekts in der Larve und Puppe, ein Beitrag zur Metamorphose der Insekten“ an der Univ. Freiburg (Br.) und wurde hier Privatdozent für vergleichende Anatomie und Zoologie (1865 ao. Prof., o. Prof. 1873, em. 1912).

    Zunächst mit Fragen der Muskelhistologie und Insektenembryologie befaßt, beschäftigte sich W. seit Anfang der 1860er Jahre verstärkt mit Problemen der Merkmals-Phylogenetik, Widerlegung der Vererbung erworbener Eigenschaften (Lamarckismus), Keimplasmatheorie und dem Neo-Darwinismus. Zu den beschreibenden und experimentellen Spezialuntersuchungen von W. gehörten ferner Forschungen zum Saisondimorphismus der Schmetterlinge, zur Fortpflanzung von Wasserflöhen, zur Bildung von Keimzellen bei den Hydrozoen und das Tierleben in Süßwasserseen. Von Anfang an verband er dabei Gesichtspunkte der Vererbung, Embryonalentwicklung und der Evolution.

    W. gehörte zu den ersten Anhängern Darwins in Deutschland. Bereits in seiner Antrittsvorlesung „Über die Berechtigung der Darwin’schen Theorie“ 1868 charakterisierte er die Evolutionstheorie, die er Transmutationshypothese nannte, als „die einzige, heutzutage berechtigte wissenschaftliche Annahme über die Entstehung der organischen Formen“, Ausgangspunkt von W.s Überlegungen zu Fragen der Evolutionsmechanismen war die Selektionstheorie. Er war wohl der konsequenteste Vertreter der Theorie von der natürlichen Auslese im 19. Jh. W. sah, daß die Entstehung der erblichen Variabilität die zentrale offene Frage nach den Evolutionsmechanismen war und gab mit der Rekombination einen Teil der Antwort. Die Bedeutung von Befruchtung und Reduktionsteilung erkannte W. darin, daß durch sie eine Umverteilung der Erbanlagen bewirkt werde, die zu individuellen Unterschieden zwischen den Organismen führe. Den Vorgang der Keimplasmavereinigung bezeichnete er als „Amphimixis“ (zweiseitige Vermischung).

    W.s Theorie der „Continuität des Keimplasmas“ besagt, daß das Keimplasma von Anfang an vom Körperplasma getrennt ist, und daß Veränderungen des Organismus keinen Einfluß auf die Keimzellen und ihr Kernplasma haben können; er folgerte, daß es keine Rückübersetzung phänotypischer Merkmale in genetische Information gibt. Damit war eine Vererbung erworbener Eigenschaften unmöglich, und W. wurde mit dieser Widerlegung zum zentralen Initiator des sog. Neo-Darwinismus. In späteren Werken postulierte W. das Konzept der Zellteilungsbegrenzung, welches besagt, daß die verschiedenen Lebens-Spannen unterschiedlicher Tierarten durch eine festgelegte Zahl somatischer Zell-Generationen determiniert werden. Zu W.s Schülern zählen Alfred Kühn (1885–1968), Hans Driesch (1867–1941) und Otto Köhler (1889–1974).

  • Auszeichnungen

    |Cothenius-Medaille d. Leopoldina (1876);
    Mitgl. d. Leopoldina (1879);
    Dr. phil. h. c. (Univ. Freiburg, Br. 1879);
    ausw. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1884) u. d. Royal Soc. London (1910);
    korr. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1897);
    Darwin-Wallace Medaille d. Linnaean Soc. (1908);
    ao. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1909);
    Darwin Medaille d. Royal Soc. London (1909);
    Ehrenmitgl. d. Royal Soc. Edinburgh (1910) u. d. Dt. Zool. Ges.;
    WGR (1912).

  • Werke

    |Ueber d. Einfluss d. Isolirung auf d. Artbildung, 1872;
    Stud. über Descendenz-Theorie I u. II, 1875 / 76;
    Über d. Vererbung, 1883;
    Die Continuität d. Keimplasma’s als Grundlage e. Theorie d. Vererbung, 1885;
    Amphimixis, 1891;
    Aufss. über Vererbung u. verwandte biol. Fragen, 1892;
    Das Keimplasma, e. Theorie d. Vererbung, 1892;
    Die Allmacht d. Naturzüchtung, e. Erwiderung an Herbert Spencer, 1893;
    Äußere Einflüsse als Entwicklungsreize, 1894;
    Neue Gedanken z. Vererbungsfrage, 1895;
    Über Germinal-Selection, e. Qu. bestimmt gerichteter Variation, 1996;
    Vortrr. über Deszendenztheorie, 1902;
    Die Selektionstheorie, 1909.

  • Literatur

    |E. Gaupp, A. W., Sein Leben u. sein Werk, 1917 (mit ausführl. Bibliogr.);
    R. Löther, Wegbereiter d. Genetik, Gregor Johann Mendel u. A. W., 1990;
    F. B. Churchill u. H. Risler (Hg.), A. W., ausgew. Briefe u. Dok., 1999 (W, P);
    U. Hoßfeld u. a., A. W., Deszendenztheorie u. d. Ablehnung d. Vererbung erworbener Eigenschaften (Neo-Darwinismus), in: Rudolstädter naturhist. Schrr. 20, 2014, S. 1–9 (P);
    U. Kutschera, A. W. (1834–1914) u. d. unsterbl. Leben, in: Biol. in unserer Zeit 44, 2014, H. 6, S. 366–69;
    F. B. Churchill, A. W., Development, Heredity, and Evolution, 2015 (W, P);
    Wi. 1909;
    Forscher u. Erfinder;
    Complete DSB.

  • Porträts

    |Ölgem. v. O. Scholderer, 1896 (Univ. Freiburg, Br., Inst. f. Biol. I Zool.).

  • Autor/in

    Uwe Hoßfeld
  • Zitierweise

    Hoßfeld, Uwe, "Weismann, August" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 674-676 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118766406.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA