verschiedene: Die Gartenlaube (1866) | |
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vom Hauptbau abgeschlossenen, also jeder Feuersgefahr entzogenen Treppenhaus auf gußeisernen sieben und ein halb Fuß breiten Treppen zu den Logengängen (Foyers) des ersten und zweiten Rangs, während wir in den dritten und vierten Rang in den beiden Ecken des Hauptbaues auf massiv-steinernen Treppen von neun und ein halb Fuß Breite gelangen, die dasselbe Gefühl der Sicherheit gegen jede Feuersgefahr bieten. Außerdem führen, für den Fall der Noth, noch sieben Thüren ins Freie, abgesehen von den besonderen Ein- und Ausgängen der Pavillons.
Nehmen wir dieses Gefühl der Sicherheit nun schon in das Haus mit, so wird dies noch erhöht durch das Stattliche und wahrhaft Großartige der innern Raumeintheilung. Ueberall fühlen wir in der Ausdehnung der Räume die Rücksicht geehrt, die eine Stadt wie Leipzig auf ihre eigene Stellung in der Welt und auf die zahlreichen Gäste zu nehmen hat, die ihr als einem Centrum des geistigen und materiellen Verkehrs jährlich zuströmen. Schon das Vestibul zeigt, daß hier kein störendes Gedränge möglich sein soll. Noch wohlthuender ist der Eindruck, den wir beim Eintritt in die Logengänge empfangen: in neunzehn Fuß Breite ziehen sie sich im vollen Halbkreis um alle vier Ränge und der des ersten Ranges steht außerdem mit dem Säulenvorbau in Verbindung. Betreten wir endlich den Zuschauerraum, und zwar im Parterre oder Parquet, so regt sich Stolz und Staunen beim Blick nach jeder Seite. Im Halbkreis, der durch die Erfahrung als die beste bewährten Form des Auditoriums, erheben sich über den Parterrelogen, in geschicktester Berechnung über einander zurücktretend, die vier tiefen, zur stattlichen Höhe aufsteigenden Ränge, auf denen nirgends ein Sitzplatz sich findet, von welchem nicht der Blick auf die Bühne frei wäre. Der Sitzplätze zählt man im Ganzen eintausend siebenhundert, außerdem haben noch dreihundert Personen bequem Raum. Der zweite Rang besteht nur aus abgeschlossenen Logen; die Prosceniumslogen sind mit großen Zimmern verbunden, so daß sie den Ansprüchen selbst der exclusivsten Gesellschaft genügen können.
Auch bei der Berechnung der Größenverhältnisse der Bühne sind die Erfahrungen anderer großer Theater zu Hülfe genommen, namentlich die Mißlichkeiten des Berliner Opernhauses vermieden, indem man der Bühne eine solche Höhe und Tiefe zu geben suchte, daß vom Podium nach unten und oben die gleiche Wirkung erzielt wird. Die Bühnenöffnung ist einundfünfzig Fuß breit und achtundvierzig Fuß hoch, der Bühnenraum mißt siebentausend fünfhundert sechsundsechzig Quadratfuß (seine Größe wurde mir zu fünfzig Ellen Breite und vierzig Ellen Tiefe angegeben), so daß auf ihm auch große Volksscenen und Kämpfe mit zahlreichem Personal in Scene gesetzt werden können. Unter der Bühne befindet sich der dreißig Fuß tiefe Raum für drei Versenkungen (je nach der Anzahl der zu versenkenden Personen zu benutzen) und die nothwendigen Maschinenräume. Die Höhe des gesammten Bühnenraums vom Boden der untersten Versenkung bis zum Schnurboden beträgt sechzig Ellen und bis zum Dach siebenzig Ellen oder einhundert und vierzig Fuß. Die Verbindungen zwischen Schnurboden, Bühne und Magazinen sind durch Treppen und Gänge auf das Praktischste vermittelt.
Um die Bühne gruppirt und in wohlberechneter Anzahl und Größe befinden sich die Garderobe- und Probezimmer, Decorationsmagazine und der Malersaal, dessen Fenster nach dem Schwanenteich blicken. Für alle diese Räume besteht zum Theil Luft-, zum Theil Wasserheizung, deren Apparate ebenfalls im unterirdischen Theil des Baues Raum gefunden haben.
Versetzen wir uns nun in die wohlige Sommerzeit mit ihrem Blätterrauschen in der warmen Abendluft, denn wir wollen aus dem Steinbau der Kunst zur lieben grünen Natur uns wenden. Und wie sinnig ist der Uebergang erdacht! Auf steinernen Pfeilern ruht das Laubdach einer Veranda, die sich zu beiden Seiten der Hinterfaçade anschmiegt. Treten wir aus ihr hervor, so stehen wir vor einer halbkreisförmigen Terrasse, vor welcher der klare Spiegel des Schwanenteichs sich ausbreitet, herrlich belebt von dem über siebenzig Fuß hohen Strahl der nimmer rastenden Fontaine. Und wer sich da der Natur noch immer nicht nahe genug fühlt, der steigt auf einer der beiden Freitreppen von je vierzig Stufen hinab zum Gestade des Weihers und befindet sich im lieblichsten und durch den Prachtbau, der sich nun in seiner einzigen Wasserfläche spiegelt, so sehr veredelten Theil der Promenaden, deren angeblicher Ruin so viel vergebliche Trauer erregt hat.
Von dieser Seite gewährt unsere Illustration den Anblick der gesammten Anlage und zwar, wie sie sich vom Dache eines der nahen Häuser der Bahnhofstraße aus darstellt. Wir erblicken jenseits des Theaters, dessen einzelne Theile sich nach Obigem nunmehr von selbst erklären, die übrigen Hauptgebäude des Augustusplatzes, vom Postgebäude allerdings nur ganz zur Linken das Dach, diesem gegenüber den Eingang in die Grimmaische Straße, daneben das vielbesuchte Café français, die Universität und die auf eine Hauptbastei der alten Festungswerke erbaute erste Bürgerschule, dem Theater gerade gegenüber das Museum und über diesem die Häuserreihen, welche den durch die Messen längst weltbekannten Roß- und Königsplatz begrenzen. Wir glauben, gerade durch diese Auffassung der Illustration vielen der alljährlichen Gäste Leipzigs eine umfassendere Erinnerung an die alte Meßstadt geboten zu haben.
Schließlich müssen wir der Männer gedenken, die diesen Kunsttempelbau entworfen und geleitet haben. Den Plan verdankt man dem im Theaterbau vielerfahrenen Oberbaurath Langhans in Berlin. Unter fortwährendem Verkehr mit ihm wurde die Ausführung von dem Chef des Leipziger Rathsbauamtes, dem ebenfalls durch reiche Erfahrungen ausgezeichneten Rathsbaudirector Dost, und dem ihm zur Seite gestellten Architekten Otto Brückwald geleitet, von welch Letzterem sämmtliche Bauzeichnungen nach Langhans’ Plane und unter dessen Aufsicht vollendet worden sind. Der früher ebenfalls an der Bauleitung mit betheiligte Architekt Robert Wimmer siedelte vor der Beendigung des Hochbaues nach Dresden über.
Wenn wir über den decorativen Theil der innern Räume des Theaters hier schwiegen, so geschah dies, weil darüber noch nicht alle Vorlagen genau bestimmt sind. Vielleicht ist es der Gartenlaube vergönnt, ihren Lesern vor der Eröffnung des Hauses, die auf das Ende des kommenden Jahres verheißen ist, eine Illustration des Zuschauer- und Bühnenraumes mitzutheilen, und dann wird es auch am Platze sein, manchen Wunsch, der beim Anblick dieses neuen Kunsttempels sich im Herzen des Volks- und Vaterlandsfreundes regen muß, öffentlich auszusprechen.
Am nächsten Morgen war Rosel mit dem ersten Hahnenschrei munter. Sie hatte in der That nicht zu viel versprochen, denn Niemand würde ihr angesehen haben, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden getragen – was sie noch still und allein im Herzen trug. Etwaige Fragen nach ihrem Abenteuer suchte sie durch Scherze und Neckereien abzulenken, denn schon die Erinnerung an jene Nacht schnürte ihr noch immer mit einem unheimlichen Gefühl die Brust zusammen, und sie mußte sich oft Gewalt anthun, um das Niemanden merken zu lassen.
So vergingen acht Tage; wohl hatte sie indeß bemerkt, daß der Vater wieder Nachts das Haus verließ, und ihn auch selber deshalb gefragt, sich jedoch vollkommen mit der Antwort begnügt, die er ihr gab: es geschehe nur, um dem Franz zu helfen, Alles dort oben zu beseitigen, was später – wenn es je einmal zufällig entdeckt werden sollte – den geringsten Verdacht erwecken könnte. Noch glücklicher fühlte sie sich aber, als er hinzusetzte, jener Brendel packe nun auch schon seine Sachen zusammen und werde in acht oder spätestens zehn Tagen Hellenhof und das ganze Land verlassen, um nach Frankreich hinüber zu ziehen.
Nur den Menschen erst fort aus ihrer Nachbarschaft, aus
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 774. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_774.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)