Kaineus

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Kaineus wird von zwei Kentauren in den Boden geschlagen. Bronzerelief, 7. Jahrhundert v. Chr., Archäologisches Museum Olympia
Virgil Solis (1514–1562): Caenis und Neptun. Kupferstich zur Illustration der Metamorphosen des Ovid

Kaineus (altgriechisch Καινεύς Kaineús, von καινόειν kainóein, deutsch ‚erneuern, abändern‘, lateinisch Caeneus) ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Er ist einer der Lapithen, Sohn des Lapithenfürsten Elatos. Er soll durch Eisen nicht verwundbar gewesen sein, sodass er während der [[Kentauromachie (Mythos)| Kentauromachie nur dadurch besiegt worden sein soll, dass man ihn unter Baumstämmen begrub bzw. in den Erdboden hämmerte.

Mythos

Kaineus gilt in der griechischen Mythologie als sehr alt: Homer erzählt in der Ilias, dass Nestor die Bekanntschaft mit ihm – einem der „stärksten der Erdenbewohner“ – als Beweis seines eigenen hohen Lebensalters angeführt habe.[1] Ansonsten erwähnt Homer ihn nicht weiter.

Kaineus ist einer der Kämpfer in der Kentauromachie. In Ovids Metamorphosen berichtet Nestor, von dem diese Binnenerzählung stammt, er allein habe fünf Kentauren niedergestreckt. Aufgrund seiner Unverwundbarkeit hätten die Kentauren ihn unter Baumstämmen begraben und dadurch erdrückt.[2] In einem Pindar-Fragment heißt es dagegen, er sei aufrecht stehend, von „grünen Fichten" geschlagen, unter die Erde verschwunden, da er durch Metall nicht habe verwundet werden können. So zeigt es auch ein kleines Bronzerelief aus dem 7. Jahrhundert v. Chr., eine der frühesten Darstellungen eines Mythos in der griechischen Kunst.[3] Was danach geschah, lässt Ovid Nestor in zwei Versionen erzählen: Entweder wurde er durch die schiere Menge des Holzes durch die Erde in den Tartarus gedrückt, oder er wurde nach einem angeblichen Bericht des Sehers Mopsus in einen einzigartigen rostfarbenen Vogel verwandelt. Dieser Vogel wird von manchen als Phönix identifiziert.[4]

Akusilaos von Argos, ein Mythograph des 6. Jahrhunderts v. Chr., berichtet, Kaineus sei ursprünglich ein Mädchen namens Kaine gewesen. Sie habe mit dem Meeresgott Poseidon geschlafen, der sie anschließend, da es ihr „heilig“ gewesen sei, keine Kinder zu gebären, in einen unverwundbaren Mann verwandelt habe. Dieser sei König der Lapithen geworden und habe seinem Volk befohlen, einen Speer, den er auf dem Marktplatz aufgestellt hatte, als Gott anzubeten. Der anschließende Kampf mit den Zentauren, bei dem Kaineus aufrecht in die Erde geschlagen wurde, sei Zeus Strafe für diese Blasphemie gewesen.[5]

Bei Ovid heißt das Mädchen Caenis. Nachdem es trotz vieler Bewerber unverheiratet geblieben war, habe Neptun, das römische Analogon zu Poseidon, es vergewaltigt. Als er ihr im Anschluss einen Wunsch freigibt, erwidert sie:

„magnum […] facit haec iniuria votum,
tale pati nil posse, mihi, da, femina ne sim:
omnia praestiteris.
Einen großen Wunsch weckt in mir diese Gewalttat: daß mir solches nicht mehr widerfahen kann. Gib, daß ich keine Frau mehr bin! Damit schenkst du mir alles.“

Neptun erfüllt ihr diese Bitte und fügte auch die Gabe hinzu, dass Caeneus, wie er nun hieß, von keinem Eisen verletzt werden konnte.[6] In der Aeneis des Vergil ist Caeneus – „einst ein junger Mann, jetzt eine Frau, durch das Schicksal wieder in die alte Gestalt zurückverwandelt“ – eine der Gestalten, die Aeneas in der Unterwelt antrifft.[7]

Phlegon von Tralleis, ein Paradoxograph des 2. Jahrhunderts, berichtet eine Variante dieses Mythos, in der der Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgte, nachdem Poseidon Kainis versprochen hatte, ihr anschließend einen Wunsch zu erfüllen. Möglicherweise geht diese Variante auf Hesiod zurück.[8]

Rezeption

In der Netflix-Serie Kaos wird Kaineus von dem britischen Schauspieler Misia Butler dargestellt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Homer, Ilias 1,264 und 266, zitiert bei Katharina Waldner: Geburt und Hochzeit des Kriegers. Geschlechterdifferenz und Initiation in Mythos und Ritual der griechischen Polis. De Gruyter, Berlin / New York 2000, ISBN 978-3-11-081447-7, S. 51.
  2. Ovid, Metamorphosen XII, 459–521
  3. Katharina Waldner: Geburt und Hochzeit des Kriegers. Geschlechterdifferenz und Initiation in Mythos und Ritual der griechischen Polis. De Gruyter, Berlin / New York 2000, S. 51.
  4. Françoise Lecocq: Caeneus auis unica (Ovide: Mét. 12, 532) est-il le phénix? In: Le phénix et son Autre. Poétique d’un mythe – des origines au XVIe siècle. Hrsg. von Laurence Gosserez. Presses Universitaires de Rennes, Rennes 2013 (Collection „Interférences“), ISBN 978-2-7535-2735-5, S. 211–220.
  5. Katharina Waldner: Geburt und Hochzeit des Kriegers. Geschlechterdifferenz und Initiation in Mythos und Ritual der griechischen Polis. De Gruyter, Berlin / New York 2000, S. 52 f.
  6. Ovid: Metamorphosen. Deutsch von Michael von Albrecht. Goldmann, München 1987, S. 278.
  7. „iuvenis quondam, nunc femina, Caeneus rursus et in veterem fato revoluta figuram“. Vergil, Aeneis VI, 448 f,
  8. Katharina Waldner: Geburt und Hochzeit des Kriegers. Geschlechterdifferenz und Initiation in Mythos und Ritual der griechischen Polis. De Gruyter, Berlin / New York 2000, S. 52.