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Seite:Die Gartenlaube (1866) 120.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Die amerikanische Hausfrau.
Ein Lebensbild von A. Douai.


Die Leserinnen der Gartenlaube wissen gewiß schon etwas davon, daß die Stellung der amerikanischen Hausfrau von der der deutschen nicht unbedeutend verschieden ist, und möchten darüber ein Weiteres erfahren. Sie werden es also sicher verzeihen, wenn wir, um das Bild ihrer hiesigen Schwestern abzurunden und auszumalen, sie dabei etwas länger aufhalten, als sie sonst in einem Zuge zu lesen gewöhnt sind.

Die äußere Erscheinung der Frauen bietet noch den geringsten Unterschied zwischen beiden Welttheilen. Hüben wie drüben hat die tyrannischste aller Tyranninnen, die Pariser Mode, sie in ihre Fesseln geschlagen, in dem freien Amerika sogar noch mehr als irgendwo in Europa. Die neuesten Kleidertrachten werden in Amerika allgemeiner verbreitet als in Deutschland, wo nur in den Großstädten und nur in den wohlhabendsten Kreisen gewissenhaft allen Launen dieser Tyrannin nachgelebt wird, während in dem ganzen Bereiche der Union, die äußersten Hinterwälder und Prärien ausgenommen, von der Millionärin bis zum ärmsten irischen Dienstmädchen herab, alle Frauen, die nur irgend können und dürfen, den pünktlichsten Götzendienst der „Fashion“ mitmachen. Das kostet natürlich viel, umsomehr, als die Amerikanerin solid genug denkt, um Seidenstoffe und Merinos und Wollmusline den baumwollenen und gemischten, überhaupt die theuersten den billigen Zeugen entschieden vorzuziehen, die lebhaften Farben den unscheinbaren, die geschmackvolleren Putzsachen den bescheidenen und einen vollen Kleiderschrank einem leeren, und da sie gegen Diamanten und Edelsteine durchaus kein Vorurtheil nährt – kurz im Punkte des Kleiderluxus schlechterdings liberal gesinnt ist. In diesem Punkte also stehen die amerikanischen Frauen „auf der Höhe der Zeit“; sie machen präcis den „Weltfortschritt“ mit, sie „bleiben auf dem Laufenden“ mit dem Neuesten in der Wissenschaft und Kunst, den „alten Adam nicht etwa auszuziehen“, sondern die junge Eva immer frisch anzuziehen; sie verbrauchen ohne alle Frage an Pariser Schnickschnack und modischen Kinkerlitzchen allein ebensoviel, wie alle Modedamen von ganz Europa zusammengenommen. Wenn also ein Amerikaner seine Frau und seine erwachsenen Töchter ganz gewöhnlich mit „Theure!“ anredet, so liegt diesem zärtlichen Ausdruck ganz gewiß etwas von dem Bewußtsein mit zu Grunde, wie theuer ihm die bloße Außenseite derselben zu stehen kommt. Und wenn der Angloamerikaner so blutwenig vom Knauser an sich hat, so ist dies theilweise wenigstens ein Verdienst der Frauen, welche ihm dieses garstige Laster gründlich abgewöhnen.

„Folgen wir ihnen in ihre Wohnungen, so finden wir auch hier bis in die bescheidensten Lebenslagen herab dem Schönheitssinne hingebend Rechnung getragen. Ein ganzes Haus für eine Familie allein gehört, wie in England, zum Anstand, zum Lebensgenuß, zu den Unentbehrlichkeiten. Junge Ehepaare, ohne Kindersegen, gehen gewöhnlich „boarden“, d. h. in ein anständiges Kosthaus, wo sie, je nach den Umständen, zwei bis vier Räume einnehmen; allein sobald als irgend möglich muß, wenn erst Kinder da sind, ein eigenes Haus gemiethet werden, wovon anfänglich vielleicht bei beschränkteren Mitteln einige Zimmer an ledige Männer oder Frauen weiter vermiethet werden; denn Kinder können im Kosthause nicht untergebracht werden und ebensowenig kann man einen Theil eines anständigen Hauses bekommen, wenn man Kinder hat. Dieses Haus muß vor allen Dingen durchaus mit Teppichen, womöglich Brüsseler, belegt, die Fenster müssen mit Vorhängen und Rouleaux verdunkelt werden, obwohl die Jalousien nirgends fehlen und fast immer möglichst geschlossen bleiben; die Zimmer müssen mit Mahagoni-, Rosenholz- oder Palissander-Möbeln, mit Spiegeln und Bildern in Goldrahmen verziert und die Betten müssen auf soliden, zweischläfrigen Bettstellen, guten Matratzen mit doppelten Laken und einer Stepp- oder einer gewirkten Wollendecke und einem Kopfkissen von Federn hergestellt sein. Damit und mit einem sehr bescheidenen Vorrath von Küchengeschirr und Tischservice ist die Ausstattung vollständig, wenn nicht etwa die Hausfrau musikalisch ist und ein Piano verlangt, in welchem Falle die Kosten der ersten häuslichen Einrichtung von tausend bis tausend zweihundert Dollars auf tausend fünfhundert bis tausend achthundert steigen, während die Jahresmiethe zwischen zwei- bis sechshundert Dollars im Durchschnitt kostet. Ein Dienstbote wird nun bald unentbehrlich, wenn so viele Räumlichkeiten in sauberster Ordnung gehalten werden sollen, was weitere einhundert bis zweihundert Dollars Kosten im Gefolge hat. Dies wenigstens sind die Preise in Großstädten, in kleineren und auf dem Lande darf die Einrichtung ungleich bescheidener sein, ist aber selten ohne Rücksicht auf Schönheit, Nettigkeit und Bequemlichkeit getroffen.

Man sieht, daß die Angloamerikanerin weiß, was sie sich selbst schuldig ist. Sehen wir nun, wieviel sie ihrem Manne schuldig zu sein glaubt. Ist keine Dienstmagd im Hause so versteht sich’s von selber, daß der zärtliche Gatte früh zuerst aufsteht, das Feuer im Kochofen anzündet, das Kaffee- oder Theewasser ansetzt, alsdann die Einkäufe für den Tag besorgt, wenn er sie nicht schon des Abends vorher besorgt hatte, und bei seiner Rückkehr vom Bäcker, Krämer und Fleischer das Frühstück fertig findet, wofern er’s nicht selbst fertig machen muß. Beim Frühstück wird ein halbes Stündchen harmlos verplaudert und die noch nasse Morgenzeitung, wenigstens in den Hauptsachen, der Gattin vorgelesen. Dann eilt der Gatte in’s Geschäft, welches in den Städten fast immer von der Wohnung sehr weit entfernt ist, und zu Hause waltet indessen die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder, und herrschet weise im häuslichen Kreise. Jeden Montag wird die Wäsche der Woche gewaschen, wobei die Waschmaschine gute Dienste thut, wenn’s sein kann, auch noch getrocknet und mit dem Bügeleisen geplättet. Dies ist die eigentliche Hauptarbeit der Woche; denn auf reine und blendend weiße Wäsche hält der Amerikaner viel, und das Stärken und Plätten ist mühsam. Desto weniger Zeit erfordert die Befriedigung des in Europa so gebieterischen Magens. Zu einer halben Stunde ist alle Vorbereitung zur Hauptmahlzeit, die gewöhnlich bei der Nachhausekunft des Gatten, gegen Abend, stattfindet, vollauf beendet. Suppe giebt es nicht. Das Beefsteak oder Schöps-Rippenstück ist im Handumdrehen nothdürftig gebraten, der Kohl oder das getrocknete Obst im heißen Wasser abgekocht und ohne weitere Zuthat aufgetragen; das Kaffeewasser ist ebenfalls bald heiß, einen süßen Nachtisch liefert der Bäcker. Kurz, eine solche Mahlzeit ist in der Regel geschwinder bereitet, als verzehrt und – verdaut. Noch ein wenig Aufwasch, und die Hausfrau hat das Tagewerk beendet, indeß der Vater die Kinder zu Bette schafft, worauf sie Beide den langen Abend beisammen hinbringen.

Denn ein Wirthshausleben des Ehemanns wäre in einer anständigen Familie unerhört, unverzeihlich und von der Frau schlechterdings nicht zu dulden. Von Ausbessern der Wäsche und Kleider ist nicht viel die Rede; lieber wird das Schadhafte, da es ohnehin nicht auf lange Dauer berechnet war, weggeworfen, verkauft oder verschenkt; es ist schon alles Mögliche, wenn die Frau die Wäsche und Kinderkleider mit Hülfe einer Nähmaschine neu fertig macht. Die Angloamerikanerin belohnt also ihren Ehemann für alle seine großen, dem Hauswesen gebrachten Opfer nicht mit dem, was sie kocht, backt und bratet, überhaupt nicht mit dem, was sie macht, sondern mit dem, was sie ist.

Ja, was ist sie denn? Nun wohl; erstens ist sie in der Regel hübsch, ja sehr oft schön, ein in Amerika freilich sehr vergängliches Eigenthum. Zweitens ist sie sauber und treibt die Achtung vor sich selbst soweit, daß sie ihrem Gatten fast nie im Negligé sichtbar wird, sondern Haar-, Haut- und Kleiderpflege schon am Frühstückstische fertig hat, also vollends vor der Außenwelt jederzeit die ganze Würde des Hauswesens vertreten kann. Drittens ist sie eine zärtliche, fast überzärtliche Mutter für die Kinder, nur daß sie, wenn sie zufällig in der Stadt wohnt, deren nie mehr als drei, höchstens vier sich gefallen läßt, anders ist es allerdings oft auf dem Lande. Viertens ist sie in der Regel so gescheidt und gebildet wie er, wenn sie ihn darin nicht etwa übertrifft. Erstens nimmt sie ihrem Manne den Haupttheil der Sorge um die Kindererziehung ab – gleichviel wie dieselbe auch sonst bestellt sein möge – und der Mann begnügt sich bei seiner aufzehrenden Gewerbsthätigkeit dabei gern mit Zahlung der dafür auflaufenden, oft sehr ansehnlichen Kosten. Sechstens sucht sie ihm das Hauswesen so nett, gefällig und anziehend wie möglich zu machen, damit er ja keinen Vorwand zum Vergnügen außer dem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)