verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1 | |
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wurden. Auch bei Taliesin, Aneurin, Merddhin, Llywarch-Hen u. a. ist A. noch nicht der sagengefeierte Held, vielmehr tritt er hinter den trefflichen Geraint zurück. Unter den englischen Chronisten gedenkt der älteste walisische Geschichtschreiber, Gildas (geb. 516), der Thaten A.’, ohne daß er es für nötig hält, den Namen des allbekannten Königs aufzuzeichnen. Die übrigen Chronisten bis zum 8. Jahrh. schweigen über A.; die Sagen von Vortigern und Hengist ließen dem neuen Helden noch nicht Raum. Der erste volksmäßige Ansatz zu dem großen Stamm der Artussage in den Chroniken ist bei Nennius im 9. Jahrh. zu finden, der von A.’ zwölf ruhmvollen Zügen gegen die Sachsen erzählt und dabei den Helden in einen milden Heiligenschein zu hüllen sucht. Daneben aber bauten sich die Sagen von A. und dem Zauberer Merlin auf. In diesen erscheint A. als Sohn von Uter Pendragon („Drachenhaupt“), im Ehebruch mit Inguerne erzeugt und von Merlin, der jenem zur Umarmung der tugendhaften Inguerne dadurch verholfen, daß er ihm durch Zauber die Gestalt ihres abwesenden Gemahls, des Herzogs Gorlois von Cornwallis, verliehen, sich selbst unbekannt in einer christlichen Familie erzogen. Durch das Wunder mit dem Amboß, aus dem niemand außer A. das wie festgewachsene Schwert ziehen konnte, wurde er nach Uters Tod (zwischen 505 und 516) auf den Thron erhoben. Nachdem er sich mit Ginevra, der Tochter des Königs Leodagan in Thamelinde, vermählt, unternahm er die Züge gegen die Sachsen und Römer, wobei er durch Merlins Zaubermacht unterstützt wurde. Knüpfen die Erzählungen über A. bei Nennius noch an die Geschichte an, und sind sie frei von übernatürlichen Dingen, so finden sich in denen, worin Merlin eine Rolle spielt, die wunderbarsten Abenteuerlichkeiten, übernatürliche Begebenheiten, Einflechtung von Märchengestalten und Geisterwesen in verschiedenen Abstufungen. Zusammengetragen ist die Artus- und Merlinsage in der lateinisch geschriebenen Chronik des Gottfried von Monmouth (um 1130), einem blühenden Novellenkranz in Form einer Geschichte der britischen Könige von der ersten Bevölkerung Englands bis zu Cadwalladr (hrsg. von San Marte, Halle 1854), worin uns die reiche Welt der walisisch-bretonischen Heldensagen aufgeschlossen wird, in deren Mittelpunkt jetzt unbestritten A. steht. Den Ton des überschwenglich Wunderbaren stimmen mit Entschiedenheit an eine große Reihe von walisisch-bretonischen Erzählungen, denen gemeinschaftlich ist, daß A., der bisher überall als handelnder Held auftrat, jetzt zur passiven Nebenrolle herabsinkt. Er steht zwar immer noch in der Mitte ritterlicher Thaten, aber die bisherigen Nebenfiguren der Sage sind die Helden derselben. Zu den aus der Geschichte in den Mythus übergegangenen Personen gehören Owein und Peredur, A.’ Mitstreiter in der Schlacht von Katthraet, sein Feldherr Geraint, der auch Erek und König von Destrigâls zu Karnant heißt, in der Phantasie der Briten aber zusammengeflossen ist mit dem in der Schlacht von Longborth (501) gegen den westsächsischen Cerdik gefallenen Geraint ab Erbin; endlich Urien, ein Fürst von Reged im südlichen Schottland (in jüngern Romanen vom Land Gorre). Die Erzählungen, welche die Thaten Oweins, Geraints, Peredurs (Parzivals) etc. berichten, führen im Walisischen den gemeinschaftlichen Namen Mabinogion („Märchen“) und sind hauptsächlich in einem walisischen Manuskript zu Oxford enthalten, in dem sogen. „Roten Buch“ von Hergest (hrsg. von Lady Charlotte Guest: „The Mabinogion from the Llyfr Coch o Hergest“, mit einer englischen Übersetzung und sehr schätzbaren Anmerkungen, Lond. 1841–50, 3 Bde.). Die Zeit, in welcher die Mabinogion aus dem Artuskreis entstanden sind, ist mutmaßlich begrenzt durch Wilhelms Heereszug (1066) nach England und durch den ersten Kreuzzug (1190), wenngleich ihre schriftliche Abfassung spätern Zeiten angehören mag. Beide Momente sind wichtig für die Ausbildung der Artussage und die Verbreitung der Artusromane. Entscheidend aber war in dieser Beziehung das nahe politische Verhältnis, in das ein großer Teil Frankreichs zu Wales und der Bretagne durch Heinrich II. (1150) gebracht wurde, indem durch den Ideenaustausch der vereinigten Völker neue Bildungen der durch fremde Volkstraditionen befruchteten Sage entstanden. Vgl. Stephens, Geschichte der welschen Litteratur vom 12.–15. Jahrh. (deutsch von San Marte, Halle 1864).
Nach 1150 ist mit der walisischen Artussage der Sagenkreis des heiligen Gral (s. d.) und seines Königtums vereinigt, dessen Ursprung und Ausbildung nach Spanien und Südfrankreich hinweisen. Gleichzeitig treten auch noch andre fremdartige Bestandteile in die Artussage ein. Bisher war die Hofhaltung A.’ nach dem Charakter eines einfachen walisischen Fürstenhofs eingerichtet gewesen; nach dem Hinzukommen der Sagen vom Gral, auf welche die christlichen Orden, besonders der Orden der Tempelherren, entschiedenen Einfluß gehabt haben, wird die alte Haustafel zur Tafelrunde, dem Mittelpunkt der glänzenden Hoftage, die A. an den Pfingstfesten zu halten pflegte, und nimmt die Gestalt einer Ordensverfassung an. Dadurch aber, daß die Tafel mit der Abendmahlstafel, an welcher der Herr mit seinen Jüngern gesessen, in Beziehung gebracht wird, verbinden sich dunkle Mystik und geheimnisvolle Allegorie damit. In diesem Zustand überliefern die Artussage unter vielen andern die jüngern walisischen Romane: „Merlin“, „Brut d’Angleterre“, „Morte Arthur“, von denen den erstern Fr. Schlegel deutsch bearbeitet hat. Andre Elemente, die durch die Verbindung Englands mit Frankreich in den Cyklus des A. eintraten, sind die Geschichte des Zauberers Klinsor, die auf Süditalien zurückführt und mit Vergil zusammenhängt, die des Priesters Johannes, deren Ursprung in Hochasien zu suchen ist, endlich die Lohengrins und die Schwanensage, die der niederrheinischen Sagenwelt angehören. Ebenso wichtig aber wie dieses Zuströmen von stoffartigen Elementen war für Wales und Bretagne die reiche poetische Anschauung des Lebens überhaupt, die von Nordfrankreich aus dorthin sich verbreitete. In der walisischen Dichtung war es bisher die That an sich, welche die Helden zur Bewegung trieb; selten wurden sie durch ein moralisches, religiöses oder ein andres geistiges Motiv dazu bestimmt. Erst der ritterliche französische Geist bringt jene romantischen Elemente in das Epos, das dadurch nicht nur die tote Äußerlichkeit im Thun und Treiben der Helden verliert, sondern auch seitdem anfängt, geistige Individualitäten und mehr durchgeführte Charaktere zu zeigen. A. selbst wird nun zum glänzenden Repräsentanten aller ritterlichen Tugenden und sein Hof zum Sitz des reichsten höfischen Lebens erhoben. Seine Kampfgenossen sind die herrlichsten Muster ritterlicher Kourtoisie und Galanterie. Anderseits wurde A. von welschen Dichtern (etwa im 12. Jahrh.) ins Mythische und Mystische gezogen (vgl. San Marte, Beiträge zur bretonischen und keltisch-germanischen Heldensage, Quedlinb. 1847) und in der Volkssage und dem Volksglauben durch seinen Namen (arth-ur, der „große
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 1. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885, Seite 889. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b1_s0889.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2021)