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ADB:Totila

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Artikel „Totila, Ostgothenkönig“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 475–487, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Totila&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 18:42 Uhr UTC)
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Totila, Ostgothenkönig, a. 542–552, auch Baduila (Kämpferlein) genannt, war der Bruderssohn des Königs Ildibad, 540/541. Es ist bezeichnend für die die arge Zerklüftung, die in dem Gothenvolk seit dem Erliegen des Königs Vitigis (s. den Artikel) eingerissen war und für die starke Abnahme der Volksbegeisterung, andrerseits für das kräftige Fortleben des Sippeverbandes, daß T., schon damals im Volke wegen seiner Tapferkeit und Klugheit hoch angesehen, nicht nur auf die Nachricht von der Ermordung seines Oheims durch einen erbitterten Leibwächter, und der Erhebung des Rugiers Erarich auf den Gothenthron (ein Haufe dieses Volkes war mit den Gothen eingewandert und in all’ diesen 60 Jahren unvermischt und unvertheilt angesiedelt geblieben) bereits beschlossen hatte, sich und die Veste Treviso, wo er befehligte, den Byzantinern zu ergeben, sondern – noch mehr: – daß er dies den Gothen, die ihm die Krone anboten, ganz offen erklärte und – das Erstaunlichste! – sich dadurch nicht im mindesten in ihrer guten Meinung schadete. Man sieht, von einem Nationalkrieg, in dem jedes Glied des Volkes in Haß und Kampf gegen den Feind ausharrt, ist nach dem Untergang des Vitigis und den langjährigen schweren Mißerfolgen nicht mehr die Rede: das Volk ist in Parteien gespalten, das Königthum kann sich seit Theoderich’s Tod nicht mehr festigen: der Kampf der Gothen ist jetzt ein stückhafter: auch ein so hervorragender Mann wie T. – damals schon – war, will lieber mit den Byzantinern seinen Frieden machen, als nach seines Gesippen Tod unter dem fremden Rugier zu kämpfen. Er selbst bezeichnet den mit dem thatenlosen Erarich schwer Unzufriedenen den Tag, zu welchem er die Uebergabe von Treviso zugesagt habe, erklärt aber, die Krone annehmen zu wollen, wenn Erarich bis dahin beseitigt sei. Dies geschah: denn man erfuhr, daß er insgeheim Justinian ganz Italien und das Gothenvolk in die Hände zu liefern versprochen hatte, gegen Gold und die Würde des Patriciats: zum dritten Mal war so seit Theoderich’s Tod das Gothenvolk von seinem eigenen Herrscher (Amalaswintha, Theodahad) verkauft und verrathen: der Verräther ward erschlagen und T. bestieg den Thron. Die alle Welt überraschenden Erfolge, der gänzliche Umschwung der Dinge, die Erhebung der schon fast völlig vernichteten Gothenmacht in Italien (nur noch Eine Tausendschaft und die Veste Pavia hatte König Ildibad vorgefunden) nahezu auf die Höhe der Tage Theoderich’s, ja in Einer Richtung – des kühnen und glückenden Angriffs auf das Herz des Ostreichs selbst! – sind nur zum Theil der Heldenschaft und der Kriegskunst des Königs, zum größeren Theil der genial zu nennenden Staatskunst und gewiß auch der hochherzigen, gewinnenden Milde und Güte dieser genial erscheinenden Jünglingsgestalt zuzuschreiben (er nennt sich selbst einen „jugendlichen“ Barbarenkönig, aber frei von der Ueberhebung eines solchen).

Der Hauptgrund der Erfolge der Byzantiner in den sechsjährigen Kämpfen Frühjahr 536–541/42 – trotz aller Tapferkeit der Könige Vitigis und Ildibad und ihrer Gothen – war gewesen der von Anfang bis zu Ende und überall sich vollziehende Uebertritt der ganzen italischen Bevölkerung: wo immer die katholischen, die imperatorischen Fahnen sich zeigten, folgten ihnen die Italier, [476] öffneten – zumal die katholischen Bischöfe, wie z. B. der Papst Silverius – die Thore der Vesten und Städte, lieferten die gothischen Besatzungen aus, verriethen Belisar alle Pläne und Bewegungen der Barbaren und ermordeten auch wol in „sicilianischen Vespern“ in nächtlichem Ueberfall die friedlich neben ihnen angesiedelten Weiber und Kinder der fernen gothischen Heermänner. Dieser Undank gegenüber der nur allzu milden Behandlung durch Theoderich und seine Tochter fand gebührende Vergeltung: von vielem Unerträglichen in der byzantinischen Verwaltung war das Unerträglichste der furchtbare, grausame und abgefeimte Druck der Finanzbeamten, wie ihn Prokop nicht nur in der erbitterten Geheimgeschichte, auch in seinen, mit seinem Namen veröffentlichten „Kriegsgeschichten“ schildert. Alle diese Finanzgräuel – die des Systems und die des Mißbrauchs – wurden nun sofort über die von den Amalern verhätschelten Italier verhängt, sofort, sobald den Lanzenträgern Belisar’s die „Logotheten“, d. h. die kaiserlichen Rechnungs- und Steuerbeamten (wie z. B. ein Alexander genannt „Kneifzange“) auf den Fersen folgten. Die Stimmung der Italier war schon verwandelt: sie verwünschten die Byzantiner, bereuten, sie unterstützt zu haben, gedachten der so milden gothischen Behandlung. Ebenso weise als gütig sorgte nun T. für Steigerung und Verbreitung dieser Gesinnungen: durch freundlichste Behandlung der Gefangenen bewog er viele Söldner Justinian’s zum Eintritt in das gothische Heer, durch Schonung und Freilassung der Frauen und Kinder von vielen römischen Senatoren, der schlimmsten Gothenfeinde, erwarb er den Ruhm der Großmuth und Milde auch den Römern gegenüber, durch Steuererlasse gewann er die Städte und deren Curien, und eine hervorragende Leistung der Staatskunst war es, daß er den vornehmen römischen Großgrundeignern, jenem Adel, der die Barbaren bitter haßte und nach Byzanz oder in die Lager Belisar’s geflüchtet war, zwar die Ländereien wegnahm, aber sie den Bauern verpachtete, dadurch diese von ihren Herren Unterdrückten ganz hinweg auf seine Seite zog und von ihnen nun die Pachtgelder erhielt. Diese herzgewinnende Güte war der letzte Grund seiner Erfolge. Er verlangte auch von seinen Gothen gleiche Milde gegen die Italier, verurtheilte einen hervorragend tapferen Gothen seiner Gefolgschaft, der eine Calabreserin vergewaltigt hatte, trotz der Fürbitten des ganzen Heeres unnachsichtig zum Tode und gab der Verletzten dessen Vermögen, erklärte der Stadt Neapel, er belagere sie nur, um sie rasch von dem Joche der Byzantiner zu befreien, zum Danke, weil sie den Gothen am besten Treue gehalten, gewährte nach der Einnahme der Besatzung freien Abzug, der Bürgerschaft volle Sicherheit; in anderen Fällen ließ er die ausgehungerten Feinde nach der Ergebung speisen, wachte aber selbst mit Sorgfalt darüber, daß sie nicht durch plötzliches Uebermaß ihre Gesundheit schädigten und entließ, die nicht unter ihm dienen wollten, mit Kleidern und Schuhen beschenkt, in ihre Heimath, indem er sogar die Fahrgelder für sie den Schiffern bezahlte.

Die Hoffnung der Gothen, des tapfern Ildibad Kraft und Stern werde auf seinen Neffen übergehen, erfüllte sich glänzend bis zu Totila’s letzter Schlacht. Der noch jugendliche Held, der nun die Sache des gothischen Volksthums in sich verkörpern und verherrlichen sollte, zog, nachdem ein Anschlag der byzantinischen Feldherrn – ihrer elf mit 12 000 Mann – auf Verona gescheitert war, verstärkt durch die Besatzung dieser Stadt, aber doch immer noch nur 5000 Speere zählend, kühn von Ticinum (Pavia) aus der gewaltigen Uebermacht der Kaiserlichen bis Faënza entgegen und schlug sie durch eine geschickt gedachte Umgehung so völlig in schmähliche Flucht, daß sie, außer vielen Todten und Gefangenen, alle ihre Feldzeichen verloren, „was“ – sagt entrüstet Prokop – „den Romaeern (d. h. Byzantinern) nie zuvor begegnet war“. Als darauf Totila’s Heerführer [477] ein zweites Heer der Byzantiner bei Mucella in gleich schimpfliche Flucht zerstreut hatten, schlossen sich die kaiserlichen Feldherrn, alles Zusammenwirken aufgebend, jeder ängstlich in eine Stadt, sich besorgt gegen Totila’s Angriff verschanzend: die Gefangenen, die sie verloren, traten meist in des gütigen Königs Dienst, waren sie doch meist vaterlandslose Söldner aus allen Barbarenvölkern. In seinem zweiten (dem allgemeinen 8.) Kriegsjahr (a. 542/543) nahm T. Caesena und Petra, überschritt den Tiber, vermied einstweilen noch das schwer zu bezwingende Rom, wandte sich nach Campanien und Samnium, gewann das starke Benevent, das er schleifte: – man sieht, seine geringe Truppenzahl reicht noch nicht aus, auch nur die wichtigsten Festungen zu besetzen, ohne sich für den Angriff im offnen Felde allzu empfindlich zu schwächen. Darauf nahm er außer anderen Castellen Cumae und entließ hier die vorgefundenen Gemahlinnen der ärgsten Gothenfeinde, der römischen Senatoren (deren Princeps, Cethegus, schon früher wegen Verrathes aus der Stadt verwiesen worden war). Nun fielen ihm Bruttien, Lucanien, Apulien, Calabrien durch freiwilligen Anschluß der Italier zu: überall in diesen Landschaften richtete er die gothische Verwaltung wie im tiefen Frieden wieder ein, als unbestrittener Beherrscher Italiens, von den geschonten und geschützten Bauern, deren Pflugarbeit und Ernte die Gothen gegen die Byzantiner zu schirmen hatten, die Pachtgelder und Gefälle anstatt der geflüchteten Vornehmen und des kaiserlichen Fiscus erhebend. Die Söldner des Kaisers, nun weniger als je bezahlt, weigerten sich, im offenen Feld zu fechten und hielten sich, unbotmäßig gegen ihre selbst verzagenden Führer, in den großen Festungen Ravenna, Rom, Spoleto, Florenz versteckt. Justinian, mit Recht über die Unthätigkeit dieser Feldherrn erbost, schickte einen Praefectus Praetorio Italiae als Oberführer ab: dieser aber, der eigenen Unfähigkeit bewußt, wagte gar nicht, Epirus, später Sicilien zu verlassen und in Italien zu landen. Der zweite verlor bei dem Versuch, in das von T. belagerte Neapel Lebensmittel zu werfen, durch einen Angriff der raschen Schiffe Totila’s, der zumal ein Seeheld war, seine ganze Flotte mit allen Vorräthen und Mannschaften; eine zweite Flotte ward durch Sturm in die Hände der Gothen getrieben: T. zeigte den belagerten Neapolitanern die gefangenen Befehlshaber, und als sie (– eine damals wie schon im Mittelalter häufige kriegsrechtliche Gepflogenheit –) versprachen, sich zu ergeben, falls binnen 30 Tagen nicht Entsatz komme, bewilligte er ihnen lachend die dreifache Frist: schon lange vor dem 30. Tag ergab sich diese drittgrößte Stadt Italiens (543/44). Bei äußerster Milde gegen die Besiegten ließ er die Mauern schleifen: er scheute, durch des Vitigis Beispiel gewarnt, die Belagerungen fester Städte, für die seine Gothen wenig Geschicklichkeit hatten und wollte nur im offenen Felde schlagen: es läßt sich diese seine Strategie genau nachweisen. Die Feldherren Justinian’s gaben es andrerseits ihrem Imperator schriftlich, daß sie dem König im offenen Felde nicht gewachsen seien und vertrieben sich in ihren Festungen sammt ihren Söldnern damit die Zeit, bei lüderlichstem Leben die Einwohner zu plündern und in jeder Weise zu mißhandeln, so daß diese allgemein Befreiung durch die Gothen ersehnten. Da griff also T., während er Otranto in Calabrien belagern ließ, bereits nach Rom: er forderte die Bewohner durch Nachts angeschlagenen Briefe auf, ihm, dem Erretter, die Thore zu öffnen: der byzantinische Befehlshaber ließ die arianischen Priester ausweisen, die er jener Anschläge verdächtig erachtete: aber T. zog auf Rom. Da entschloß sich Justinian, Belisar, den er aus schnöden Gründen und infolge schmählicher Ränke argwöhnisch aus Italien (540/541) abgerufen und verhindert hatte, nach Gefangennehmung des Vitigis den Gothenkrieg zu vollenden, aus dem freilich ebenfalls keineswegs abgeschlossenen Perserkrieg in Asien zurückzubefehlen und gegen diesen jungen Gothenkönig zu entsenden. Aber schlecht ausgerüstet von dem [478] geizigen Pandektenkaiser – seine trefflichen Leibwachen hatte er in Persien seinem Nachfolger lassen müssen – brachte Belisar zunächst nur 4000 Mann zusammen. Er ging nach Salona und versah, freilich nicht ohne eine Schlappe, das nahezu ausgehungerte Otranto mit Lebensmitteln; in Pola ward alsdann die Schwäche seiner Scharen durch listig verkleidete Späher Totila’s ausgekundschaftet: wenig besorgt um Belisar, gewann T. nun Tivoli und sperrte so dem eingeschlossenen Rom die Zufuhr aus Tuscien auf dem Tiber ab. Vergebens versuchte Belisar zu Ravenna, Italier und Gothen zum Eintritt in sein Heer zu bewegen: nicht Ein Mann folgte seinem Ruf, ja, seine eigenen illyrischen Söldner liefen davon, in ihre von den Hunnen bedrohte Heimath, mit Recht dem Imperator sagen lassend, sie hätten während all ihrer Dienstzeit in Italien keinen Sold erhalten. Zwar gewannen die Byzantiner Bologna, aber bei dem Versuch, Osimo zu entsetzen, brachte ihnen T. einen empfindlichen Schlag bei. Er eroberte Fermum, Ascoli und Spoleto und wandte sich nun selbst gegen Rom (545/546): auch während dieser Belagerung schützte und ermunterte er die Bauern der Campania bei Bebauung ihrer Felder: sie sollten unter dem Kriege nicht leiden. Wie die gesammte Kriegsleitung Totila’s viel mehr kluganstellige Findigkeit und rasche Beweglichkeit bekundet als die des tapferen, aber schwerfälligen Helden Vitigis, so zumal die Belagerung Roms. Die Lust zu Ausfällen verleidete er den Byzantinern sofort, indem er ihnen gleich bei dem ersten aus einem klug angelegten Hinterhalt blutigste Verluste beibrachte. Da sich nun Niemand mehr, Lebensmittel zu erbeuten, aus den Thoren wagte, stiegen alsbald Mangel und Hunger über die alten Mauern Aurelian’s. Die Zufuhr von der See her schnitt T. ab, indem er auf der Rhede von Neapel und bei den Inseln des Aeolos zahlreiche kleine Fahrzeuge kreuzen ließ, die alle für Rom bestimmten Frachtschiffe sammt der Bemannung aufbrachten: so eine gewaltige, von Papst Vigilius aus Sicilien gesendete Frachtflotte: bei diesem Anlaß ließ T. einem (allerdings sehr stark verlogenen) Bischof die Hände abhauen, wie er auch in anderen Fällen, sonst so mildgütig, Verrath blutig bestrafte: so bei der Einnahme von Tivoli (s. oben a. 544/45) an einem anderen katholischen Priester (auch verschmähte er neben erlaubten, oft geistreich ersonnenen Kriegslisten gelegentlich die Ermordung gefährlicher feindlicher Heerführer nicht). Nunmehr verfügte der König bereits über so zahlreiche Streitkräfte, daß er neben der Einschließung Roms auch die letzte noch unbezwungene Stadt der Aemilia, Piacenza, einschließen und durch Hunger zur Uebergabe zwingen lassen konnte. Belisar fürchtete mit Grund für Rom und den ganzen Ausgang des Krieges: er ging von Ravenna nach Epidamnus, den sehnlich erwarteten Verstärkungen näher zu sein: Rom zu entsetzen in offener Feldschlacht war er viel zu schwach: die wenigen endlich eingetroffenen herulischen Söldner warf er in die Hafenstadt Roms, Portus, wo sie aber bald bei einem Angriff auf das Lager Totila’s vernichtet wurden. Die Besatzung Roms zählte 3000 Mann, was Prokop sehr viel findet: ein Beweis für die geringe Ausdehnung der Werke und die Schwäche der Bevölkerung überhaupt.

Einstweilen (546/547) stieg die Noth der Bewohner der Stadt furchtbar: der elende Befehlshaber Bessas, die Officiere und die Soldaten benutzten sie, ihre Vorräthe zu Hungerpreisen zu verkaufen: der Scheffel Getreide ward zu 7, ein vor den Thoren erbeutetes Rind zu 50 Goldsolidi (= 88 und 625 Mark) verkauft: das Aas gefallener Pferde galt als Leckerbissen, das Volk lebte von den Brennnesseln, die in üppiger Fülle um die Mauern und Denkmale der verödeten Stadt wucherten: nachdem die Römer kein Geld mehr besaßen, gaben sie ihre werthvollste andere Habe für die Tagesverpflegung der Soldaten hin. Erst nachdem auch Hunde und Mäuse verzehrt, Tod und Selbstmord sehr häufig geworden waren, ließen die Feldherrn die Bürger aus den Thoren: bis dahin hatten sie [479] den Opfern ihrer Erpressung den Abzug verwehrt. Endlich trafen in Epidamnus die ersehnten Verstärkungen ein: Belisar brachte nun Otranto Entsatz, sein Feldherr Johannes hatte einige Erfolge in Calabrien, Bruttien, Lucanien und gewann Brindisi und Canusium. Aber Belisar’s Versuch, vom Hafen Portas aus den Tiber aufwärts Lebensmittel nach Rom zu führen, scheiterte vor allem an der Unthätigkeit des Bessas, der immer noch die Belagerung in die Länge ziehen wollte, durch Verkauf von Getreide zu höchsten Preisen seine Reichthümer zu mehren. Zuletzt verriethen vier isaurische Söldner das ihnen anvertraute asinarische Thor und ließen, als der Abend dunkelte, die Gothen ein: ohne Widerstand flohen Bessas und die Truppen fast sämmtlich aus der Stadt: nur wenige suchten Zuflucht in den Kirchen, wie die auf fünfhundert Köpfe zusammengeschmolzenen Bewohner der Weltstadt. Der erste Gang des Gothenkönigs, des Ketzers, bei Tagesanbruch galt der (katholischen) Peterskirche, wo er sein Dankgebet verrichtete: er befahl, Leben und Freiheit der Besiegten zu schonen: nur 26 Soldaten und 50 Bürger waren bei dem ersten Eindringen der Sieger erschlagen worden: seinen leeren Kriegsschatz füllte er mit den im Hause des Bessas vorgefundenen erpreßten Geldern und den seltensten Kostbarkeiten der Bürger, verstattete im übrigen – nach damaligem Kriegsrecht – Plünderung, schützte aber Rusticiana, des Symmachus Tochter, des Boëthius Wittwe (s. Theoderich der Große), die angeklagt war, die Bildsäulen Theoderich’s in der Stadt haben niederwerfen zu lassen, vor der Rache der Gothen, die ihren Tod forderten und ebenso die weibliche Ehre aller Frauen, wofür er reichen Dank und hohen Ruhm erntete.

Mit weiser Mäßigung nutzte der Sieger seinen Erfolg: dem Volk und – in härteren Worten – dem Senat von Rom, die unter Vitigis (s. diesen) eidbrüchig auf Veranlassung des ebenfalls eidbrüchigen Papstes Silverius Belisar in ihre Stadt gerufen hatten, hielt er nur ihren Undank und Verrath vor, ohne sie zu strafen und an den Imperator schickte er – aus dem eroberten Rom – Friedensanträge: ein überraschender Schritt eines jungen siegreichen Barbarenkönigs, der sich doch nur aus der klaren Einsicht in die Ueberlegenheit des großen, alten Culturreiches dort im Osten über das Häuflein vereinzelter Germanen in Italien erklärt. Er forderte durch Gesandte Justinian auf, das Verhältniß der Freundschaft zu erneuern, wie es weiland zwischen Anastasius und Theoderich bestanden: dann wolle er ihm wie ein Sohn dem Vater Waffenhilfe wider alle Feinde leisten: mündlich ließ er mahnen, ihn nicht durch Verweigerung des Friedens zu zwingen, den Senat hinzurichten, Rom der Erde gleich zu machen und angreifend in das Herz des Ostreichs einzubrechen. Aber Justinian wies ihn ab, eine Schlappe der Gothen in Lucanien erbitterte T. und so soll er denn – berichtet wenigstens Prokop – wirklich einen Augenblick die Zerstörung Roms beschlossen haben und erst durch eindringliche Mahnungen Belisar’s davon abgebracht worden sein. Aber „Rom zerstören“ wäre lange, schwere Arbeit gewesen: wahrscheinlich hat er nie mehr gewollt als er nun ausführte: er legte, wie in anderen Städten, z. B. Spoleto, an verschiedenen Orten die Umwallung der Stadt nieder, da er sie weder ausreichend besetzen konnte noch Belisar Preis geben wollte und ließ einen Theil seines Heeres in der Nähe Roms (120 Stadien, 14 römische Meilen) westlich stehen, zu verhüten, daß Belisar von Portus aus die Stadt besetze, die nun fast völlig leer stand, da T. die Senatoren als Geiseln mit sich führte, das andere Volk aber nach Campanien ziehen ließ: man sieht, er wollte verhindern, daß die Byzantiner, durch die Bevölkerung herbeigerufen, sich abermals hinter jenen Mauern festsetzten, an denen unter König Vitigis alles gothische Heldenthum zerschellt war. Er brachte das Landvolk in Lucanien, das sich von einem großen Grundeigner der Provinz gegen die Gothen hatte aufreizen [480] lassen, wieder zu Ruhe durch die von ihm mitgeführten Vornehmen, die er nun hier wieder als Grundherrn anerkannte, besetzte darauf das Castell Acherontis an der Grenze von Lucanien und Calabrien, ließ die römischen Senatoren als Geiseln in Campanien unter Bewachung zurück und wandte sich gegen Ravenna, diese stärkste Festung Italiens wieder zu gewinnen. Kaum war er fort, als Belisar Rom besetzte, das er mit aller Macht zu behaupten beschloß: er stellte durch unablässige Arbeit seines ganzen Heeres in 25 Tagen die zerstörten Theile der Umwallung wieder – nothdürftig – her, rief die Bürger aus Campanien in die Stadt zurück und versah diese von der See her reichlich mit Lebensmitteln, T. mochte nun seinen (– ersten –) großen Feldherrnfehler, die Räumung Roms, schwer bereuen – seine Großen schalten ihn schwer, daß er die Stadt verschont habe –: eilig zog er heran, bevor auch die Thore wieder genügend hergestellt wären: allein der erste unordentliche Angriff ward in zwölfstündigem Kampf abgeschlagen, desgleichen der des folgenden Tages und so sahen sich die Gothen genöthigt, zum dritten Mal in diesem Krieg die ihnen so unheilvollen Mauern zu belagern, während Belisar zum dritten Mal die Schlüssel der ewigen Stadt seinem Imperator schickten konnte. T. zerstörte die Tiberbrücken, erneuerte und besetzte das von ihm früher zerstörte Castell von Tivoli, zog dann aber (547/548) ab, das schon hart bedrängte Perugia zu erobern. Von da machte er einen raschen Streifzug gegen Johannes (oben S. 479), der nach glücklichem Gefecht in Capua viele dort vergeiselt gehaltene Senatoren und zumal viele Frauen von solchen in anderen Städten Campaniens befreit hatte: allzuhastiger Ungestüm der Gothen ließ aus dem an sich gelungenen Ueberfall die Feinde mit geringem Verlust nach Otranto entkommen. Doch schlug nun T. byzantinische Verstärkungen sofort nach ihrer Landung bei Brindisi und trieb sie nach Tarent. Dorthin trachtete auch Belisar, von Portus absegelnd, auf Befehl des Imperators mit jenen Verstärkungen Calabrien zu erobern: er landete bei Kroton und schickte seine Reiter voraus, die Pässe am Eingang von Calabrien zu besetzen: als aber diese, durch einen kleinen Erfolg übermüthig und sorglos gemacht, in ihrem Lager von T. überfallen und fast aufgerieben wurden, schiffte sich Belisar eilig wieder ein und verließ sogar das Festland von Italien ganz. Er ging nach Sicilien und sandte von Messina seine Gattin Antonina nach Byzanz, bei ihrer Freundin, der allmächtigen Kaiserin Theodora, kräftigere Unterstützung durchzusetzen. Von Sicilien aus machte er (548/549) einen vergeblichen Versuch, das von T. belagerte Ruscia zu entsetzen: er segelte nach Otranto, dann nach Kroton, wagte aber gar nicht, angesichts des hier an der Küste von T. aufgestellten Heeres, zu landen, sondern segelte unverrichteter Dinge nach Byzanz zurück: „sehr unrühmlich“, sagt Prokop sogar in seinem unter seinem Namen veröffentlichten „Gothenkrieg“: „fünf Jahre war er dermaßen aus Italien ausgesperrt gewesen, daß er es gar nicht wagte, auf dem Festland aufzutreten, sondern all diese Zeit segelte er, verstohlen und flüchtig, immer von einem Küstencastell zum andern längs dem Gestade hin, so daß die Gothen Rom und alles Andere wieder gewannen und gerade während seiner Heimfahrt Perugia mit Sturm nahmen“.

Antonina hatte zu Byzanz Theodora nicht mehr am Leben getroffen und nunmehr bei Justinian die von beiden Gatten heiß ersehnte Abberufung Belisar’s aus dem ruhmlosen und – bei so ungenügender Unterstützung – aussichtlosen Gothenkrieg und Entsendung nach Asien durchgesetzt, wo es dringend galt, die Perser abzuwehren. Nach Belisar’s Abfahrt ergab sich Ruscia: die Besatzung, die treulos einen früheren Uebergabevertrag gebrochen hatte, zitterte vor der Rache: aber T. strafte nur die Anstifter und stellte den Andern die Wahl, frei nach Kroton abzuziehen oder unter ihm zu dienen: solch edle Milde und Klugheit verfehlte ihre Wirkung nicht: alle bis auf 80 traten unter seine Fahnen. [481] Darauf entsandte T. einen ebenfalls nach der Gefangennehmung in sein Heer getretenen ehemaligen Leibwächter Belisar’s, Ilauf (ein germanischer Name), als Befehlshaber einer Flotte nach Dalmatien, wo dieser Muicurum bei Salona und Laureata eroberte, hier die gegen ihn geschickten byzantinischen Kriegsschiffe schlug, sie alle und dazu eine Menge von Frachtschiffen wegnahm und seinem König zuführte, der sich nun anschickte (549/550), Rom zum zweiten Male zu belagern. Da er mit seinen Schiffen bald den Hafen Portus gewann, vermochte er die Eingeschlossenen wirksam zu bedrängen. Durch einen Scheinangriff lockte und lenkte er die Besatzung nach dem Tiber ab und drang gleichzeitig durch das Thor des Apostels Paulus in die Stadt, wieder mit Hülfe isaurischer Söldner, die, grollend wegen ihres nie erhaltenen Soldes, ihre reich bezahlten Landsleute in Totila’s Diensten beneideten. Der größte Theil der aus Rom nach Centumcellae – dem letzten noch von den Byzantinern behaupteten Nachbarort – flüchtenden Besatzung fiel in einen hier von T. geschickt gelegten Hinterhalt und fand den Tod. Sechshundert Reiter, die sich in das Grabmal Hadrian’s geflüchtet und hier tapfer vertheidigt hatten, ergaben sich am andern Tag: sie nahmen – mit Ausnahme der Führer (die T. mit Reisegeld in die Heimath entsandte) – Dienst bei dem König, obwohl er ihnen freien Abzug nach Byzanz anbot: desgleichen 400 andere Soldaten, die in den Kirchen Zuflucht gefunden hatten. Gewitzigt, beschloß der König wohlweislich, nun Rom nicht wieder zu räumen, sondern die Stadt nach Kräften zu heben und aller Welt als seinen Herrschersitz zu zeigen (nicht nur dem Frankenkönig [welchem? wohl Theudibert, † 548, der sich um die italischen Dinge bemühte, s. den Artikel], wie Prokop meint, der ihm im J. 546/7 die Hand der Tochter verweigert, weil er in der Preisgebung Roms ein Zeichen der Schwäche erblickt habe): er lud Gothen und Römer, zumal viele Senatoren, die er nun in Campanien freigab, ein, sich in Rom niederzulassen, stellte die in den drei Belagerungen zerstörten Gebäude und Denkmäler wieder her und hielt wie ein römischer Imperator glänzende Circusspiele ab, sich so in gesicherter friedlicher Herrschaft über Rom und Italien darstellend. Aber nicht aufgeblasen durch diese Erfolge suchte er abermals in Byzanz Friede nach unter den früheren Vorschlägen: Justinian verweigerte den Gesandten den Zutritt und dem „Tyrannen“ d. h. dem Anmaßer jede Antwort: der sonst recht Wankelmüthige ward (wie früher schon von der frommen Dirne Theodora, die den Krieg gegen die Ketzer als gottgefällig Werk betrieb – und sie konnte allerdings Abspülung ihrer Sünden durch Ketzerblut und Entschuldigungen bei’m lieben Gott dringend brauchen!) im Ausharren bestärkt durch die Führer der beiden Stände, die am glühendsten die ketzerischen Barbaren in Italien haßten: durch Papst Vigilius, das Haupt der rechtgläubigen Geistlichkeit, und durch den Consular und princeps Cethegus (al. Gothigus), den Leiter des senatorischen Adels. So schroff abgewiesen, wollte T. den Frieden durch den Krieg d. h. den Angriff auf das Ostreich erzwingen: er beschloß, die gleich zu Anfang des Krieges verlorene Insel Sicilien zurück zu erobern und zum Stützpunkt jenes Angriffs zu machen. Er hatte eine gewaltige byzantinische Flotte auf ihrer Fahrt dorthin mit allen ihren Schiffen, Bemannungen und Vorräthen aufgebracht: mit dieser Flotte und 400 kleineren neu hergestellten Fahrzeugen landete er auf Sicilien, trieb die byzantinischen Besatzungen nach Messina zusammen und ließ sie dort einschließen, während er selbst die ganze Insel ohne Widerstand durchzog und unterwarf. Schon vorher hatte er das Castell von Tarent erobert und Ravenna belagern lassen, ein drittes Gothenheer nahm Rimini und schlug bei Ravenna byzantinische Kernschaaren, die das Picenum hatten zurückgewinnen sollen. Justinian traf jetzt eine ungemein geschickte Wahl in Bestellung des Oberfeldherrn für den Gothenkrieg: er übertrug ihn seinem sehr [482] tüchtigen Bruderssohn Germanus, der sich mit Mataswintha (s. diese), der Enkelin Theoderich’s, vermählt hatte: (der Gatte Vitigis [s. den Artikel] war wohl in der Gefangenschaft gestorben oder vielleicht war die von ihm erzwungenen Ehe für nichtig erklärt worden): und es ist ergreifend, wahrzunehmen, wie tief die Liebe zu dem alten Herrscherhaus der Amalungen, trotz der schlimmen Erfahrungen, die man an Amalaswintha und Theodahad gemacht hatte, in dem Gothenvolk eingewurzelt war: sehr viele Gothen in den Heeren Totila’s schwankten, ob sie gegen den Großeidam Theoderich’s fechten dürften; des Prinzen plötzlicher Tod (an einer Krankheit) a. 550 zu Sardica in Illyricum, wo er bereits sein Heer musterte, befreite T. von einem gefährlichen Gegner. Der König kehrte nun aus dem völlig unterworfenen, durch vier Festungsbesatzungen gesicherten Sicilien mit reichster Beute nach Italien zurück, dem von Dalmatien her drohenden Angriff des verwaisten Heeres des Germanus zu begegnen. Allein zunächst scheiterten oder ruhten die Angriffe der Byzantiner: eine kaiserliche Flotte ward vom Sturm nach dem Peloponnes zurückverschlagen, die Landheere wurden durch Einfälle der Slaven festgehalten, die T. vielleicht hierzu bewogen hatte. Erst im J. 551 ernannte Justinian den Nachfolger des Germanus, den ausgezeichneten, Belisar mindestens gleichwerthigen Feldherrn, den Perserbesieger Narses. Dieser hervorragende Mann – erst infolge von Krankheit und Heilversuchen war er verschnitten worden – machte zur Bedingung der Uebernahme des Oberbefehls über die bisher eifersüchtig hadernden, aber alsbald durch seine Geistesüberlegenheit bezwungenen Feldherrn, genügende Ausrüstung an Geld und Streitkräften – Belisar war in seinem letzten Feldzug ganz unzureichend ausgestattet gewesen – und wirklich setzte er bei dem sonst so knauserigen Justinian alle seine Forderungen durch. Zu Salona in Dalmatien betrieb er großartige Rüstungen, das Heer des Germanus durch zahlreiche und erlesene Verstärkungen vermehrend: denn nicht, wie Belisar bei Eröffnung des Kampfes, von Süden nach Norden hin, umgekehrt von Norden nach Süden wollte er die Halbinsel erobern, so die Gothen von ihren natürlichen Rückzugslinien über die Alpen abdrängend und zuletzt an der Südspitze des Landes ins Meer werfend. Nämlich nicht auf ihre Vertreibung, – auf ihre Vernichtung hatte es Narses abgesehn. Dieser geniale Plan sollte wirklich – trotz allem Heldenthum Totila’s und Teja’s – das Verderben über die Gothen heraufführen. Mit allerdrückender Uebermacht trat Narses den durch furchtbare Verluste in 16 Kriegsjahren zu einem kleinen Häuflein herabgeschmolzenen Heerbann Totila’s gegenüber: die reichen Geldmittel des Weltreichs wurden nun verwendet, neue Söldner zu werben, lauter ausgesuchte Krieger, nicht nur Perser und Hunnen, ganz besonders Germanen: 5000 Langobarden unter ihrem Königssohn Alboin, 3000 Heruler unter ihren Volksedeln, 400 Gepiden unter dem Edeling Asbad, von dessen Speer T. die Todeswunde empfangen sollte: abermals, wie schon so oft, sollte altrömische Kriegskunst germanisches Heldenthum durch andere Germanen unter überlegener römischer Führung niederwerfen: aus den Besatzungen von Byzanz, aus Thrakien und Illyricum zog Narses alle Kernschaaren an sich und außerdem nahm der wegen seiner Freigebigkeit weithin gepriesene Mann nach der Sitte der damaligen Feldherrn – auch Belisar’s – aus seinen Privatmitteln zahlreiche erlesene Führer und Soldaten aus allen Völkern in seinen Dienst als Leibwächter.

T. suchte diese furchtbar aufsteigende Gefahr abzuwenden durch einen zuvorkommenden Angriff auf das Herz des Ostreichs selbst, um so Justinian zur Rückberufung des Heeres aus Dalmatien, zum Schutze von Byzanz, einzuschüchtern. Er schickte (551/552) eine Flotte von 300 Kriegsschiffen in die Gewässer von Kerkyra, die dortigen Inseln und das Festland von Epirus anzugreifen: die Flotte eroberte und verheerte Kerkyra und die nahen sybotischen [483] Inseln, schiffte dann Mannschaften auf dem Festlande von Epirus aus, die bis Dodona streiften, Nikopolis und Anchisus überfielen und auf der Rückfahrt die ganze Küste entlang viele Kauffahrer, auch für Narses bestimmte Vorrathsschiffe, aufbrachten.

Aber gleichzeitig traf die Gothen ein schwerer Schlag: ihre andre Flotte – von 47 Segeln –, die den Hafen von Ancona sperrte, während ein Heer die Stadt von der Landseite her bedrängte, ward von 30 byzantinischen Schiffen, die Narses aus Salona zum Entsatz schickte, infolge höchst ungeschickten Angriffs der Gothen, bei Sinigaglia völlig vernichtet unter schwersten Verlusten an Mannschaft: das Landheer floh aus seinem Lager nach Rimini: der Streich entmuthigte die Gothen, denn viele der besten ihrer Helden hatten hier den Tod gefunden. Zugleich mußten sich ihre Besatzungen auf Sicilien, ausgehungert, ergeben. Wieder suchte T. den Frieden: er ließ zu Byzanz vorstellen, wie einen sehr großen Theil Italiens: die Seealpen, viele Städte Liguriens, Venetien, die Franken besetzt hätten, das übrige sei durch den 17jährigen Krieg verwüstet: gleichwohl wollten die Gothen „für diese Wüste“ Jahresschatzung zahlen, die allein noch unversehrten Länder – Sicilien und Dalmatien – räumen, in allen Kriegen dem Imperator Waffenhülfe leisten und seine Oberhoheit anerkennen. Aber Justinian wies alle Gesandten und alle Vorschläge ab: „denn er haßte den Namen der Gothen und sann darauf, sie auszutreiben aus dem Reiche“: wieder, wie schon unter Vitigis (s. diesen) wollte er die Franken auf sie hetzen. Da beschloß T. abermals, die Byzantiner anderwärts zu beschäftigen: Narses zuvorkommend, in Dalmatien selbst anzugreifen, dazu fehlten – nach dem Unheil Sinigaglia – wohl die Streitkräfte zur See, zumal (außer in Salona) in Ravenna und Ancona byzantinische Flotten ankerten. So ließ T. Corsica und Sardinien besetzen und völlig unter gothische Steuerverwaltung nehmen: kaiserliche Schiffe aus Afrika, die letzteres Eiland wieder erobern wollten, wurden durch Ausfall der gothischen Besatzung aus der Hauptstadt Caralis schwer geschlagen und zur Heimkehr gezwungen.

Allein diese kleinen Nebenerfolge vermochten nicht, die drohende Hauptentscheidung in Italien abzuwenden: bevor T. den (wahrscheinlich) geplanten abermaligen Angriff auf das Ostreich ins Werk setzen konnte, brach – nach sorgfältigst vollendeten Rüstungen – Narses von Salona auf und zog durch Liburnien und Istrien nördlich um den ionischen Meerbusen nach Venetien. Hier verweigerten ihm die fränkischen Grafen des Königs Theudebald (s. A. D. B. XXXVII, 727) den gemäß der Freundschaft zwischen beiden Reichen geforderten Durchzug unter dem Vorwand, die Langobarden in seinem Heere seien der Franken schlimmste Feinde (während doch erst 17 Jahre später [569] beide Völker sich bekämpften!), in Wahrheit, weil die Franken wenigstens Norditalien für sich selbst anstrebten und durchaus nicht Byzanz nach Vernichtung der Gothenmacht in Italien alleinherrschend werden lassen wollten. Nun gerieth Narses in arge Verlegenheit: denn einstweilen hatten die Führer der Gothen – unter Totila’s Oberleitung – sehr umsichtige Vorkehrungen getroffen: T. hatte Teja, den größten Helden seines Volks, den späteren König (s. A. D. B. XXXVII, 535), mit trefflichen Tausendschaften nach Verona entsendet, die Straßen nach dem Süden zu sperren: Teja, ein des großen Feldherrn Narses nicht unwürdiger Gegner, löste diese Aufgabe meisterhaft: er machte die Uebergänge über den Po durch Vertiefung der Furten, dann durch Gräben und Verhacke unüberschreitbar: auf dem Südufer des Flusses erwartete er den Uebergangsversuch des Feindes, zur Schlacht bereit. Aber Narses fand diese Aufstellung unangreifbar und stand nun rathlos: denn das ganze Heer auf einmal über den ionischen Meerbusen zu setzen, – dazu gebrach es ihm an Schiffen und vereinzelte Landungsversuche mochten die Gothen leicht abwehren: die einzige gangbare Straße im Binnenland [484] – an Verona vorbei – war gesperrt: und der Weg an der Ostküste entlang schien nicht zu verwerthen, da ihn zahlreiche und breite Flüsse in ihrem Unterlauf – vor der Mündung in das Meer – durchschnitten. Endlich erbot sich ein landeskundiger Heerführer, das Heer gleichwohl dieses Weges zu leiten: jene Flüsse sollten auf mitgefahrenen Schiffen und Nachen überschritten werden. So gelangte Narses, Verona nördlich umgehend, an der Ostküste hinziehend, nach Ravenna, von da, nach neuntägiger Rast, gegen Rimini: auch auf dieser kurzen Strecke mußten kleinere und größere Flüsse (der Utens, Bedese, Sapis, Rubico) überschritten werden, der Ariminus bei Rimini erst, nachdem der kühne Vertheidiger der Veste, Usdrila, gefallen war: aber auch jetzt noch mußte Narses längs der Küste hinziehen, da die bequeme flaminische Heerstraße durch die Veste Petra Pertusa völlig abgesperrt war.

T. hatte zunächst bei Rom das Eintreffen von Teja’s Heer abwarten wollen, dessen Stellung ja nun umgangen war: jedoch auf die Nachricht, daß Narses bereits über Rimini hinaus vordringe, eilte er ihm durch Tuscien entgegen und nahm Stellung am Fuße des Apennins bei dem Städtlein Taginas (heute Gualdo Tadino). Alsbald erschienen die Byzantiner auf den Höhen und lagerten etwa 100 Stadien (12 500 Schritt) weiter bergaufwärts bei der „Brandstätte der Gallier“ d. h. einem Ort, an dem der Sage nach weiland Camillus die Gallier geschlagen und ihre Todten verbrannt haben sollte. Narses forderte den König auf, die Waffen zu strecken und sich zu unterwerfen, da er ja doch mit seinem zusammengerafften Häuflein der erdrückenden Uebermacht des Weltreichs nicht widerstehen könne, andernfalls möge er den Tag der Schlacht bestimmen. Zornig verwarf T. den Antrag und bestimmte für den Kampf den 9. Tag. Dieser ganze Bericht Prokop’s enthält aber viel Unwahrscheinliches: T. zeigt zwar jedesfalles bei diesem seinem letzten Waffengang durchaus nicht die früher bewährte Feldherrnschaft: er mußte – zumal bei der Uebermacht des Narses – das Herankommen von Teja’s Heer abwarten: alsdann konnten die Byzantiner zugleich im Rücken von Teja und in der Stirnseite vom König angegriffen werden: und vielleicht bezweckte das jene Frist von 9 Tagen. Aber eben deshalb ist unbegreiflich, daß Narses sich so lange habe hinhalten lassen wollen, statt sofort den schwachen Feind zu erdrücken. Hatte T. jenen Plan gefaßt, so hat er ihn doch sofort wieder fallen lassen, vielleicht in der Hoffnung, nun durch Ueberraschung zu siegen: denn schon am folgenden Tag erschien er, dem Gerücht seiner Annäherung vorausfliegend, mit seinem Heer zwei Bogenschüsse unterhalb des feindlichen Lagers. Aber der vorsichtige Narses hatte sich wohlweislich schon für diesen Tag zur Schlacht bereit gemacht und bereits in der Nacht eine das hügelige Gelände und das Flüßchen Clasius beherrschende Steilhöhe durch eine erlesene Schaar besetzt (ganz ähnliches wird übrigens von Aëtius vor der Hunnenschlacht von 451 erzählt), die nun vier Angriffe der gothischen Reiterei abschlug: der Besitz jenes Hügels sicherte die Byzantiner vor einem nur an dieser Stelle ausführbaren Flankenangriff. Am folgenden Tag stellten beide Feldherren ihre Heere in Schlachtordnung, mit sehr tiefen Gliedern. Narses lehnte seinen linken (östlichen) Flügel an jenen Hügel: er selbst befehligte hier den Kern seiner Truppen, darunter die Leibwächter und die Hunnen; in die Mitte stellte er die Langobarden, Heruler und andere Barbaren, ihre Reiter ließ er vorläufig absitzen, damit sie nicht so leicht – aus Verrath oder Furcht – die Flucht ergreifen könnten, den rechten (westlichen Flügel) überließ er seinen Unterfeldherrn. Die gewaltige Stärke seines Heeres erhellt schon daraus, daß er allein aus der den Gothen von jeher so verderblichen Truppe der leichten Bogenschützen je 4000 Mann auf jeden Flügel häufen konnte. 1000 Reiter schickte er dem gothischen Fußvolk in die (linke?) Flanke, 1500 hielt er hinter [485] seinem linken Flügel zurück, mit dem Auftrag, eine irgendwo weichende Abtheilung aufzunehmen und dem Verfolger sich entgegen zu werfen. Er zeigte seinen goldgierigen Landsknechten aus allen Völkern auf hohen Speeren Armringe, Halsketten, Zaumzeug, glitzernd von Gold und andren Schmuck, danach der Söldner Herz begehrte: nie hat es Heere gegeben, die weniger national waren, als diese byzantinischen. T. sprengte durch seine dünnen Reihen und mahnte mit dem nur allzuwahren Wort, dieser Tag werde das Schicksal des Gothenvolks entscheiden.

Da er aber das Eintreffen von 2000 Reitern (aus dem Heere des Teja? wahrscheinlicher vom Süden her: denn Teja stand an diesem Tage noch, wie es scheinen will, jenseit des Po in Pavia!) abwarten wollte, bevor die Schlacht beginne, suchte er Zeit zu gewinnen durch ein glänzend Waffenspiel, das sollte zugleich den Feinden zeigen, welch ein Mann er sei. In goldleuchtender Rüstung, auf herrlichem Roß, ritt er zwischen beiden Heeren in echt königlichem Schmuck, von Lanze und Wurfspeer flatterten ihm Purpurwimpel; so tummelte er das Pferd, nach allen Seiten kunstvoll verschlungene Kreise reitend: dabei warf er die Lanze hoch in die Luft, fing in schnellstem Ritt die zitternde in der Mitte, abwechselnd mit jeder Hand, und zeigte durch noch andre Reit- und Waffenkünste mehr seine wunderbare Gewandtheit und Geübtheit. Nachdem er in solchem Spiel den ganzen Morgen verbracht – man sieht, trotz seiner Uebermacht steigt der Byzantiner nicht zum Angriff in das Thal hinab, vorsichtig die Vortheile seiner klug gewählten Stellung wahrend – forderte er, immer noch, um Zeit zu gewinnen, eine Unterredung, die aber nun Narses ablehnte. Endlich waren gegen Mittag jene erwarteten Reiter eingetroffen: T. nahm jetzt sein ganzes Heer in das Lager zurück, ließ abkochen und die Truppen speisen. Dann führte er sie plötzlich zum Angriff heraus, auf Ueberraschung hoffend. Aber Narses hatte die Absicht durchschaut, sein Heer, unter den Waffen stehend nur einen Imbiß nehmen lassen, in Reih und Glied und stets den Feind und dessen etwaiges Anrücken im Auge. Dabei hatte er jedoch nun die gefürchteten Bogenschützen von beiden Flügeln her gegen sein Mitteltreffen hingezogen, so von beiden Seiten her das Ansprengen der gothischen Reiterei gegen diese seine Mittelfront zu bestreichen. (Prokop’s Bericht, T. habe seinen Leuten befohlen, weder der Pfeile noch des Schwertes, nur der Lanze in dieser Schlacht sich zu bedienen, ist zweifelig, da er das gleiche von der Vandalenschlacht Gelimer’s (s. d.) erzählt.) Die von Anfang unglücklich, wohl allzu jugendlich gedachte, hastig herbeigeführte und unglücklich eingeleitete letzte Schlacht Totila’s – er hätte um jeden Preis Teja und dessen Heer abwarten, bis dahin die Entscheidung hinauszögern müssen – war gleich mit dem Beginn verloren. Seine Reiter erlitten, lange bevor sie zum Einhauen kamen, durch das Kreuzgeschwirr der Pfeile von beiden Seiten her solche Verluste an Leuten und Pferden, daß sie beim Zusammenstoß mit dem feindlichen Fußvolk blutig abgewiesen und in solcher Auflösung zurückgeworfen wurden, daß sie auf der Flucht ihr eignes Fußvolk niederritten und in völliger Verwirrung mit sich fort rissen: die Fliehenden wurden im Gedräng unter einander selbst handgemein und ohne Erbarmen schlachteten die Verfolger die widerstandslos von blindem Schrecken Fortgerissenen bis zum Einbrechen der dunkeln Nacht. 6000 Gothen und zu ihnen früher übergetretene Byzantiner fielen, aber Narses ließ auch alle Gefangenen ermorden. Auch T. fand, im Finstern, von nur noch fünf Begleitern umgeben, auf dieser Flucht den Tod: der Gepide Asbad (s. oben S. 482) holte ihn ein und durchbohrte ihm, ohne ihn zu erkennen, mit dem Speere die Schulter: Skipuar, ein in diesem Kriege viel genannter Gothenheld, verwundete den Gepiden und [486] ward selbst verwundet: ein Knabe des Gefolges und drei andere Gothen retteten ihren Herrn aus dem Getümmel und brachten ihn noch 84 Stadien (10 500 Schritt) bis nach Caprae (heute Caprara): dort pflegten sie seine Wunde, mußten aber bald seine Leiche begraben: sein mit Edelsteinen geschmückter Helm und sein blutig Gewand trafen im August als Siegeszeichen zu Byzanz ein: also fällt die Schlacht wohl in den Juli. Die Byzantiner wußten nichts von seinem Tode, bis ein Weib ihnen den Grabhügel wies: ungläubig öffneten sie, erkannten den König, bestatteten ihn wieder und meldeten es Narses. (Nach einer andern, minder glaubhaften, weil jenen genauen Angaben widersprechenden Nachricht soll T. nicht in königlichen Waffen, in gewöhnlicher Rüstung gleich zu Beginn der Schlacht durch einen Pfeil schwer verwundet und hierdurch das Heer in Furcht und Flucht geschreckt worden sein.) Die aus der Schlacht geretteten Gothen flohen nicht nach Rom, sondern nach Norden über den Po nach Pavia zu Teja, der nun zum – letzten – König der Ostgothen gewählt ward (s. A. D. B. XXXVII, 535).

Von den Regierungshandlungen Totila’s im Innern wissen wir nur das Wenige oben Eingeflochtene. Jedoch geben seine Münzungen anziehende Gradmesser ab für seine steigenden Erfolge und die wachsende – aufgezwungene – Feindseligkeit gegen Byzanz, dem er (wie übrigens alle nicht amalischen Nachfolger Theoderich’s) nur als Anmaßer, „tyrannus“, galt.

Goldmünzen durften die Barbarenkönige blos mit Namen und Bild des Imperators prägen: daher tragen die in Rom, Ravenna, Mailand, Arles geprägten Goldmünzen Namen und Bild von Anastasius und Justinus: doch fügte Theoderich sein Monogramm bei. Von T. sind erhalten Silbermünzen mit dem Bild und Namen des längst verstorbenen Anastasius – weil aus dem Vertrage Theoderich’s mit diesem die Gothen ihr nun mit brutalem Unrecht von Justinian bestrittenes Besitzrecht an Italien ableiteten –, dann mit Bild und Namen Justinian’s, Silber- und Kupfermünzen ohne Kaiserbild und Namen, ja eine Silbermünze Totila’s zeigt, statt des Brustbilds Justinian’s, des Königs eigenen mit dem kaiserlichen Stirnband geschmückten Kopf und seinen Namen: Kupfermünzen tragen sein Brustbild von vorn (ganz wie die imperatorischen, nicht, wie die Theodahad’s, im Profil), mit einer geschlossenen Königskrone statt des Diadems: diese den Imperator ausschließenden Prägungen gehören offenbar der Zeit von Totila’s stolzesten Erfolgen und der völligen Zurückweisung seiner Friedensanträge an. Teja münzte wieder Silber mit Anastasius’ Bild und Namen.

Mit der katholischen Kirche stand der Ketzer T. gut: nach der Einnahme Roms (549) ließ ihn Papst Vigilius (a. 537 – a. 555) zu Byzanz, das Geschöpf und Werkzeug Theodora’s, warnen vor der Einmischung in das Leben der ihm fremden Kirche, er verehrte hoch den (späteren) Papst Pelagius I. (555–560): wir sahen T. nach der Einnahme Roms sofort zum Gebet in die Peterskirche eilen. Sein Besuch bei St. Benedict von Nursia, dem großen Gründer des Benedictinerordens, ist vielleicht nicht erfunden, jedesfalles aber die ganze Ueberlieferung legendenhaft ausgeschmückt: T. wurde in der Kirchengeschichte zum Urbild eines grausamen, geistreichen, aber selbstverständlich immer widerlegten Zweiflers; daß er den Bischof von Populonia wegen (übrigens unbestrittenen) Kriegsverraths den Bären vorgeworfen habe, ist wenig wahrscheinlich: glaubhafter schon, daß er die rothe Nase des Bischofs von Narina „höchst gottlos“ aus der Gewohnheit ständigen Trinkens“ erklärt habe. St. Benedict weissagt ihm, er werde Rom gewinnen, die See überschreiten, 9 Jahre herrschen, im zehnten sterben – was offenbar erst im J. 553 „geweissagt“ ist.

[487] Quellen und Litteratur: s. unter „Teja“ XXXVII. 535, die Münzen, Urgeschichte I. Berlin 1881. S. 300, die Kirchenlegenden, Könige III. 1866. S. 246, über das Schlachtfeld von Taginas die Karte bei Hodgkin, V. London 1885. p. 710.