Solothurner Madonna
Solothurner Madonna |
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Hans Holbein der Jüngere, 1522 |
Öl auf Lindenholz |
143,5 × 104,9 cm |
Kunstmuseum Solothurn |
Die Solothurner Madonna ist ein Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren (1497–1543), entstanden 1522 in Basel. Das Gemälde zeigt die Mutter Gottes mit dem Jesusknaben, die in einer Gewölbenische thront, begleitet von den Heiligen Martin und Ursus. St. Martin, der in bischöflichem Ornat dargestellt ist, reicht einem Bettler, von dem lediglich Gesicht und ein Teil des Kopfes sichtbar sind, ein Almosen. Der ihm gegenüber angeordnete St. Ursus ist als Ritter in Rüstung dargestellt.
Das Gemälde befindet sich seit 1879 im Eigentum der Einwohnergemeinde Solothurn und wird im Kunstmuseum Solothurn aufbewahrt. Nach diesem Aufenthaltsort ist das Gemälde seit dem späten 19. Jahrhundert als Solothurner Madonna benannt. Neben der Darmstädter Madonna ist die Solothurner Madonna das zweite große erhaltene Madonnenbildnis Holbeins.
Bildbeschreibung
Komposition
Die Madonna sitzt aufrecht in der Mitte einer Architektur, die einen bogenförmigen Durchgang oder ein Fenster andeutet. Sämtliche dargestellten Figuren befinden sich unterhalb des halbkreisförmigen Bogens, der durch eiserne Streben nach unten abgeschlossen, sowie mittig unterteilt ist. Die fliehenden Linien der nur geringfügig nach links verschobenenen Zentralperspektive münden in der Brosche der Madonna, mit der der weite Mantel vor der Brust zusammengehalten ist, in einen Fluchtpunkt. Der Mantel fließt weit zu beiden Seiten über die Sitzbank der Madonna herab bis auf die Treppenstufen unterhalb der Bank und begrenzt so seitlich den Bildraum.[1]
Geschichte des Gemäldes
Der Auftraggeber
Es gilt als wahrscheinlich, dass das Gemälde von dem Stadtschreiber Johannes Gerster und seiner Ehefrau Maria Barbara Guldinknopf in Auftrag gegeben wurde. Das Entstehungsjahr 1522 ist durch die Bezeichnung H.H/15.22 belegt, die sich rechts an der Vorderseite der obersten Stufe findet.[2][3]
Ursprünglicher Aufstellungsort
Über die ursprüngliche Aufstellung des Gemäldes ist nichts bekannt. Eine Nutzung zum privaten Gebrauch ist wegen seiner Größe äußerst unwahrscheinlich. Naheliegender ist deshalb, dass das Gemälde zur Ausstattung der Basler Martinskirche oder der Kartause in Klein-Basel vorgesehen war. Der Auftraggeber der Madonna war mit der Kartause, in der er sich auch begraben ließ, eng verbunden. Ein Inventar der Kartause vom 16. Juni 1525 erwähnt eine "tafel darin unser lieben frauen her ist", es gibt jedoch keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass damit die Madonna Holbeins gemeint war. Wahrscheinlicher ist deshalb eine Aufstellung in der St. Martinskirche. Gerster gehörte nicht nur zur Pfarrei St. Martin, sondern hatte dort auch das Amt eines provisors, eines Kirchpflegers, inne. Die Zunft zu den Weinleuten, denen Gerster angehörte, spendete der Kirche zweimal ihr steinernes Wappen, so dass sich hierdurch eine weitere Verbindung Gersters zur St. Martinskirche ergibt. Die Deutung der beiden dargestellten Heiligen als St. Nikolaus und St. Ursus passt mit den in St. Martin verehrten Heiligen zusammen. Allerdings ist seine Funktion in der Kirche nicht bekannt, möglich erscheinen eine Nutzung als Altarbild oder auch als Epitaph. [4]
Bildersturm
Nachdem sich das Gemälde vermutlich zunächst in der St. Martinskirche befunden hatte, wurde es wohl noch vor dem Bildersturm an den Eigentümer herausgegeben.[5] Danach verliert sich die Spur des Gemäldes. Im Zuge der Reformation kam es im Februar 1529 in Basel zu einer Welle der Zerstörung von Ausstattungsgegenständen der Basler Kirchen und des Münsters. Zahlreiche Werke wurden verbrannt. Es ist davon auszugehen, dass Holbein in den Jahren vor und unmittelbar nach der Reformation zahlreiche weitere religiöse Tafelbilder angefertigt hat, die jedoch im Verlauf des Bildersturms zerstört worden sind.[6]
Wiederentdeckung
1864 wurde das Tafelbild zusammen mit weiteren Gemälden in der Allerheiligenkapelle in Grenchen in verwahrlostem Zustand wiederentdeckt.
Das Gemälde war durch unsachgemäße Lagerung schwer beschädigt. Jakob Amiet berichtet in seiner 1879 erschienenen Monographie über das kurz zuvor aufgefundene Bild: "Die Holztafel war von Würmern zerfressen und ohne Rahmen. Sie war ob einer Thüre an einem durch zwei in das Bild gebohrte Löcher gezogenen Stricke aufgehängt. Es fehlte an einer Ecke des Bildes ein acht Zoll hohes und vier Zoll breites Stück des Gemäldes. Es war ganz von aufgespritzten Kalkflecken bedeckt und trug überall die Spur schmählichster Verwahrlosung"[7]
Der Restaurator und Kunstsammler Franz Anton Zetter liess sich seine Arbeiten in der Kapelle mit dem Gemälde und drei weiteren Tafelbildern bezahlen. 1867, inzwischen war die Kunstwelt auf das Gemälde aufmerksam geworden, verlangte Grenchen das Bild zurück oder eine Entschädigung von 30.000 Schweizer Franken. Die Gemeinde zog vor Gericht. Noch vor Beginn des Prozesses „schenkten“ Zetter, Frank Buchser und dessen Bruder, die gemeinsam die Restauration bezahlt hatten, das Gemälde gegen Übernahme der Restaurationskosten dem Kunstverein Solothurn. Das Gericht, das davon ausging, dass das Gemälde ursprünglich für einen Aufstellungsort in Solothurn angefertigt worden war, sprach das Bild dem Solothurner Verein zu.[8]
Gottfried Kinkel berichtet in einer 1864 erschienenen Rezension verschiedener Holbein-Publikationen über die "Schilderung eines neu aufgetauchten Altarblattes von Holbein, der Madonna von Solothurn, mit den Kirchenheiligen Ursus und Martinus, welches jetzt durch Herrn Eigner in Augsburg von der wurmigen Holztafel abgelöst, neu unterlegt und restauriert im Besitz des Herrn Zeter zu Solothurn sich befindet." [9]
Einzelnachweise
- ↑ Oskar Bätschmann, Pascal Griener: Die Solothurner Madonna. Basel, 1998, S. 16ff
- ↑ Hans Holbein. Die Jahre in Basel. Ausstellungskatalog, Basel 2006, Kat. Nr. 83, S. 282.
- ↑ Stephan Kemperdick: Retabel, Epiphanien, Orgelflügel - Gemälde für den religiösen Gebrauch. In: Hans Holbein. Die Jahre in Basel. Ausstellungskatalog, Basel 2006, S. 41.
- ↑ Oskar Bätschmann, Pascal Griener: Die Solothurner Madonna. Basel, 1998, S. 30ff
- ↑ Sander: Zur Entstehungsgeschichte von Holbeins Madonnenbild .... In: Hans Holbeins Madonna im Städel. Ausstellungskatalog, 2004, S. 35.
- ↑ Stephan Kemperdick: Retabel, Epiphanien, Orgelflügel - Gemälde für den religiösen Gebrauch. In: Hans Holbein. Die Jahre in Basel. Ausstellungskatalog, Basel 2006, S. 37.
- ↑ Amiet: Hans Holbeins Madonna von Solothurn. Solothurn, 1879, S. 3
- ↑ http://www.museums-gesellschaft.ch/geschichte/holbein_text.html
- ↑ Gottfried Kinkel: Zur Holbein-Literatur. In: Zeitschrift für bildende Kunst, Band 4, 1864, S. 194ff.
Literatur
- Jacob Amiet: Hans Holbein's Madonna von Solothurn Und der Stifter Nicolaus Conrad, Solothurn, 1879. Reprint: Bibliolife, LaVergne, 2011.
- Oskar Bätschmann, Pascal Griener: Hans Holbein d.J. – Die Solothurner Madonna. Eine Sacra Conversazione im Norden, Basel, 1998. ISBN 3-7965-1050-7
- Jochen Sander: Hans Holbein d. J. und die niederländische Kunst, am Beispiel der "Solothurner Madonna" in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 55 (1998), S. 123-130.