Schwerelosigkeit

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Unter Schwerelosigkeit (im freien Fall) formen sich Wassertropfen zu Kugeln.

Unter Schwerelosigkeit versteht man einen Zustand, in dem entweder keine Schwerkraft wirkt, oder deren Auswirkung nicht zu spüren ist. Da die Reichweite der Schwerkraft prinzipiell unendlich ist, gibt es praktisch keinen Punkt im Universum, an dem sie nicht wirkt. Es gibt jedoch Zustände, bei denen die Wirkung der Schwerkraft nicht spürbar ist.

Ein bekanntes Beispiel für Schwerelosigkeit ist die Kreisbahn einer Raumstation im Orbit der Erde. Obwohl in der Höhe, in der sich eine Raumstation üblicherweise befindet, noch etwa 90 % der Erdschwerkraft wirken, wird diese für die Astronauten nicht spürbar, da außer der Schwerkraft keine weiteren Kräfte wirken.

Dies steht im Gegensatz zur Wirkung der Schwerkraft auf der Erde, wo der Boden, auf dem wir stehen, eine nach oben gerichtete Gegenkraft ausübt (und damit verhindert, dass wir Richtung Erdmittelpunkt fallen). Diese Gegenkraft wirkt nicht auf alle Teile unseres Körpers gleichmäßig, sondern nur auf unsere Füße, und staucht unseren Körper damit etwas zusammen - das ist die Schwere, die wir spüren, und üblicherweise mit der Schwerkraft gleichsetzen.

Eine Kreisbahn um die Erde ist ein Spezialfall eines freien Falls, der dadurch gekennzeichnet ist, dass außer der Schwerkraft keine weiteren Kräfte wirken. In jedem freien Fall herrscht Schwerelosigkeit. Somit ist es auch auf der Erde möglich, dieselbe Schwerelosigkeit zu erzeugen, wie sie auf der Raumstation herrscht - allerdings nur für begrenzte Zeit. Dazu muss man entweder dafür sorgen, dass beim Fall eines Körpers der Einfluss der Luftreibung wegfällt, was in evakuierten Falltürmen gelingt. Oder man gleicht durch den Schub der Triebwerke bzw. geeignete Flugmanöver eines Flugzeuges die Luftreibung exakt aus, was in den sogenannten Parabelflügen realisiert wird. Die Simulation von Schwerelosigkeit unter Wasser, wie sie für Trainingszwecke für Astronauten auch benutzt wird, ist hingegen kein freier Fall: Es wird zwar die Schwerkraft durch die Auftriebskraft des Wassers kompensiert, sodass die Astronauten im Wasser schweben, aber hier ist die Summe der Kräfte, die neben der Schwerkraft wirken, nicht null. Daher hat man im Wasser nicht das typische Gefühl der Schwerelosigkeit, ins Bodenlose zu fallen, sondern fühlt sich vom Wasser getragen.

Beispiele für (annähernde) Schwerelosigkeit

Schwerelosigkeit auf dem Trampolin: Die Flasche schwebt neben dem Springer.
  • Springt man auf einem Trampolin 1,5 Meter hoch, erlebt man für mehr als eine Sekunde das Gefühl der „Schwerelosigkeit“.
  • Auch beim Turmspringen oder beim Bungee-Jumping fühlt sich der Körper des Springers (wenn auch nur für einige Sekunden) schwerelos, so lange, bis die Wasseroberfläche berührt wird oder sich das Gummiseil strafft.
  • Sekundenlange Schwerelosigkeit kann man ebenfalls in verschiedenen Fahrgeschäften in Vergnügungsparks erleben, vor allem Achterbahnen und Freifalltürme. Im Fan-Jargon wird sie dort Airtime genannt.
  • Bei einem Fallschirmsprung kurz nach dem Ausstieg aus dem Flugzeug. (Später erreicht der fallende Springer eine Endgeschwindigkeit, die im Wesentlichen durch den Luftwiderstand bedingt ist.)
  • Wenn ein Flugzeug in einer speziellen parabelförmigen Flugbahn fliegt, die nach unten geöffnet ist (Der Scheitel ist dann oben). Solche Parabelflüge können bis zu 90 Sekunden das Gefühl der Schwerelosigkeit herbeiführen.
  • Bei allen Raumflugkörpern, die in einem Orbit um einen Himmelskörper kreisen (genau genommen nur an dessen Schwerpunkt). Beschreibt man die Situation im beschleunigten System des Raumflugkörpers, so ist hier die Zentrifugalkraft die Trägheitskraft, die die Schwerkraft kompensiert. Da diese Kompensation in der Realität nicht perfekt ist, spricht man von Mikrogravitation.
  • Es gibt Aufnahmen aus dem Space Shuttle von einer fest montierten Kamera, die die Verhältnisse veranschaulichen: Mehrere Astronauten schweben im Spacelab und arbeiten dort, und dann werden die Steuerdüsen des Shuttles kurz in Querrichtung betätigt. Die Folge ist, dass alles, was nicht angeschraubt ist – also die Astronauten und diverse lose Gerätschaften – sich per Trägheit parallel zueinander auf die eine Shuttle-Innenwand zu bewegen, bis sie dort anprallen und sich neu mit deren Bewegung synchronisieren.
  • Etwas der Schwerelosigkeit recht ähnliches erlebt man in einem Tauchbecken. Dies ermöglicht lange Zeiten, die im Astronautentraining zum Üben von Reparaturen des Raumschiffs bei Weltraumspaziergängen genutzt werden.
  • Der 146 Meter hohe Bremer Fallturm ist eine Einrichtung des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitationsforschung (ZARM) an der Universität Bremen. Er ermöglicht eine Fallhöhe von 110 m in einem evakuierten Rohr von 3,5 m Durchmesser. Dennoch ist bei dieser großen Fallhöhe die Fallzeit noch relativ kurz, sie beträgt genau 4,74 Sekunden. Die Experimente werden in einer speziell konstruierten Fallkapsel durchgeführt, die am Ende der Fallstrecke in einem 8 m hohen, mit feinkörnigem Polystyrol-Granulat gefüllten Behälter abgebremst wird. Dort haben die „Versuchskandidaten“ dann immerhin eine Endgeschwindigkeit von 167 km/h. In dem Turm kann künftig für Experimente fast zehn Sekunden der Anschein der Schwerelosigkeit erzeugt werden. Wie die Betriebsgesellschaft des wissenschaftlichen Großlabors mitteilte, lässt sich mit einem neuen, weltweit einzigartigen Katapult die Dauer der Schwerelosigkeit beim einfachen freien Fall im Turm in etwa verdoppeln. Diese Zeit wird dadurch erreicht, dass die Experimentkapseln aus einem 10 Meter tiefen Raum unterhalb des Turms in die Höhe geschossen werden, bevor sie dann wieder nach unten stürzen. Schon im Steigflug sind die Kapseln scheinbar schwerelos (www.zarm.uni-bremen.de).
  • Schüler eines Bremer Gymnasiums zeigten unter Betreuung von Mitarbeitern des ZARM, dass sich solche Experimente zur Schwerelosigkeit auch in die Schule holen lassen. Sie präsentierten bei „Jugend forscht 2002“ einen Minifallturm, der Fallversuche in jedem (Klassen-) Zimmer erlaubt. Sie nahmen sich den Fallturm ihrer Heimatstadt zum Vorbild und konstruierten einen 2 m hohen Turm. Die Fallzeit von 0,6 Sekunden reicht schon, um dem Computer mittels Videosignal und Kamera verwertbare Daten aus der Fallkapsel zu liefern. Damit ließ sich nicht nur die Verbrennung erforschen, die Schüler haben auch weitere Versuche zu Magnetismus, Drehbewegungen, Oberflächenspannung und Kapillarkräften entwickelt.
  • Die Bremer machtWissen.de AG, 2003 hervorgegangen aus Wissenschaftlern des ZARM, hat die "Faszinazion Schwerelosigkeit" in einen Koffer gepackt. Mit dem gleichnamigen Experimentierkoffer hält das Phänomen der Schwerelosigkeit Einzug in das Klassenzimmer. Der Koffer enthält eine Fallkapsel, welche aus einer flexibel montierbaren Vorrichtung ausgeklinkt wird. Die Fallhöhe von zwei Metern wird dabei mit einer Geschwindigkeit von 0,6 Sekunden zurückgelegt. Vorher können die Nachwuchsforscher zwischen vier verschiedenen Experimenten wählen, die sie in der Fallkapsel den freien Fall erfahren lassen. Dadurch werden physikalische Phänomene wie Kapillarkraft, Oberflächenspannung oder Verbrennungsvorgänge greifbar gemacht: Magnete fliegen auseinander, Wasser umschließt Luft und eine Kerzenflamme sieht plötzlich ganz anders aus. Eine integrierte Kamera sorgt dafür, dass diese Vorgänge aufgezeichnet und somit für die Schüler sichtbar werden. Mithilfe einer speziellen PC-Software können die spannenden Ergebnisse im Zeitlupen-Film oder in einzelnen Bildern ausgewertet werden. 2007 überreichte der Astronaut Buzz Aldrin mehrere Experimentierkoffer an Bremer Schulen.
  • Im Fernsehen wurde als Studioexperiment schon ein Plexiglaswürfel von ca. 40 cm Kantenlänge quer durch das Studio geworfen, also über ein Strecke von einigen Metern. In den Würfel hatte man ein paar Gegenstände gelegt, einen Ball als etwas Weiches und auch irgendwas Hartes usw. Wenn man den Flug dieses Würfels mit der Kamera verfolgte und anschließend in Zeitlupe wiedergab, sah man, dass die Gegenstände während des Fluges scheinbar frei und „schwerelos“ im Inneren des Würfels schwebten und nur untereinander leichte Stöße austauschten.
  • Die älteste Anwendung der „Schwerelosigkeit“ ist die Herstellung von Schrotkugeln. Hierbei lässt man flüssiges Blei im Innern eines Turmes durch ein feines Sieb herabregnen. Während des freien Falles nehmen die Bleitropfen die runde Kugelform an. Einen Turm, in dem das gemacht wurde, findet man in Drochtersen.

Technische Probleme in der Schwerelosigkeit

Kerzenflamme in Schwerelosigkeit.
Tropfen in Mikrogravitation.

Schwerelosigkeit kann bei empfindlichen technischen Geräten (besonders bei solchen mit zahlreichen beweglichen Teilen) Probleme verursachen. Physikalische Prozesse, die von der Wirkung des Gewichts von Körpern abhängen (etwa die Konvektion, siehe zum Beispiel bei Kerzen oder beim Wasser kochen), funktionieren im schwerelosen Zustand genauso wenig wie Geräte des Alltags z. B. Duschen, Waschbecken oder Toiletten. Daher sind in Raumfähren und Raumstationen speziell an die Schwerelosigkeit angepasste sanitäre Anlagen (etwa ein Klosett mit Fäkalien-Sauganlage) im Einsatz. Getrunken wird im Weltraum auch nicht aus Tassen oder Gläsern, sondern aus verschließbaren Tuben oder Bechern mit Deckel und verschließbarem Strohhalm.

Die Schwerelosigkeit bietet aber auch viele technische Vorteile gegenüber den Möglichkeiten, die wir auf der Erde haben. So können zum Beispiel die Adhäsionskraft und die Eigenschaften der Oberflächenspannung besser beobachtet werden, was nicht zuletzt ein großer Fortschritt für die Erforschung des Mikrokosmos ist. Ein Beispiel für eine Beobachtung, die man auch im Alltag an frei fallenden Flüssigkeiten machen kann, ist die kettenartige Verformung einer Wassersäule (Springbrunnen, kleiner Wasserfall), die entsteht, wenn die Oberflächenspannung versucht, kugelförmige Tropfen zu bilden, während die Kohäsion versucht, die Wassersäule zusammenzuhalten.

Kettenartige Verformung einer Wassersäule

Reaktion des menschlichen Körpers auf Schwerelosigkeit

Schwerelosigkeit während eines Parabelfluges in einer Boeing KC-135

Der menschliche Körper reagiert auf das Gefühl der Schwerelosigkeit vielfach mit der Raumkrankheit, die genauso wie die Reisekrankheit durch eine Verwirrung des Gleichgewichtssinns hervorgerufen wird. Mit fortschreitender Gewöhnung an den schwerelosen Zustand verschwinden die für die Raumkrankheit charakteristischen Symptome (Schwindelgefühl, Übelkeit bis zum Erbrechen). Lang andauernde Schwerelosigkeit (2 Monate oder länger) führt zu einer Anpassung des menschlichen Körpers an die (vor allem im Wirbelsäulen- und Beinbereich spürbare) Entlastung: Knochen- und Muskelmasse sowie das Blutvolumen schwinden, was vielen Raumfahrern bei der Rückkehr auf die Erde gesundheitliche Probleme bereitet. Zur Vorbeugung müssen Raumfahrer auf Langzeiteinsätzen daher (auf einem Laufband oder Ergometer) durch körperliche Betätigung der Schwerkraft einen künstlich erzeugten Widerstand entgegensetzen.

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Fazination Schwerelosigkeit