Im Krug zum grünen Kranze
Im Krug zum grünen Kranze oder Brüderschaft ist ein deutsches Volkslied.
Das im Rahmen der Gedichtsammlung Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten von Wilhelm Müller im Jahr 1821 veröffentlichte Gedicht Brüderschaft, das seit 1833 nach der Melodie des älteren Ich stand auf hohem Berge gesungen wird, entstand im gleichnamigen Wirtshaus in Halle (Saale) zur Zeit der Romantik. Zu dieser Zeit trug das Gedicht den Titel Brüderschaft.
Text und Melodie
Brüderschaft (W. Müller, 1821)[1]
Im Krug zum grünen Kranze
Da kehrt’ ich durstig ein:
Da saß ein Wandrer drinnen
Am Tisch bei kühlem Wein.
Ein Glas war eingegossen,
Das wurde nimmer leer;
Sein Haupt ruht’ auf dem Bündel,
Als wär’s ihm viel zu schwer.
Ich thät mich zu ihm setzen,
Ich sah ihm ins Gesicht,
Das schien mir gar befreundet,
Und dennoch kannt’ ich’s nicht.
Da sah auch mir ins Auge
Der fremde Wandersmann,
Und füllte meinen Becher,
Und sah mich wieder an.
Hei, was die Becher klangen,
Wie brannte Hand in Hand:
„Es lebe die Liebste deine,
Herzbruder, im Vaterland!“
Brüderschaft (Stuttgart, 1895)[2]
Im Krug zum grünen Kranze
Da kehrt’ ich Wandrer ein:
Da saß ein Bürger drinnen
Am Tisch beim kühlen Wein.
Ich thät mich zu ihm setzen,
Ich sah ihm ins Gesicht,
Das schien mir gar befreundet,
Und dennoch kannt’ ich’s nicht.
Da hub er an, zu fragen:
„Gesell, wie steht’s zu Haus?
Und mit dem Sinn der Bürger,
Wie sieht es bei Euch aus?“
Ich sprach: „Sie sind verbunden
Und halten wacker Stand,
Den freien Sinn zu hegen
Im Dorf und rings im Land.“
Da sah er mir ins Auge:
„Der Freiheit gilt’s, wohlan!
Ihr ist in alter Liebe
Auch mein Herz zugethan!“
Hei, was die Gläser klangen,
Es brannte Hand in Hand:
„Es lebe das Recht, die Freiheit,
Herzbruder, im Vaterland!“
Die heute bekannteste, in nur geringfügigen Abweichungen von unterschiedlichen Interpreten gesungene Melodie lautet (nach Schmeckenbecher/Friz 1978):[3][4]
Die 1833 im Liederbuch für deutsche Künstler[1] und später in zahlreichen Ausgaben des Commersbuches erschienene Melodie lautet:
Geschichte der Melodie
- Version A
1830 veröffentlichte Franz Kugler eine bis heute wenig verbreitet gebliebene Vertonung von Im Krug zum grünen Kranze in seinem „Skizzenbuch“,[5] einer Anthologie u. a. mit selbstverfassten Gedichten und Liedern. Unklar bleibt bei dieser Version der Komponist. Vermutungen lassen Franz Kugler selbst als Komponisten zu.
- Version B
1833 erschien im Liederbuch für deutsche Künstler (Herausgeber Robert Reinick und Franz Kugler) die im 19. Jahrhundert am meisten verbreitete, der heute gesungenen ähnliche Melodie.[1]
Hintergrund
Wilhelm Müller traf sich im Vorfeld seiner Eheschließung mit Adelheid von Basedow am 21. Mai 1821 mit ihrem Bruder Carl von Basedow im Krug zum grünen Kranze in Halle, um ihn um Erlaubnis für die Heirat zu bitten. Basedow war zu früh erschienen und genoss während der Wartezeit die Annehmlichkeiten des Wirtshauses und den romantischen Blick zur Burgruine Giebichenstein.
Vermutlich in Folge des reichlichen Weinverzehrs schlief der 1840 durch seine Beschreibung der Krankheit Morbus Basedow berühmt gewordene Arzt, als Wilhelm Müller im „Krug“ eintraf. Müller erkannte ihn zuerst nicht, jedoch wurde ihm anhand der Ähnlichkeit Basedows mit seiner Schwester klar, wer da auf ihn wartend eingeschlafen war. Zur Erinnerung an diese Begegnung verfasste Müller das vorliegende Gedicht.
Politischer Gehalt und demokratische Parodie von 1895
Nach Einschätzung von Horst Dieter Schlosser handelt es sich bei Im Krug zum grünen Kranze „nur scheinbar um ein Wanderlied“. Wilhelm Müller schrieb das Gedicht 1821 im Zeitalter der Restauration, als sich die „politisch entmündigten Bürger“ in oft harmlos wirkende Zirkel zurückzogen. Laut Schlosser kamen hier, „wenn auch getarnt, die freiheitlichen Ambitionen zum Ausdruck“. Die beiden Wanderer lassen hiernach schon durch ihren Blickkontakt ihre Gemeinsamkeit erkennen, was insbesondere im letzten Vers „Herzbruder im Vaterland“ zum Ausdruck kommt.[6]
Nach dem Fall der 1878 erlassenen Sozialistengesetze im Jahre 1890 entstand eine Parodie des Liedes, in der die demokratische Gesinnung der beiden sich begegnenden Wanderer offen geäußert wird.[3] Das Lied wurde im Januar 1895 auf der Stuttgarter Landesversammlung gesungen und erschien 1895 im Demokratisches Liederbuch zum Gebrauch der Volksvereine.[2] Das Folk-Duo Zupfgeigenhansel griff diesen Text wieder auf, veröffentlichte ihn 1978 in seinem Liederbuch Es wollt ein Bauer früh aufstehn und machte ihn in den 1970er und 1980er Jahren durch seine Auftritte mit der inzwischen etablierten Melodie des Liedes bekannt.[3]
Literatur
- Frauke Schmitz-Gropengiesser: Im Krug zum grünen Kranze (2012). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c Franz Kugler, Robert Reinick (Hrsg.): Liederbuch für deutsche Künstler. Vereins-Buchhandlung, Berlin, Düsseldorf 1833, S. 156-7, urn:nbn:de:hbz:061:2-857.
- ↑ a b Demokratisches Liederbuch zum Gebrauch der Volksvereine. Verlag Lutz, Stuttgart 1895, S. 23, Nr. 20, Brüderschaft.
- ↑ a b c Erich Schmeckenbecher, Thomas Friz (Hrsg.): Es wollt ein Bauer früh aufstehn. 222 Volkslieder. Verlag Pläne, Dortmund 1978, S. 320f.
- ↑ Im Krug zum grünen Kranze. Lieder-Archiv, abgerufen am 15. Dezember 2024.
- ↑ Franz Kugler: Skizzenbuch. Reimer, Berlin 1830, S. 27, urn:nbn:de:hbz:061:2-1374 (darin: Musikalische Beilage nach Lied Nr. 12, S. 1).
- ↑ Horst Dieter Schlosser: Die Macht der Worte: Ideologien und Sprache im 19. Jahrhundert. Böhlau, Köln 2016, S.