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ADB:Velde

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Artikel „Velde, van de“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 557–563, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Velde&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 07:36 Uhr UTC)
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Velde: Den Namen van de V. führen mehrere, sämmtlich derselben Familie angehörigen Künstler, die in der Entwicklungsgeschichte der holländischen Kunst zum Theil eine hervorragende Stelle einnehmen. Das Haupt der Familie, ein einfacher Nagelschmied, siedelte infolge der religiösen Verfolgungen, mit denen die Spanier nach ihrem Siege im J. 1576 gegen die Protestanten vorgingen, von Antwerpen, wo die van de Velde’s eingeboren waren, nach Rotterdam über. Ihm folgte sein Sohn Jan van de V., der sich als Kalligraph und französischer Sprachlehrer bald in Rotterdam eine geachtete Stellung errang. Im J. 1604 gab er eine Sammlung von Musterschriften und Schreibvorlagen [558] unter dem Titel: „Deliciae variarum insigniumque scripturarum“ heraus, die gleichzeitig in Haarlem und in Amsterdam erschien, und der im J. 1605 in Haarlem eine neue Ausgabe in holländischer Sprache, betitelt: „Spieghel der Schryfkonste“ folgte. Aus dem dieser Ausgabe beigefügten Porträt Jan’s, das die Unterschrift „aetatis 36“ trägt, ersehen wir, daß Jan der Aeltere im J. 1569 geboren war, und müssen daher annehmen, daß Antwerpen seine Vaterstadt war. Jan war aber nicht bloß ein ausgezeichneter Kalligraph, sondern besaß auch entschiedene künstlerische Anlagen, was aus seinen Zeichnungen, mit denen er die großen Anfangsbuchstaben seiner Schreibvorlagen schmückte, deutlich hervorgeht. Seine persönlichen Verhältnisse scheinen nicht ungünstig gewesen zu sein. Seit dem Jahre 1605 besaß er ein Haus in Rotterdam, das er im J. 1620 verkaufte, um nach Haarlem überzusiedeln, wo er gleichfalls als Schreiblehrer thätig war. Er starb in Haarlem und wurde am 10. September 1623 in der Bavokirche daselbst begraben. Jan van de V. hinterließ vermuthlich drei Söhne:

Esaias, Jan II. und Wilhelm den Aelteren, von denen zwei, Esaias und Wilhelm, berufen waren, an die Spitze der holländischen Landschaftsmalerei zu treten, während sich Jan als Kupferstecher einen geachteten Namen machte.

Der Geburtsort des Esaias van de V. ist wahrscheinlich Amsterdam, wo sich sein Vater vorübergehend um das Jahr 1590 aufhielt. Seit dem Jahre 1610 aber finden wir Esaias in Haarlem. Im April dieses Jahres wurde er Mitglied der dortigen reformirten Kirche und ein Jahr darauf, am 10. April 1611, vermählte er sich, kaum einundzwanzig Jahre alt, mit Cattelijn Maertens, der Schwester seines Freundes Jan Maertens. Ihr ältester Sohn, der den Namen Jan erhielt, ward am 6. April 1614 getauft, während der zweite Sohn Esaias im J. 1615 und der dritte Antony im J. 1617 geboren wurde. Seit dem Jahre 1612 war Esaias van de V. Mitglied der Haarlemer Sanct Lucas-Gilde und im J. 1617 wurde er als Mitglied in die Rhetorikerkammer der Wijngaardranken daselbst aufgenommen, ein Beweis dafür, daß er über eine gewisse litterarische Bildung verfügte. Im J. 1618 siedelte er nach dem Haag über, wo er sich gleichfalls der dortigen Malergilde anschloß. Möglicher Weise fühlte er sich zu diesem Schritte durch die Gunst des Prinzen Moritz veranlaßt, der damals die Künstler im Haag durch zahlreiche Aufträge unterstützte. In noch höherem Grade war dies bei seinem Bruder und Nachfolger, dem Prinzen Friedrich Heinrich, der Fall, der die Entwicklung der holländischen Malerei auf das energischste förderte. Esaias van de V. gehörte zu den Günstlingen Friedrich Heinrich’s. In einem leider verloren gegangenen Bild stellte er die Prinzen und Prinzessinnen des Hofes in Gegenwart Jan van Oldenbarneveldt’s tanzend dar. Im J. 1625 folgte dann ein Bild, auf dem wir die Prinzen Moritz und Friedrich Heinrich mit großem Gefolge das Kirchweihfest zu Ryswyck besuchen sehen (das Bild ist im Privatbesitz von J. P. Six in Amsterdam); im J. 1629 malte er die Uebergabe der Stadt Herzogenbusch an Friedrich Heinrich und wußte in die Behandlung dieses Stoffes sein ganzes patriotisches Selbstgefühl zu legen, das ihn zu einem entschiedenen Anhänger der holländischen Unabhängigkeitsbewegung machte. Ein Jahr darauf starb er, kaum vierzig Jahre alt, und wurde am 18. November 1630 im Haag begraben. Im ganzen lassen sich bis jetzt ungefähr dreißig Bilder dieses Künstlers in öffentlichen und privaten Sammlungen Europas nachweisen. Davon besitzt das Rijks-Museum zu Amsterdam vier, das Museum im Haag eines, und ebenso das Museum Boymans in Rotterdam eins, während er in Holland sonst nur noch in Privatsammlungen zu finden ist. In Deutschland kann man ihn am besten in der Münchener Pinakothek, die eine „Belustigung auf dem [559] Eise“, datirt 1618, von seiner Hand besitzt, in Kassel, Berlin und Wien kennen lernen. Den Gegenstand aller uns erhaltenen Bilder und Zeichnungen, zu denen noch einige Radirungen gleichen Inhalts kommen, bilden Jahrmarktsscenen, Gartenfeste, Reitergefechte, Jagdstücke und Volksbelustigungen auf dem Lande oder auf dem Eise. Sie sind sämmtlich flott gemalt, kräftig in der Farbe und verrathen vor allen Dingen einen entschiedenen Sinn für die Wirklichkeit und ein aufrichtiges Streben nach Wahrheit.

Der zweite Sohn Jan van de Velde’s des Kalligraphen war der gleichnamige Kupferstecher Jan van de V.. Vermuthlich wurde er in Rotterdam zwischen den Jahren 1595 und 1597 geboren. Um seinem Sohne eine gute Ausbildung zu theil werden zu lassen, sandte ihn der Vater zu Jacob Adriaensz Matham in Haarlem, der zu den bedeutendsten Schülern des Goltzius gehört, in die Lehre, wo er so große Fortschritte machte, daß er schon im J. 1614 als Lehrling in die Sanct-Lucasgilde aufgenommen wurde. Er entwickelte sowol als Zeichner wie als Stecher und Radirer großen Fleiß und versuchte sich möglicher Weise auch als Maler, eine Vermuthung, die sich allerdings nur auf die eine Landschaft mit dem Tobias und dem Engel im Vordergrunde im Museum zu Braunschweig stützt, die, obwol ohne Bezeichnung, schon lange Jan van de V. dem Jüngeren zugeschrieben wird. Sein Werk beläuft sich auf 490 Blätter, die die verschiedenartigsten Vorwürfe behandeln: Bildnisse, Landschaften, Allegorien, Scenen aus dem täglichen Leben und Illustrationen für Bücher allerlei Inhalts. Seine Arbeiten, die zum Theil die Geschichte seiner Zeit betreffen, sind bei ihrer Mannichfaltigkeit von großem culturhistorischem Werth, daß sie als Quelle für die Kenntniß der Sitten, der Kunst und der Geschichte jener Zeit gelten können. Künstlerisch stehen sie nicht auf derselben Höhe wie die Gemälde des Esaias van de V., doch ist es schwer, sich ein Urtheil über die Leistungsfähigkeit Jan’s zu bilden, da er nach sehr verschiedenen Meistern, namentlich in seinen Bildnissen arbeitete. Man hat behauptet, daß V. unter dem Einflusse A. Elsheimer’s gestanden und Italien besucht habe, doch fehlt es an sicheren Beweisen, um die Wahrheit dieser Behauptung darzuthun. Jedenfalls stand V. bei seinen Zeitgenossen in großem Ansehen. Im J. 1635 war er Vorstandsmitglied der Sanct-Lucasgilde in Haarlem. Bald darauf verlieren wir seine Spuren, bis er im Juli 1641 in Enkhuizen auftaucht, wo er sich offenbar in schlechten Verhältnissen befand, da er sich gezwungen sah, seine Arbeiten zu Schleuderpreisen zu verkaufen und große Zeichnungen zur Deckung seiner dringendsten Schulden zu entwerfen. Er starb noch vor der Mitte des Jahres 1642. Jan van de V. liebte es gelegentlich in seinen Stichen brillante Lichteffecte anzuwenden, z. B. bei der „Kuchenbäckerin“, dem „Stern der Weisen“, dem „Faschingstanz“ und der „Hexe“. Am frischesten bewegte er sich in seinen Landschaftsradirungen, die zumeist ein entschiedenes originelles Gepräge besitzen. Unter seinen Werken erfreuten sich die Folgen der zwölf Monate, die je vier Blätter der Jahres- und der Tageszeiten, sowie die Folge von siebzehn Blättern: „Spiegel der Eitelkeit oder fruchtlose Ermahnungen der Eltern, ihren Sohn von der Ausschweifung zurückzuhalten“, der größten Beliebtheit bei den Zeitgenossen. Sie wurden wiederholt neu aufgelegt und trugen nicht wenig dazu bei, den Geschmack an einfachen Kunstwerken im Publicum zu verbreiten.

Willem van de V. der Aeltere, der jüngste Sohn Jan van de V. des Aelteren, wurde vermuthlich in Leyden im J. 1611 oder 1612 geboren. Ueber seine Jugend sind wir schlecht unterrichtet. Wir wissen nur, daß er noch ziemlich jung nach Amsterdam kam und hier sehr bald Proben seiner Kunst im Anfertigen von Federzeichnungen nach Seeschiffen an den Tag legte. Er eignete sich große Kenntnisse im Schiffsbau an und wußte sich die Vergünstigung zu [560] verschaffen, die Kriegsflotte auf einer Jacht begleiten zu dürfen. Er verfolgte dabei die Absicht, ihre Bewegungen zu beobachten, um später den Generalstaaten Bericht erstatten zu können. Unter anderem nahm er in den Tagen vom 11. bis 14. Juni 1666 an den Seekämpfen Theil, die zwischen der holländischen Flotte unter de Ruyter und der englischen unter dem Admiral Monk ausgefochten wurden. Er bewies dabei große Kaltblütigkeit, da er sich gerade an diejenigen Stellen bringen ließ, wo der Kampf am heftigsten tobte. Offenbar erregten die Zeichnungen des Künstlers bei seinen Zeitgenossen großes Aufsehen. In England hörte man gleichfalls von seinen Leistungen, und Karl II. vermochte V., als Hofmaler in seine Dienste zu treten. Auch unter Jacob II. bekleidete er in London dieselbe Stellung. Er starb dort im J. 1693 und wurde am 16. Januar in der Pfarrkirche von St. James begraben. – In den niederländischen Museen sind Federzeichnungen Willem’s nicht selten. Im Amsterdamer Museum sind gegenwärtig zehn ausgestellt und ebenso ein Oelgemälde, das die viertägige Seeschlacht vom 11. bis 14. Juni 1666 darstellt. Durch diese von Abr. Bredius vorgenommene Zuschreibung, würde, wenn sie sich beweisen läßt, die lange verbreitete Meinung widerlegt sein, daß es Bilder Willem’s des Aelteren nicht gäbe, und daß alle ihm unterschobenen Gemälde als Werke seines Sohnes Willem van de V. des Jüngeren anzusehen seien.

Dieser Willem der Jüngere wurde im J. 1633 in Amsterdam geboren und durch seinen Vater und durch Simon de Vlieger für die Kunst vorbereitet, in der er merkwürdig schnell wahrhaft bedeutende Leistungen aufzuweisen hatte. Denn schon seine frühesten uns bekannten Bilder, die Seestücke in Kassel und St. Petersburg, die die Jahreszahl 1653 tragen, also Werke eines zwanzigjährigen sind, lassen bereits die Meisterschaft des Künstlers deutlich erkennen. Schon ein Jahr vorher, am 23. März 1652, hatte er sich mit einem jungen Mädchen aus Weesp, Namens Pieternelle Lemaire, vermählt. Die Ehe scheint keine glückliche gewesen zu sein, da die Frau die Treue verletzte, sodaß sich V. von ihr trennte, um sich am 23. December 1656 in Amsterdam zum zweitenmale mit Magdaleentje Walrafens zu vermählen. Bei der Vorliebe seiner holländischen Landsleute für das Meer fehlte es ihm nicht an zahlreichen Aufträgen. Gemeinsam mit seinem Vater nahm er an der großen viertägigen Seeschlacht im Juni 1666 theil und verewigte die Ereignisse des 13. Juni in einem Gemälde, das heute zu den Zierden des Reichsmuseums in Amsterdam gehört. Als sein Vater nach England übersiedelte, zog er seinen Sohn Willem bald darauf nach sich. Durch eine Verordnung vom 16. Februar 1675 trat V. ebenso wie sein Vater als Hofmaler mit einem Gehalt von jährlich 100 Pfund Sterling in die Dienste Karl’s II. und hatte die Genugthuung, daß sein Ruhm am Hofe und bei der englischen Aristokratie von Jahr zu Jahr wuchs. Er erhielt für seine Bilder die höchsten Preise, blieb aber trotz seines wachsenden Ansehens einfach und bescheiden. Aus Anhänglichkeit für seine Heimath kam er wiederholt zum Besuch nach Holland. Bei einem Aufenthalt in Amsterdam im J. 1686 malte er sein größtes Bild, das wir kennen, die heute im Reichsmuseum daselbst aufbewahrte Ansicht des Hafens von Amsterdam, das große Y-Bild (Het IJ voor Amsterdam). Es stellt das Panorama der Stadt mit ihrem Hafen, ihren Lagerplätzen und ihren hauptsächlichsten Gebäuden dar, während im Mittelgrunde das Kauffahrteischiff Holland, von einer Reise nach Ostindien zurückkehrend, einläuft. Das Bild ist eines der brillantesten des Künstlers, ausgezeichnet durch lebhaftes Colorit und flotte, breite Behandlung, die vollständig mit dem gewählten Gegenstand übereinstimmt. Auch unter Jacob II., dem Nachfolger Karl’s II., behielt V. seinen Jahresgehalt bei. Er wohnte in Greenwich und hatte dort die beste Gelegenheit, seinen Studien nachzugehen. Er starb daselbst im Alter von [561] 74 Jahren am 6. April 1707. – V. war ein ungemein fruchtbarer Künstler. Er hat mehr als dreihundert Gemälde hinterlassen, von denen die meisten in England geblieben sind. Indessen ist er auch in den holländischen Museen, vor allem im Reichsmuseum, das dreizehn Bilder von seiner Hand besitzt, gut vertreten. In Deutschland kann man ihn am besten in den Sammlungen zu Weimar und Kassel, aber auch in denen zu München, Berlin, Frankfurt a. M. und Dresden kennen lernen. In Wien ist er und zwar nur mit mäßigen Arbeiten in der Galerie der Akademie vertreten, während die Bilder in der Pester Galerie und namentlich die in der Eremitage zu St. Petersburg ihn trefflich repräsentiren. – Am besten gelang V. die Darstellung der ruhigen See. Dagegen war er nur selten glücklich, wenn er es unternahm, Sturm und wilde Meereswogen zu malen. Daß ihm jedoch gelegentlich auch hierbei ein guter Wurf gelang, dafür lassen sich aus der Zahl seiner Bilder einzelne hervorragende Beispiele anführen. Als seine Hauptwerke haben wir die Gemälde bei Sir Richard Wallace in London, den „Kanonenschuß“ aus der im Amsterdamer Reichsmuseum aufbewahrten Sammlung van der Hoop, den „großen Sturm“, der einst dem verstorbenen Baron James Rothschild gehörte, und die „Marine“ des Berliner Museums anzusehen. Seine Zeichnungen sind von jeher von den Sammlern sehr begehrt und mit den höchsten Preisen bezahlt worden. Die meisten davon, nämlich 624 Blätter, wenn auch nicht die besten, besitzt das Museum Boymans in Rotterdam, unter denen einige eine Länge von mehr als drei Metern haben. Zum größten Theil sind es Bleistiftskizzen nach Seeschlachten oder Nachbildungen einzelner bekannter Schiffe.

Adriaen van de V. war der jüngste Sohn Willem van de Velde’s des Aelteren und der Bruder des eben behandelten Willem van de Velde’s, des Jüngeren. Er wurde in Amsterdam im J. 1635 oder 1636 geboren. Von Jugend auf verrieth er eine entschiedene Neigung für die Kunst und soll nicht nur seine Schulbücher und -Hefte mit Zeichnungen bedeckt, sondern auch die Bretter seines Bettes mit einer Milchfrau bemalt haben, die später noch lange bewundert wurde. Da sich sein Vater bei seinen vielen Geschäften nicht um die Ausbildung seines Sohnes kümmern konnte, gab er ihn zu Jean Wynants in Haarlem in die Lehre, der sich seiner auf das wärmste annahm und mit ihm bis an sein Lebensende in nahen Beziehungen blieb. Durch Wynant wurde V. mit Philips Wouwermann bekannt und empfing auch von diesem entschiedene Anregungen und Einflüsse für seine Kunst. Er entwickelte eine große Vielseitigkeit und malte in der schönen Umgebung von Haarlem alles, was sich ihm darbot: das Meer und seine Ufer, die von Weiden oder Eschen beschatteten Flußläufe, die öden Dünen, die saftigen Wiesen und alten Bäume, die Bauernhöfe und Dörfer mit ihren Einwohnern, die Hirten und Matrosen, sowie das Vieh, das jenes wunderbare Land belebt. Wenn er so ganz und gar in der Natur aufzugehen schien, so gab es doch auch eine Periode in seinem Leben, wo er sich mit heute vergessenen historischen Darstellungen und Bildern aus der Heiligenlegende abmühte. Sie mögen damals entstanden sein, als er zur katholischen Kirche übertrat. Im ganzen aber fühlte sich V. zu sehr zur Natur hingezogen, als daß derartige Bestrebungen ihn hätten auf die Dauer beeinflussen können. Anfangs hauptsächlich Landschaftsmaler, verlegte er sich später mit besonderem Nachdruck auf die Schilderung der Menschen und Thiere, mit denen er seine Bilder auszustatten pflegte. Kein so gewissenhafter und strenger Zeichner wie Paul Potter, mit dessen Thierstücken die seinen verwandt sind, besaß er doch eine seltene Gabe für das Charakteristische, die ihn befähigte, in seinen Bildern den Eindruck des Lebens zu erreichen. Dieselben Vorzüge besitzen Velde’s Radirungen, [562] von denen 25 Blätter bekannt sind. Fünf davon sind im J. 1653 entstanden, also in einer Zeit, wo V. erst siebzehn Jahre alt war. Eine Folge von zehn zusammengehörigen Thierstücken wurde von ihm in den Jahren 1657 bis 1659 ausgeführt, während fünf andere aus dem Jahre 1670 herrühren und in ihrer sicheren, breiten Ausführung den vollendeten Meister verrathen. Wer der Lehrer Velde’s in der Kunst des Radirens war, wissen wir nicht. Wir brauchen aber nicht vergeblich nach einem solchen zu suchen, da bei ihrer einfachen technischen Anlage schon sein Zeichentalent zu ihrer Herstellung genügt haben dürfte. Unter seinen Bildern, die das Landleben behandeln, sind „die Kühe im Walde“ bei Lord Overstone in London, die „rückkehrende Rinderheerde“ in der Pinakothek zu München (1660) und „die flache Flußlandschaft“ im Berliner Museum die wichtigsten. Indessen interessirte sich V. nicht nur für das Landleben; er malte auch Scenen aus dem Leben und Treiben der vornehmen holländischen Patricier seiner Zeit. Namentlich liebte er es, den Winter mit seinen mancherlei Belustigungen darzustellen und den echt nationalen Eissport auf den zugefrorenen Canälen wieder und wieder zu schildern. Bilder dieser Art findet man in dem Museum zu Antwerpen, in der Londoner Nationalgalerie und in der Dresdner Galerie, die jedoch sämmtlich von dem kleinen gefrorenen Canal im Louvre zu Paris (1668) übertroffen werden. Vielleicht aber ist V. in seinen Strandlandschaften am größten. Die Küste von Scheveningen sagte ihm besonders zu. Er malte sie wiederholt, z. B. im J. 1658 in dem heute in Kassel befindlichen Gemälde, dann 1660 in dem als „la Plage de Scheveningue“ berühmt gewordenen Bilde des Louvre und noch einmal im J. 1665 in dem Bilde des Haager Museums. Die große Fruchtbarkeit Velde’s – er hat gegen 200 Bilder hinterlassen – zeigt sich aber nicht bloß in seinen eigenen Gemälden, Zeichnungen und Radirungen, sondern auch in der Mitwirkung, die er den berühmtesten seiner Zeitgenossen zu theil werden ließ. Kaum ein zweiter Künstler begegnet uns so oft als Staffagenmaler in den Landschaften anderer, keiner aber hat so wie er es verstanden, sich ganz und voll der Art derjenigen anzuschließen, die seine Mitarbeiterschaft suchten. V. hat auf diese Weise J. van Ruysdael, Hobbema, Ph. de Koninck, J. van der Hagen, Verbom, G. Dubois, J. Hackaert und F. Moucheron unterstützt, am meisten aber ist er für seinen Lehrer Wynants und für van der Heyden thätig gewesen. Von Wynant’s Gemälden können wir mindestens 150 aufführen, bei denen dies der Fall gewesen ist, und bei denen van der Heyden’s kommen reichlich 100 zusammen. Höchst selten begegnen wir dagegen Adriaen’s Mitarbeiterschaft in den Bildern seines Bruders Wilhelm, der ihm seinerseits vielleicht gelegentlich mit geholfen haben mag. Wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen V. die Ausstaffirung fremder Bilder unternahm, müssen aber annehmen, daß er diese Hülfsleistung geschäftsmäßig betrieb. – Am 5. April 1657 verheirathete er sich mit der neunzehnjährigen Maria Oudekerk. Da er mittellos war, mußte er fleißig arbeiten, um sich und seine Familie zu erhalten und ein standesgemäßes Leben zu führen. Indessen erreichte er nur ein geringes Alter. Er war noch nicht 37 Jahre alt, als er im J. 1672 zu Haarlem starb. Am 21. Januar 1672 wurde er in der neuen Kirche daselbst begraben. Seine Bilder, die schon bei seiner Lebenszeit sehr gesucht waren, haben im Kunsthandel die höchsten Preise, die von Jahr zu Jahr gestiegen sind. Dasselbe gilt von seinen Zeichnungen, von denen das Museum Fodor in Amsterdam die meisten besitzt.

Das Hauptwerk über die van de Velde ist: Émile Michel, Les van de Velde. Paris 1892. (Aus der Sammlung: Les artistes célèbres.) Vgl. ferner: A. v. Wurzbach, Die niederländischen Landschafts-, See-, Thier- und Schlachtenmaler des XVIII. Jahrhundert bei Robert Dohme, Kunst und [563] Künstler des Mittelalters und der Neuzeit. Leipzig 1878. I, 2. S. 56, 69. – A. Woltmann und K. Woermann, Geschichte der Malerei. Leipzig 1888. III, 619, 621, 746, 762, 764. – A. van der Willigen, Les artistes de Harlem. Édition revue et augementée. Harlem, La Haye 1870. S. 302, 308. – A. Bartsch, Le Peintregraveur. à Vienne 1803. I, 209–228. – Henry Havard, L’art et les artistes hollandais. Paris 1881. IV, 157–166. – D. Franken et J. Ph. van der Kellen, L’Oeuvre de Jan van de Velde. Amsterdam 1883. – Eugène Dutuit, Manuel de l’amateur d’estampes. Écoles flamande et hollandaise. Paris, Londres 1885. III, 450–461. – J. E. Wessely, Geschichte der graphischen Künste. Leipzig 1891. S. 165. – Viele kürzere biographische und chronologische Notizen findet man in der in Amsterdam erscheinenden, mit guten Registern versehenen Zeitschrift: „Oud-Holland“.